„Der Weg des chinesischen Drachens ins Herz Europas“

„Der Weg des chinesischen Drachens ins Herz Europas“
© IHK Mittlerer Niederrhein

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Stand: 27.11.2019

Sie wird einerseits als Wiederbelebung eines traditionellen Handelsnetzwerks gefeiert und andererseits als geo- und wirtschaftspolitisches Instrument zur Einflussnahme kritisiert: die Belt and Road Initiative (BRI) der Volksrepublik China, besser bekannt als die Neue Seidenstraße. Welche Ziele verfolgt Peking mit diesem Projekt? Welche Folgen hat die Neue Seidenstraße für die weltweiten Handelsströme? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Vortrags des China-Experten Dr. Marcus Hernig. Er war Gastredner der 27. Mönchengladbacher Wirtschaftsgespräche. „Der Wind weht von Osten – der Weg des chinesischen Drachen ins Herz Europas“ lautete der Titel seines Vortrags. Dazu hatten die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, die Wirtschaftsförderung Mönchengladbach GmbH (WFMG), die Rheinische Post und die Stadtsparkasse Mönchengladbach in den Hugo Junkers Hangar eingeladen.

Beim Begrüßungstalk stimmten IHK-Präsident Elmar te Neues und Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners das Publikum auf das Thema ein. „Das Interesse der Chinesen an Mönchengladbach ist groß“, betonte Reiners. „Unsere Lage im Ballungsraum Rhein-Ruhr, die Nähe zum Flughafen und zum Rhein sowie unsere starken Leitbranchen wecken das Interesse chinesischer Unternehmen.“ Der IHK-Präsident verwies darauf, dass bereits 1.400 chinesische Unternehmen im Rheinland ansässig sind. Inzwischen sei auch die Stadt Neuss schon an die Neue Seidenstraße angebunden. „Das ist nicht nur für den Hafen, sondern vor allem für die Unternehmen in unserer Region eine große Chance“, sagte te Neues.

Zu Beginn seines Vortrags erläuterte Hernig das Weltbild der Chinesen. „Für sie liegt China – das Reich der Mitte – zentral“, so der Lehrbeauftragte für China-Kompetenz an der Tongji-Universität Shanghai und der TU Berlin. „Lange Zeit lag der Fokus der Chinesen auf dem pazifischen Raum, auf den Vereinigten Staaten.“ Mit der Neuen Seidenstraße nehme Peking jetzt zunehmend Europa und Afrika in den Blick. „Damit wird die historische Verbindung zwischen China und dem Römischen Reich wiederbelebt“, erläuterte Hernig. „Es handelt sich um ein altes Konzept, das neu belebt wird und vorhandene Infrastruktur und Routen einbezieht.“

 Auf eine Billion US-Dollar bezifferte der Wissenschaftler das Budget der Volksrepublik für die Belt and Road Initiative (BRI). Mit diesem Investitionsbudget werden neue Infrastrukturverbindungen zwischen Europa, Asien und Afrika geschaffen: Zugstrecken, Straßen, Häfen Pipelines und Flughäfen. Die Infrastrukturprojekte werden in der Regel von chinesischen Staatsbanken finanziert und von chinesischen Unternehmen realisiert. „China arbeitet an einem Gegenmodell zur USA-dominierten Welt“, so Hernig. „Peking propagiert eine multipolare Welt.“ Der Wissenschaftler ließ keinen Zweifel daran, dass die Seidenstraßen-Initiative neben einer wirtschaftspolitischen auch eine militärpolitische Stoßrichtung habe: „Es geht auch um die Sicherung von Handelswegen und die Einrichtung von Operationsbasen.“

In Europa und den USA wird das chinesische Engagement mit zunehmender Skepsis beobachtet. Gleichzeitig gibt es auch in China selbst Kritik an der Neuen Seidenstraße. „Angesichts der gewaltigen Summen fragt man sich, ob sich diese Investitionen letztlich auszahlen werden“, berichtet Hernig. „Zum Teil wurden auch Projekte viel zu schnell umgesetzt, sodass am Ende tote Infrastruktur entstanden ist, die letztlich niemand braucht.“

Zum Abschluss plädierte der China-Experte dafür, die Initiative der Chinesen auch als Chance für Deutschland und Europa zu sehen. „Es geht um echte Kooperationen“, so Hernig. „Das Ergebnis könnten deutsch-chinesische Gemeinschaftsprodukte für die Märkte der Welt sein.“ Für diese Zusammenarbeit sei es allerdings notwendig, dass beide Seiten mehr als bisher bereit sind, sich aufeinander einzulassen und voneinander zu lernen.

Bildtext: Der China-Experte Dr. Marcus Hernig sprach bei den 27. Mönchengladbacher Wirtschaftsgesprächen über die Neue Seidenstraße. Foto: IHK