IHK-Appell: Steuer darf auch 2024 nicht erhöht werden
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Stand: 27.04.2023
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein appelliert in einem Brief an Bürgermeister Uwe Leuchtenberg, den Gewerbesteuerhebesatz auch im kommenden Jahr nicht zu erhöhen. Die Stadtverwaltung plant, 2024 den Hebesatz um 10 auf 475 Punkte anzuheben. „Der Gewerbesteuerhebesatz ist für unsere Mitgliedsunternehmen in Tönisvorst ein wichtiger Standortfaktor“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Der Schlüssel für eine Verbesserung der Finanzlage liegt nicht in einer Steuererhöhung, sondern in der Ansiedlung steuerstarker Betriebe.“ Derzeit berät die Politik den Haushaltsplanentwurf für das laufende Jahr, der schon jetzt die finanziell kritische Lage verdeutlicht.
Die IHK verweist in ihrer Stellungnahme auf ihre Standortanalyse für Tönisvorst, die Steinmetz und Leuchtenberg im vergangenen Jahr gemeinsam vorgestellt haben. Sie hatte gezeigt, dass die Tönisvorster Unternehmen insbesondere bei den kommunalen Kosten und Leistungen Verbesserungspotenziale sehen. „Das Themenfeld wird viel kritischer bewertet als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. Insbesondere der Gewerbesteuerhebesatz ist aus Sicht unserer Mitgliedsbetriebe deutlich zu hoch“, so Steinmetz. Von den kreisangehörigen Kommunen am Mittleren Niederrhein hat nur die Stadt Dormagen einen höheren Gewerbesteuerhebesatz. Für die Tönisvorster Betriebe gehört die Gewerbesteuer laut der Standortanalyse zu den drei bedeutendsten Standortfaktoren.
Steinmetz verweist außerdem auf die aktuelle Lage der Unternehmen, die zurzeit eine Vielzahl von Herausforderungen stemmen müssen – zum Beispiel die hohen Energiekosten und den Fachkräftemangel. „Dass die Unternehmen dann ab 2024 in Tönisvorst durch eine Erhöhung der Steuer stärker zur Kasse gebeten werden, ist kein gutes Signal an die heimische Wirtschaft“, sagt der Hauptgeschäftsführer. Insbesondere die aktuelle energiepolitische Lage erfordere Investitionen in neue Technologien. „Mit jeder Steuererhöhung wird das Potenzial der Betriebe für derartige Investitionen verringert. Das schwächt die Tönisvorster Betriebe im Vergleich zu ihren Wettbewerbern in anderen Kommunen und Ländern“, so Steinmetz.
Der Beweggrund für die Steuererhöhung ist die finanziell kritische Lage der Kommune. Der Haushaltplanentwurf für das Jahr 2023 weist ein Defizit von etwa 4,5 Millionen Euro auf. Nach den derzeitigen Planwerten wird im Zeitraum der mittelfristigen Planung bis zum Jahr 2026 der Haushaltsausgleich nicht erreicht. Im Haushaltsjahr 2024 wird sich zum Ausgleich des Defizits in Höhe von 5,6 Millionen Euro die Allgemeine Rücklage um 6,4 Prozent reduzieren. In den anderen Jahren wird die Rücklage um etwas weniger als 5 Prozent reduziert, sodass die Stadt nur ganz knapp an der Pflicht, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen, vorbeikommt. „Angesichts der Risiken, die der Haushaltsplanentwurf kaum abbildet, wie zum Beispiel die Tariferhöhungen oder die angesichts der weiterhin hohen Inflation zu erwartenden Mehrkosten bei den Sach- und Dienstleistungsaufwendungen, sollte die Zeit bis zur Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs 2024 genutzt werden, um weitere Konsolidierungspotenziale zu heben“, rät Steinmetz. „Insbesondere Aufgabenkritik ist und bleibt notwendig, um die finanzielle Lage der Kommune zu verbessern. Dazu gehört auch eine Reduzierung von Standards bei Pflichtausgaben.“
Darüber hinaus sollten nach Meinung der IHK mittelfristig auch die Einnahmen der Kommune erhöht werden. Zur kritischen Finanzlage hat nach Berechnungen der IHK auch die geringe Gewerbesteueraufbringungskraft beigetragen. Sie lag im Jahr 2021in allen Kreisen im Regierungsbezirk Düsseldorf im Durchschnitt deutlich über dem Tönisvorster Wert von 403 Euro je Einwohner. Im Kreis Viersen zum Beispiel wurde ein Wert von 603 Euro je Einwohner erreicht. Seit 2016 war die Gewerbesteueraufbringungskraft in den NRW-Kommunen mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern mindestens um das 1,8-fache höher als in Tönisvorst. Das liegt nach Analyse der IHK daran, dass in Tönisvorst im Vergleich zu anderen kreisangehörigen Kommunen wenig steuerstarke Unternehmen angesiedelt sind. „Deswegen liegt der Schlüssel auch nicht in einer Steuererhöhung, sondern in der Ansiedlung von steuerstarken Betrieben“, so Steinmetz. „Dies gelingt aber nicht mit einem hohen Gewerbesteuerhebesatz, sondern wird mit einem wettbewerbsfähigen Hebesatz erleichtert.“
Der IHK-Hauptgeschäftsführer sieht insbesondere in der Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung eine Möglichkeit, die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts weiter zu steigern und dafür zu sorgen, dass sich neue Unternehmen in Tönisvorst ansiedeln. „Zielführend wird dies vor allem dann, wenn eine solche Initiative aus der Verwaltung kommt“, so Steinmetz. Zudem sieht er insbesondere in der Ausweisung weiterer Gewerbeflächen einen Schlüssel für die Steigerung der Steuerkraft in Tönisvorst. „Um die Flächennachfrage der Wirtschaft bedienen zu können, sollten die Reserveflächen aus dem Flächennutzungsplan sowie die Potenzialflächen aus dem Regionalplan Düsseldorf zeitnah in verbindliches Baurecht umgesetzt und Flächen perspektivisch gekauft werden“, fordert Steinmetz.