Eine 3+ für Nettetal
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Stand: 23.05.2023
Die Unternehmen sind mit dem Wirtschaftsstandort Nettetal insgesamt zufrieden, im Vergleich zum Mittleren Niederrhein im Durchschnitt fällt die Bewertung allerdings schlechter aus. Insbesondere die innerstädtischen Faktoren werden positiv bewertet. Kritischer schneiden dagegen die kommunalen Kosten und Leistungen ab. Das ist das Kernergebnis der Standortanalyse Nettetal der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein. Rund 200 IHK-Mitgliedsunternehmen aus Nettetal haben sich daran beteiligt. „Nettetal hat mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, die für die Wirtschaftsstandorte fernab der Oberzentren typisch sind: Die ÖPNV-Infrastruktur wird als nicht zufriedenstellend bewertet und der Fachkräftemangel noch kritischer eingeschätzt als in der Gesamtregion“, resümiert IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz.
Die Beschäftigungsentwicklung in Nettetal war in den vergangenen 25 Jahren im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen und dem Kreis Viersen unterdurchschnittlich. 2022 arbeiteten nur 3,5 Prozent Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr in Nettetal als 1999. In NRW und im Kreis Viersen lag das Wachstum mit 24,9 beziehungsweise 17,7 Prozent deutlich darüber. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich insbesondere die Industrie in Nettetal schlechter entwickelt als im Kreis und im Land“, erklärt Gregor Werkle, Leiter Wirtschaftspolitik der IHK Mittlerer Niederrhein. „Dagegen sind die Branchen aus dem Handels- und Dienstleistungssektor genauso gewachsen wie in NRW und im Kreis Viersen.“
Die Folge: Nettetal – früher ein bedeutender Industriestandort – hat im NRW-Vergleich heute nur noch leicht überdurchschnittliche Beschäftigungsanteile im produzierenden Bereich. „Überdurchschnittlich vertreten sind in Nettetal heute insbesondere die distributiven Dienste, also Handel, Logistik, Gastgewerbe“, erklärt Werkle. Diese Branchen haben in Nettetal einen Beschäftigungsanteil von 32 Prozent, im Land liegt der entsprechende Wert bei 22 Prozent.
Beim Vergleich mit Kommunen ähnlicher Größe fällt auf: Die Arbeitslosigkeit ist in Nettetal überdurchschnittlich hoch, die Verschuldung liegt ebenfalls über dem Durchschnitt, die Kaufkraft ist geringer. „Positiv hat sich die Realsteueraufbringungskraft in den vergangenen Jahren entwickelt. Nettetal hat zudem einen günstigen Gewerbesteuerhebesatz. Das ist ein Vorteil im Standortwettbewerb“, so Werkle. Darüber hinaus ist auch die Zentralitätskennziffer überdurchschnittlich hoch – ein Zeichen dafür, dass Nettetal stärker als vergleichbare Kommunen einen Kaufkraftzufluss generieren kann.
Die insgesamt ambivalenten Ergebnisse werden auch durch die Resultate einer Unternehmensbefragung, an der mehr als 200 Nettetaler Betriebe teilgenommen haben, bestätigt. Sie bewerteten den Standort insgesamt sowie mehr als 40 Standortfaktoren mit einer Schulnote zwischen 1 und 6. „Das Urteil für den Standort insgesamt fällt mit einer 3+ zufriedenstellend aus“, erläutert Steinmetz. „Die Note von 2,74 ist aber etwas schwächer als der Durchschnitt der Städte, die wir in den vergangenen vier Jahren untersucht haben.“
Positiv werden die Lage und die Infrastruktur in Nettetal bewertet. Steinmetz: „Die Verkehrsanbindung an das Straßen- und Autobahnnetz wird als gut beurteilt. Sie ist den Betrieben auch besonders wichtig.“ Einer der wichtigsten Standortfaktoren ist für die Unternehmen die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. „Die Note 3,31 ist etwas schlechter als am Mittleren Niederrhein. Im Zeitvergleich ist die Bewertung trotz gestiegener Anforderungen immerhin gleichgeblieben“, erklärt Steinmetz und sieht hier weiterhin Handlungsbedarf bei der Verwaltung. Deutlich schlechter als in der Region wird dagegen das ÖPNV-Angebot mit einer Note von 3,91 bewertet.
Die Umfrage zeigt auch, dass die Unternehmen Defizite in der Nettetaler Verwaltung sehen. Die behördliche Reaktionszeit wird mit 3,61 nur unterdurchschnittlich bewertet. Der Faktor wird kritischer gesehen als im Schnitt am Mittleren Niederrhein und auch deutlich schlechter als noch vor fünf Jahren. Auch die Erreichbarkeit und Öffnungszeiten der Behörden sowie die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren werden schlechter beurteilt als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. Immerhin wird die allgemeine Kommunikation mit der Kommunalverwaltung besser bewertet als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. „Die Betriebe zeigen da dennoch klaren Handlungsbedarf auf. Das ist im Jahr 2023 auch nicht mehr vornehmlich mit coronabedingten Restriktionen zu erklären“, sagt Steinmetz.
Vergleichsweise zufriedener sind die Unternehmen dagegen mit den kommunalen Kosten. „Der Gewerbesteuerhebesatz wird in Nettetal besser bewertet als in der Region im Schnitt. Die Stadt sollte ihre Strategie fortsetzen und den Satz auf niedrigem Niveau belassen“, so Steinmetz.
Positiv bewerten die Betriebe die weichen Standortfaktoren. Das Themenfeld ‚Innerstädtische Faktoren‘ erhält eine bessere Bewertung als die Region im Durchschnitt. Viele Standortfaktoren werden wesentlich besser bewertet als in der Region im Schnitt – dazu gehört das Parkplatzangebot, die Höhe der Parkgebühren (es werden keine erhoben) und das Naherholungs- und Freizeitangebot. Steinmetz fordert, dass diese Standortfaktoren auch mit Blick auf eine weitere Herausforderung der Nettetaler Wirtschaft weiter gepflegt werden: „Die Arbeitsmarktfaktoren verdeutlichen, dass die Nettetaler Betriebe stärker vom Fachkräftemangel betroffen sind als die Betriebe in der Gesamtregion. Die weichen Standortfaktoren hier in Nettetal sind ein Faktor, mit dem man um qualifizierte Mitarbeiter werben kann.“
Bürgermeister Christian Küsters bedankte sich für die Hinweise der Unternehmensbefragung. „Wir sind gut durch die Corona-Krise gekommen, trotz Einschränkungen und Homeoffice standen wir den Unternehmen jederzeit zur Seite“, sagte Küsters und verwies auf zahlreiche Angebote der Wirtschaftsförderung zum Austausch der Unternehmen untereinander oder zur Gewinnung von Auszubildenden. „Natürlich gibt es auch Handlungsbedarf: So müssen wir uns bei der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen kontinuierlich weiterentwickeln.“
Von Unternehmerinnen und Unternehmern im Publikum auf die Bedeutung der Breitbandversorgung für die künftige Entwicklung des Standorts angesprochen, verwies Wirtschaftsförderer Hans-Willi Pergens auf umfangreiche vergangene und noch geplante Investitionen der Stadt. Entscheidend für einen erfolgreichen Breitbandausbau sei vor allem auch die Nachfrage der Anlieger und der Zuschnitt der Förderprogramme.
Die Entwicklung des Gewerbegebiets Nettetal-West in Kaldenkirchen wurde von Seiten der Unternehmen gelobt, ebenso das Engagement der Wirtschaftsförderung. Kritischer wurde der Zustand der ÖPNV-Versorgung in Nettetal gesehen. Die Zahl der Pendler sei hoch, aber das ÖPNV-Netz nicht ausreichend ausgebaut. Die Gewerbegebiete seien mit Bus und Bahn nur schwer erreichbar. Auch mit Blick auf den Bereich Tourismus wünschten sich die Unternehmen eine bessere Verkehrsanbindung. „Wir arbeiten kontinuierlich daran und sind in Gesprächen mit den Verkehrsbetrieben“, so Küsters. „Immerhin wird es künftig eine Anbindung der Krickenbecker Seen per Express-Bus geben.“
Bildtext 1: Bei der Vorstellung der Standortanalyse Nettetal (v.l.): IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz und Bürgermeister Christian Küsters.
Foto: IHK