Erhebliche bürokratische Belastung
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Stand: 01.08.2022
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein kritisiert den Vorschlag für eine Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten (RL-E) von Unternehmen, den die Europäische Kommission veröffentlicht hat. Die IHK befürchtet, dass diese Richtlinie dazu führen wird, dass sich international engagierte Unternehmen aus bestimmten Regionen komplett zurückziehen – zum Nachteil der dort lebenden Menschen. IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz hat dem Europaabgeordneten Dr. Stefan Berger eine entsprechende Stellungnahme zum ersten Entwurf der Richtlinie zukommen lassen.
„Die IHK teilt das Ziel des sogenannten EU-Lieferkettengesetzes, den Menschenrechten weltweit Geltung zu verschaffen“, so Steinmetz. „Dies hat sie bereits im Vorfeld des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes – kurz LkSG – unterstrichen.“ Ebenso begrüßt die IHK das Vorhaben einer europäischen Lösung insoweit, als dass nationale Gesetze zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern führen. Aus diesem Grund befürwortet die IHK eine Regelung, die – wie im Richtlinienvorschlag zum EU-Lieferkettengesetz (RL-E) vorgesehen – auch Unternehmen aus Drittländern mit Geschäften im EU-Binnenmarkt einbezieht.
„Allerdings muss eine wirksame Regulierung von Lieferketten praxistauglich, verhältnismäßig und rechtssicher sein“, betont Steinmetz. Schon beim ambitionierten nationalen LkSG hatte die IHK die Verpflichtungen der Unternehmen angesichts ihrer beschränkten Kontroll- und Einflussmöglichkeiten in einer komplexen internationalen Lieferkette als unverhältnismäßig kritisiert. Dies gilt laut IHK umso mehr für die geplante EU-Richtlinie, die in puncto Sorgfaltspflichten noch über das LkSG hinausgeht. „Durch die Einbeziehung von Unternehmen ab 500 Beschäftigte und 150 Millionen Euro Jahresumsatz, in einer ganzen Reihe von Branchen auch noch kleinere Unternehmen, ist dieses Gesetz eine erhebliche bürokratische Belastung für viele mittelständische Unternehmen“, kritisiert der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Viele Betriebe können diese zusätzlichen bürokratischen Lasten nicht schultern.“ Letztlich seien auch Arbeitsplätze gefährdet.
„Die Unternehmen kämpfen mit den Folgen der Pandemie, gestörten Lieferketten und den Folgen des Ukraine-Krieges. Dass man sie in diesen Zeiten historischer Herausforderungen mit zusätzlicher Bürokratie belastet, kann ich nicht nachvollziehen“, so Steinmetz. Die Wirtschaft am Niederrhein werde besonders hart von zusätzlichen gesetzlichen Verpflichtungen getroffen. Denn laut einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) ist sie überdurchschnittlich stark in die internationalen Wertschöpfungsketten eingebunden. „Jeder dritte Job in der Region hängt vom Außenhandel ab. Unsere Betriebe stehen damit auch im Wettbewerb zu außereuropäischen Nachbarn, die, sofern ihr Handel nicht die EU betrifft, diese Belastungen häufig nicht tragen müssen“, so Steinmetz.
Zudem steht aus Sicht der IHK zu befürchten, dass Unternehmen sich vor allem aus Ländern mit zweifelhafter Menschenrechtslage und unsicheren Umweltstandards zurückziehen würden. „Mitunter verlieren die Menschen, die wir schützen möchten, ihre Jobs. Dadurch werden die Menschenrechte nicht verbessert und die wirtschaftliche Lage der Betroffenen unter Umständen sogar verschlechtert“, so Steinmetz. Damit würde das Gegenteil von dem erreicht, was ein Lieferkettengesetz bewirken soll. Die Konzentration auf wenige Zulieferer bedeutet nach Auffassung der IHK auch, die angestrebte Diversifizierung von Lieferketten zur Vermeidung von Störungen und Engpässen nicht umsetzen zu können. Mit der spürbaren Verteuerung der Produkte auch in Normalzeiten wäre zu rechnen.
Vor diesem Hintergrund appelliert Steinmetz an Berger, sich im weiteren Verfahren für eine Überprüfung und Nachbesserung des RL-E einzusetzen: „Der Mittelstand muss stärker in den Fokus rücken. Ein Anwendungsbereich, der über das nationale LkSG hinausgeht, ist abzulehnen.“ Zudem sollten nach Auffassung der IHK Unternehmen grundsätzlich nur für ihre eigenen Aktivitäten in der Lieferkette haften, nicht aber, wie im RL-E. geplant, für die ihrer Geschäftspartner oder ihrer Lieferanten.