Note „Zwei minus “ für den Wirtschaftsstandort
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Stand: 26.10.2022
Die Unternehmer aus dem Rhein-Kreis Neuss bewerten den Wirtschaftsstandort mit der Note 2 minus. Die Wertschöpfung hat sich im vergangenen Jahrzehnt etwas stärker als im Land Nordrhein-Westfalen entwickelt, wenngleich der Wachstumsvorsprung in den vergangenen Jahren geschrumpft ist. Auch die Beschäftigung im Rhein-Kreis ist spürbar gewachsen, insgesamt sogar etwas mehr als im Land. Das sind Kernergebnisse der Standortanalyse der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein für den Rhein-Kreis Neuss, die auf Basis einer Auswertung der Hochschule Niederrhein veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse wurden nun bei einer Veranstaltung mit Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, IHK-Vizepräsidentin Susanne Thywissen und Chempark-Leiter Lars Friedrich sowie Unternehmerinnen und Unternehmern aus dem Rhein-Kreis präsentiert und diskutiert.
„Die Unternehmen im Kreis bewerten die meisten Standortfaktoren etwas besser als die Unternehmen der Gesamtregion“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Das ist positiv, dennoch gibt es natürlich auch Verbesserungspotenzial.“ Etwa bei der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur dürfe man nicht aufhören, stetig an weiteren Verbesserungen zu arbeiten.
Zunächst präsentierte Gregor Werkle, Leiter des Bereichs Wirtschaftspolitik der IHK, Daten zum Rhein-Kreis Neuss aus der amtlichen Statistik. Die Bruttowertschöpfung im Rhein-Kreis hat sich in den vergangenen Jahren etwa parallel zum Land entwickelt, nachdem sich zwischen 2000 und 2005 ein leichter Wachstumsvorsprung herausgebildet hatte. „Dieser Vorsprung blieb viele Jahre stabil, seit 2018 ist er jedoch etwas geschmolzen“, so Werkle. Sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungsbereich habe er abgenommen. „Der Anteil der Produzierenden Wirtschaft, insbesondere der Bereiche Bergbau und Energieerzeugung, liegt im Rhein-Kreis deutlich über dem Landesschnitt“, erklärte Werkle.
Gleichzeitig sind seit dem Jahr 2008 mehr als 30.000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im Kreis entstanden, sodass der Standort seit 2008 ein Beschäftigungsplus von 24 Prozent erreicht. Im Land waren es im gleichen Zeitraum 20 Prozent Beschäftigungswachstum. Besonders die Chemische Industrie und der Einzelhandel waren maßgeblich für diesen Vorsprung des Kreises.
Steinmetz präsentierte das Herzstück der Analyse –die Befragung der Unternehmen. Sowohl 2017 als auch dieses Jahr hatte die IHK nach einer Schulnote für den Wirtschaftsstandort gefragt. Mittlerweile liegt die Durchschnittsnote im Rhein-Kreis Neuss bei 2,41. Das ist besser als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt (2,71) und vergleichbar mit der Bewertung von 2017 (2,48). „Dass die Bewertungen trotz der aktuell wirtschaftlichen schwierigen Lage stabil geblieben sind, ist ein gutes Zeichen“, betont Steinmetz. „Der Kreis hat viele Standortstärken, und es ist erfreulich, dass diese im Großen und Ganzen auch genutzt werden.“
Die Unternehmen bewerten vor allem die Standortfaktoren, die sich auf die Lage des Kreises beziehen, sehr gut. Auch das Image des Kreises sowie verschiedene Innenstadtfaktoren werden deutlich besser bewertet als in der Gesamtregion. „Das zeigt: Wir haben einen attraktiven Standort mit guten Innenstädten. Und eine hohe Lebensqualität wird in Zeiten eines zunehmenden Fachkräftemangels immer wichtiger“, erklärt Steinmetz. Denn die Verfügbarkeit von Arbeitskräften ist im Kreis, wie in der gesamten Region und im Land, ein Problem. Das belegen auch die Ergebnisse der Umfrage.
Auch die kommunalen Kosten und Leistungen werden im Rhein-Kreis Neuss besser bewertet als am Mittleren Niederrhein insgesamt. Das Niveau der Gewerbesteuer- und Grundsteuerhebesätze ist etwas niedriger als in der Gesamtregion. Die kommunalen Leistungen werden etwas besser bewertet. Dennoch: „Die Erreichbarkeit, die behördlichen Reaktionszeiten und auch die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren erhalten eine Bewertung zwischen 3,4 und 3,9 und werden somit deutlich schlechter als vor fünf Jahren benotet“, so Steinmetz. „Auch wenn die Werte etwas besser sind als der Schnitt der Region, kann man damit nicht zufrieden sein. In diesem Bereich sollte weiterhin nachgebessert werden.“
Während die Lagefaktoren sehr positiv bewertet werden, gibt es bei den harten Standortfaktoren durchaus auch Kritik der Unternehmen. Die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur wird von den Betrieben als einer der wichtigsten Standortfaktoren insgesamt eingeschätzt und gleichzeitig mit der Durchschnittsnote 3,21 bewertet. „Gemessen an der Relevanz dieses Faktors ist der Kreis auch in diesem Punkt gefordert, die Lage für die Betriebe zu verbessern“, erklärt Steinmetz.
Ein weiterer Faktor bereitet der IHK derzeit besonders große Sorgen. „Die Energiekosten sind ein wichtiger Faktor, sie werden jedoch mit 3,81 sehr kritisch bewertet“, so Steinmetz. „Angesichts der aktuellen Lage ist dies wenig überraschend, aber da wir wissen, wie wichtig die Industrie für die Wertschöpfung und Wirtschaftskraft im Rhein-Kreis ist, müssen die Risiken, die mit dieser Lage besonders für den Kreis einhergehen, immer wieder betont werden. Unsere Umfrageergebnisse unterstreichen dies.
Chempark-Leiter Lars Friedrich bestätigte diese Aussage in der anschließenden Diskussion: „Die steigenden Energiekosten gefährden die Chemie-Produktion hierzulande. Produktion im Ausland inklusive Transport ist zum Teil günstiger als die eigene Herstellung hier vor Ort.“ Mit Blick auf den Strukturwandel im Rheinischen Revier appellierte Friedrich an die Akteure in Politik und Verwaltung, „Mut zu Entscheidungen zu haben“. Man könne nicht jede Entscheidung „zu hundert Prozent vorab endlos prüfen“. Landrat Hans-Jürgen Petrauschke wies darauf hin, dass der nun auf 2030 vorgezogene Ausstieg aus der Braunkohle die Situation enorm verschärfe: „Wir hatten uns vorgenommen, 3000 neue Arbeitsplätze bis 2030 zu schaffen. Das Kraftwerk Frimmersdorf soll zu einem Nukleus für neue Technologien entwickelt werden. Ob wir das in dieser kurzen Zeit schaffen, wird sich zeigen.“ Steinmetz zeigte sich skeptisch: „Wir müssen viel schneller werden, und wir müssen mehr Strukturwandelprojekte für den Rhein-Kreis Neuss an den Start bringen, andere Regionen sind wesentlich aktiver – da sind wir alle gefordert.“
Neben der Energiekrise und dem Strukturwandel treibt vor allem der Fachkräftemangel die Unternehmen um. Friedrich berichtete, dass es zunehmend schwieriger werde, alle Ausbildungsstellen im Chempark zu besetzen. IHK-Vizepräsidentin und Unternehmerin Susanne Thywissen verwies auf das Engagement der IHK und warb dafür, sich für die (duale) Ausbildung und Bindung von (ausländischen) Fachkräften zu engagieren: „Suchen Sie sich Partner, schließen Sie sich zusammen, binden Sie andere Akteure mit ein und zeigen Sie, wie spannend Ihre Unternehmen sind und welche Chancen unsere Region bietet. Wir sind die Veränderung, die wir sein möchten.“
Bildtext 1: Vor der Präsentation der Standortanalyse Rhein-Kreis Neuss (v.l.): IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, IHK-Vizepräsidentin Susanne Thywissen, Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, Moderatorin Beate Kowollik und Chempark-Leiter Lars Friedrich. Foto: IHK
Bildtext 2: Diskussion über die Standortanalyse Neuss (v.l.): Chempark-Leiter Lars Friedrich, Moderatorin Beate Kowollik, Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, IHK-Vizepräsidentin Susanne Thywissen und IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Foto: IHK