Diskussion mit Justizminister

Diskussion mit Justizminister
© IHK

Diese Meldung stammt aus dem Archiv und ist möglicherweise nicht mehr aktuell.

Stand: 19.12.2014

Notwendige Gesetzesnovelle oder überflüssiges und sogar schädliches Regelwerk? Die Mitglieder der Vollversammlung der IHK Mittlerer Niederrhein haben mit NRW-Justizminister Thomas Kutschaty über das geplante Unternehmensstrafrecht diskutiert. Er hat einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. IHK-Präsident Heinz Schmidt machte in seiner Begrüßung keinen Hehl aus seiner kritischen Meinung zu diesem Gesetzesvorstoß: „Für mich setzt Strafe immer noch individuelles Verschulden voraus. Bei einer Bestrafung von Institutionen und Unternehmen ist dies nicht gegeben. Außerdem reichen die Regelungen im Strafgesetzbuch, im Steuerstrafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht heute schon aus.“

Kutschaty nutzte die Gelegenheit, den skeptischen Vertretern der Wirtschaft am Mittleren Niederrhein, seine Sicht der Dinge zu erläutern: „Laut Bundeskriminalamt ist die Zahl der Korruptionsdelikte 2013 um 33 Prozent gestiegen.“ Der finanzielle Schaden durch Wirtschaftskriminalität mache die Hälfte aller Vermögensschäden in Deutschland aus. „Sind wir ausreichend geschützt vor einigen wenigen schwarzen Schafen in Deutschland?“, fragte der Minister. „Ich denke nicht.“ Das Strafrecht müsse auch eine präventive Wirkung haben. Darum gehe es bei seinem Vorstoß. Das Ordnungswidrigkeitenrecht mit der Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen, sei nicht ausreichend. „Bußgelder funktionieren ja schon im Straßenverkehr nicht. Wieso sollten sie bei Wirtschaftskriminalität genügen?“

Entscheidend für die Straffälligkeit einer juristischen Person wie beispielsweise ein Unternehmen sei, so Kutschaty, die „organisationsbezogene Straftat eines Entscheidungsträgers“. „Diese Straftat kann ein aktives Tun sein, sie kann aber auch im Unterlassen liegen, etwa wenn Aufsichtsgremien ihre Kontrollfunktion nicht wahrnehmen.“ Als Sanktionsmöglichkeiten seien Geldstrafen denkbar, die sich aus der Ertragskraft der Unternehmen ergeben. Ultima Ratio sei die Auflösung eines Unternehmens. „Compliance-Regelungen und aktive Aufklärungshilfe gelten als mildernde Umstände.“

Dr. Christiane Hoerdemann-Napp, Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), kritisierte, dass mit einem Unternehmensstrafrecht die Belegschaften ganzer Betriebe für das Fehlverhalten Einzelner „an den Pranger gestellt“ würden: „Die negativen sozialen Folgen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind unangemessen und unverhältnismäßig.“ Die Verhältnismäßigkeit des Gesetzes wurde aus der Vollversammlung heraus wiederholt infrage gestellt: „Bereits das fahrlässige Fehlverhalten etwa eines Prokuristen oder Werkstattleiters ist ein Straftatbestand, für den das gesamte Unternehmen haften soll. Das ist völlig überzogen“, hieß es. IHK-Vizepräsident Wilhelm F. Thywissen bezweifelte die präventive Wirkung eines Unternehmensstrafrechts: „Werden durch neue Gesetze wirklich Delikte verhindert oder aufgeklärt? Ich glaube nicht, dass ein Mehr an Paragraphen tatsächlich weiterhilft.“

Lutz Goebel, IHK-Vollversammlungsmitglied und Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer – ASU e.V.“, fragte: „Brauchen wir wirklich eine Doppelbestrafung? Zuerst bestrafen wir den Manager, dann bestrafen wir noch den ganzen Betrieb. Das ist doch nicht logisch.“ Das neue Gesetz trage zudem dazu bei, das Unternehmertum und wirtschaftliches Handeln pauschal zu kriminalisieren: „Das ist schlecht für die Unternehmenskultur in diesem Land, schadet mit weiterer Bürokratie dem Standort und bremst den Gründergeist aus.“

Bildtext: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty diskutiert mit den Mitgliedern der IHK-Vollversammlung über das geplante Unternehmensstrafrecht.