Gute Ansätze, aber viele offene Fragen
Diese Meldung stammt aus dem Archiv und ist möglicherweise nicht mehr aktuell.
Stand: 25.11.2021
Gute Ansätze und sinnvolle Zielsetzungen, aber viele offene Fragen – so lautet das Fazit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein nach einer ersten Analyse des Koalitionsvertrags der künftigen Bundesregierung. IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz begrüßt die Pläne der Ampel-Koalition, viele Bereiche des öffentlichen Lebens und der Verwaltung grundlegend zu modernisieren und zu digitalisieren. „Die Bürokratielasten und die mangelnde Effizienz von Verwaltungsprozessen sind bei unseren Umfragen regelmäßige Kritikpunkte der Unternehmen“, erklärt Steinmetz. „Wirtschaft und Bürger erwarten von allen öffentlichen Stellen, dass die Prozesse digitaler werden.“ Es sei gut, dass die Ampel-Koalition für Fortschritt eintritt und sich Ziele setzt. Daran werde sie sich dann auch messen lassen müssen, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Auch Planungs- und Genehmigungsverfahren gehören zu wesentlichen Kritikpunkten der Unternehmen. „Es ist wichtig, dass diese Verfahren beschleunigt werden“, so Steinmetz. „Sonst sind die ambitionierten Klimaschutzziele kaum zu erreichen.“
Der Klimaschutz ist das dominierende Thema des Koalitionsvertrags. „Die Ziele teilen wir. Der Koalitionsvertrag hinterlässt zur genauen Ausgestaltung aber Interpretationsspielraum“, so Steinmetz. „Viele Fragen bleiben unbeantwortet.“ Nach Auffassung der IHK müsse die Industrie mitgenommen werden. Die Umsetzung des Koalitionsvertrags dürfe nicht dazu führen, dass die heimische Industrie im internationalen Wettbewerb schlechter dastehe. Der Fortzug von Industrieunternehmen in Länder mit geringeren Standards müsse vermieden werden, denn das führe zu höheren Belastungen des Klimas. „Effiziente Klimaschutzpolitik geht nur mit der Industrie“, so Steinmetz. Die neue Bundesregierung bescheinigt der Industrie eine zentrale Rolle bei den Transformationsprozessen der Digitalisierung und des Klimaschutzes. „Insofern ist es wichtig, dass im Koalitionsvertrag geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Leakage benannt werden.“ Zudem begrüßt Steinmetz, dass die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis zum 1. Januar 2023 beendet werden soll und die Koalitionsparteien der Wirtschaft wettbewerbsfähige Strompreise zusagen.
„Den Kohleausstieg unter bestimmten Umständen bis zum Jahr 2030 vorzuziehen, kann ich mir vorstellen – wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind“, räumte Steinmetz ein und betonte: „Dazu gehören wettbewerbsfähige Preise für die Unternehmen und die Sicherherstellung einer verlässlichen Energieversorgung der Betriebe.“ Dazu ist laut Koalitionsvertrag ein massiver Ausbau der Erneuerbaren Energien und Investitionen in moderne Gaskraftwerke notwendig. „Wie diese allerdings finanziert und in so kurzer Zeit geplant und gebaut werden sollen, bleibt weitgehend offen“, kritisiert Steinmetz
Der IHK-Hauptgeschäftsführung resümiert: „Man spürt beim Lesen des Koalitionsvertrages, dass hier Parteien miteinander gerungen haben, die bislang nicht viel gemeinsam hatten.“ Ein Großteil des Vertrages werde bei Anhängern aller drei Parteien auf Zustimmung treffen, weil die Ausführungen sehr allgemein und wenig konkret formuliert sind. „Eine abschließende Bewertung ist erst dann möglich, wenn die tatsächlichen Gesetzesvorhaben bekannt sind.“ Zudem stellt sich Steinmetz die Frage nach der Finanzierbarkeit. „Hohe Investitionen, keine Steuererhöhungen und das Halten der ‚Schwarzen Null‘ begrüßen wir. Der Koalitionsvertrag sieht jedoch gleichzeitig auch konsumtive Ausgaben im großen Stil vor“, so Steinmetz. „Da sehe ich einen Zielkonflikt.“