Trump und das Missverständnis
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Stand: 02.06.2017
An den 8. November 2016 kann sich Prof. Dr. Jens Südekum noch genau erinnern. Er war gerade in Minneapolis gelandet, als er vom Wahlerfolg Trumps hörte. Von der Stimmung, dass eine Wahl Trumps der Anfang vom Ende der Welt sei, wie er sie in Deutschland wahrgenommen hatte, sei dort am Flughafen nichts zu spüren gewesen. „In Kalifornien traf ich aber dann auf eine komplett andere Stimmung. Die akademische Szene war paralysiert“, erklärte der Professor für internationale Volkswirtschaftslehre am Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität. Südekum war Referent beim Wirtschaftsforum Viersen, zu dem die IHK Mittlerer Niederrhein ins Schloss Neersen eingeladen hatte. Nach einem Grußwort durch Willichs Bürgermeister Josef Heyes und der Begrüßung durch IHK-Präsident Elmar te Neues nahm Südekum seine rund 150 Zuhörer unter dem Titel „Trumponomics – Bestandaufnahme und Ausblick“ auf eine kurzweilige Reise in die USA mit.
„Trump hat die Wahl gewonnen, weil er die Industrieregion Rust Belt gedreht hat“, erklärte der Referent. Die industrielle Herzkammer der USA habe in den vergangenen 30 Jahren einen enormen Abstieg erlebt. Zwischen 2000 und 2014 seien fünf Millionen Arbeitsplätze verschwunden. Laut Trump ist daran die Globalisierung schuld, namentlich vor allem auch China. „Das war Trumps Topthema im Wahlkampf, und so hat er den sogenannten Globalisierungsgegnern seinen Sieg zu verdanken.“ Trumps Schuldzuweisungen lässt der Wissenschaftler so nicht stehen: „Es liegt in erster Linie an den Robotern, nicht an den Chinesen“, betont er. „Die meisten Arbeitsplätze – etwa vier Millionen – sind durch den technischen Fortschritt verloren gegangen, nicht durch die Globalisierung.“
Für Trump aber steht fest: China und auch Deutschland stehen mit Exportüberschüssen hervorragend da, die USA weisen ein Leistungsbilanzdefizit auf – ein Zeichen von Schwäche. Diese Schwarz-Weiß-Malerei ist in Südekums Augen falsch. „Volkswirte müssen ihm dringend erklären, dass ein Leistungsbilanzdefizit volkswirtschaftlich gesehen nicht zwingend eine Schwäche und umgekehrt ein Exportüberschuss alleine keine Stärke ist“, betonte er. Deutschland habe einen Überschuss, weil neben dem hohen Export viel gespart und Geld vor allem im Ausland angelegt wird. Gleichzeitig fehlten aber Investitionen im Inland. Das müsse sich ändern: „Die Importseite muss in Deutschland hochgefahren werden. Es muss wieder mehr konsumiert werden, deutsche Unternehmen müssen noch mehr in Deutschland investieren. Dafür muss es natürlich auch Anreize geben.“ In den USA zeigt sich ein umgekehrtes Bild: Der Konsum ist hoch, es wird viel importiert und viel investiert. Letztlich müsse man immer beide Seiten – die Export- und die Importwerte – analysieren.
„Einzelne Handelsbarrieren, wie Trump sie sich wünscht, würden am Leistungsbilanzdefizit jedenfalls nichts ändern. Sie würden zu einer Dollaraufwertung führen, zu Strafzöllen und dadurch zu geringen Exporten“, sagte er. Die Konsumenten müssten am Ende für Produkte mehr zahlen, Jobs gingen verloren. Allerdings glaubt Südekum nicht, dass es dazu kommen wird. „Mein Tipp ist, dass nicht viel passieren wird. Trump wird keinen echten Protektionismus praktizieren“, prophezeit er. „Die Trumpsche Handelspolitik basiert auf Missverständnissen, und ich habe die Hoffnung, dass die Welt ihm das erklärt.“
Südekums Einschätzung teilen die hiesigen Unternehmen. „Bislang zeigt sich die Wirtschaft von den insgesamt kritischen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wenig beeindruckt“, hatte IHK-Präsident Elmar te Neues zu Beginn des Wirtschaftsforums erklärt. „Nach unserer aktuellen Konjunkturumfrage rechnen 24 Prozent der exportierenden Unternehmen mit einem steigenden und nur 14 Prozent mit einem sinkenden Auslandsumsatz.“ Vor einem Jahr hätten sich beide Zahlen die Waage gehalten. „Es ist also eher wieder Optimismus eingekehrt“, erklärte der IHK-Präsident.
Schließlich griff Südekum die Frage auf, ob es den Trump-Effekt auch in Deutschland geben könne. Der zunehmende Export sorgte in Westdeutschland zwischen 1990 und 2010 für rund eine Million neue Jobs, etwa 500.000 Menschen haben ihren Job verloren. Das Ruhrgebiet, die Pfalz und Oberfranken seien „Globalisierungsverlierer“. Vor allem dort seien Arbeitsplätze durch die Globalisierung verloren gegangen. Von einem Populismus wie man ihn im Rust Belt beobachten konnte, ist dort aber nichts zu spüren. „In Deutschland wurde die Globalisierung durch eine funktionierende Strukturpolitik besser abgefedert“, erklärte Südekum. Den Rust Belt habe man sich selbst überlassen.
„Globalisierung kann für alle handfeste Vorteile bringen“, betonte der Ökonom schließlich. Gleichzeitig könne sie sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken – sofern nicht zum Beispiel durch Bildungspolitik, gute Infrastruktur und soziale Sicherung gegengesteuert wird. „Deutschland hat das deutlich besser gemacht als die USA.“
Bildunterschrift:
Begrüßten rund 150 Gäste zum Wirtschaftsforum Viersen (v.r.): IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, Prof. Dr. Jens Südekum (Professor für internationale Volkswirtschaftslehre am Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität), IHK-Präsident Elmar te Neues und Willichs Bürgermeister Josef Heyes.