IHK stellt Standortanalyse Viersen vor

IHK stellt Standortanalyse Viersen vor
© IHK Mittlerer Niederrhein

Diese Meldung stammt aus dem Archiv und ist möglicherweise nicht mehr aktuell.

Stand: 28.04.2023

Die Unternehmerinnen und Unternehmer in Viersen geben ihrem Standort die Note 3. Sie sind vor allem mit vielen harten Standortfaktoren, wie der überörtlichen Verkehrsanbindung, zufrieden. Und: Nachdem sich der Standort von 2000 bis 2015 im Durchschnitt schlechter entwickelt hat als das Land und der Kreis, wächst seit 2016 die Beschäftigung in Viersen wieder überdurchschnittlich. Das sind wesentliche Ergebnisse der Standortanalyse Viersen, die von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein den Unternehmerinnen und Unternehmern in Viersen vorgestellt wurde. Kritisch merkte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz an: „Die kommunalen Leistungen werden deutlich schwächer eingestuft als noch vor fünf Jahren.“ Die Stadtverwaltung dürfe sich auf der erfreulichen Beschäftigungsentwicklung nicht ausruhen. Steinmetz: „Die Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung ist ein bedeutender Standortfaktor.“

Mit Blick auf die Daten aus der amtlichen Statistik, die für die Standortanalyse ausgewertet wurden, erklärte Dr. Anna Kindsmüller, Referentin für Wirtschaftspolitik bei der IHK: „Die Beschäftigung ist seit 1999 um 9 Prozent und damit deutlich schwächer gewachsen als im Kreis und im Land.“ Allerdings liegen die Wachstumsraten seit 2016 über dem Durchschnitt. Dies lag vor allem am Dienstleistungssektor. „Aber auch in der Industrie gibt es wieder einen leichten Aufwärtstrend, auch wenn die Beschäftigtenzahl der Industrie in Viersen heute noch immer unter den Zahlen von 1999 liegt“, so Kindsmüller.

Beim Vergleich mit Kommunen ähnlicher Größe fällt auf: Viersen hat eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit und eine geringere Kaufkraft. Die Zentralität von über 101,1 weist auf einen Kaufkraftzufluss hin, der für eine Kreisstadt jedoch nicht besonders groß ist. Die Steuerkraft war im Jahr 2021 überdurchschnittlich hoch, was allerdings auch auf eine einmalige Gewerbesteuernachzahlung zurückzuführen ist. Die Verschuldung der Stadt ist gering.

Die insgesamt ambivalenten Ergebnisse werden auch durch die Resultate einer Unternehmensbefragung, an der mehr als 100 Viersener Betriebe teilgenommen haben, bestätigt. Sie bewerteten den Standort insgesamt sowie mehr als 40 Standortfaktoren mit einer Schulnote zwischen 1 und 6. „Das Urteil für den Standort insgesamt fällt nur durchschnittlich aus“, erläuterte Steinmetz. „Die Note von 2,92 ist schwächer als der Durchschnitt der Städte, die wir in den vergangenen vier Jahren untersucht haben.“

Positiv werden die Lage und die Infrastruktur Viersens beurteilt. Steinmetz: „Die Verkehrsanbindung an das Straßen- und Autobahnnetz wird mit 1,92 sehr gut bewertet. Sie ist den Betrieben auch besonders wichtig.“ Auch der ÖPNV wird mit einer Note von 3,18 besser beurteilt als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. Einer der wichtigsten Standortfaktoren ist für die Unternehmen die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. „Die Bewertung von 3,34 ist etwas schlechter als am Mittleren Niederrhein im Schnitt und auch etwas schlechter als vor fünf Jahren“, erklärt Steinmetz und sieht hier Handlungsbedarf bei der Verwaltung.

Die Umfrage zeigt auch, dass die Unternehmen Defizite in der Viersener Verwaltung sehen. Die behördliche Reaktionszeit wird mit 3,98 nur unterdurchschnittlich bewertet. Der Faktor wird kritischer gesehen als im Schnitt am Mittleren Niederrhein und auch deutlich schlechter als noch vor fünf Jahren. Ähnliches zeigt sich bei der Bewertung der Erreichbarkeit und der Öffnungszeiten der Behörden, und auch Faktoren wie der Service der Wirtschaftsförderung werden schlechter beurteilt als noch vor fünf Jahren oder am Mittleren Niederrhein allgemein. Zudem wird die allgemeine Kommunikation mit der Kommunalverwaltung unterdurchschnittlich bewertet. „Die Betriebe zeigen da klaren Handlungsbedarf auf. Das ist im Jahr 2023 auch nicht mehr vornehmlich mit coronabedingten Restriktionen zu erklären. Sicherlich haben auch die Vakanzen in der Leitung der Wirtschaftsförderung zu diesem Ergebnis beigetragen“, sagte Steinmetz. „Sobald die Neuaufstellung der Wirtschaftsförderung abgeschlossen ist, empfehlen wir ein Zertifizierungsverfahren zur Mittelstandsorientierten Kommunalverwaltung.“ Im Rahmen dieses Verfahrens würden Probleme offengelegt.

Das Verhältnis zwischen Verwaltung und Unternehmen beherrschte auch die anschließende Diskussion zwischen Steinmetz, Ansgar Hoffmann (HOFFMANN + VOSS GmbH), Ralf Lettermann (Sanitätshaus Lettermann GmbH) und Bürgermeisterin Sabine Anemüller. „Ich wünsche mir eine bessere Kommunikation mit der Verwaltung“, sagte Hoffmann. „Mitarbeiter der Bauverwaltung zum Beispiel sollten die Unternehmen, deren Anträge sie bearbeiten, kennen und vor allem wissen, was die Betriebe genau machen. Das wäre für eine gute Zusammenarbeit sehr wichtig.“ Ralf Lettermann kritisiert vor allem die Einstellung der Stadtverwaltung. „Grundsätzlich hört man als erstes ‚das geht nicht‘. Aber als Unternehmer will man es etwas bewegen und das muss eine Stadt Betrieben zubilligen.“ Er wünsche sich eine gemeinsame Lösungsfindung statt pauschaler Absagen. „Die Verwaltung sollte uns Unternehmen als Kunden sehen“, unterstrich Hoffmann. Abschließend appellierte Steinmetz an die Bürgermeisterin: „Ich wünsche mir, dass Sie diese Ergebnisse im Verwaltungsvorstand und in einer Personalversammlung thematisieren.“ Bürgermeisterin Anemüller sagte: „Ich nehme ernst, was Sie sagen. Wir werden die angeführten Kritikpunkte in der Viersener Verwaltung gewissenhaft bearbeiten. Ich betone aber auch ausdrücklich: Es ist nicht immer alles machbar, was gewünscht oder verlangt wird.“

Ein anderes Thema beschäftigte eine Unternehmerin im Publikum. „Die Innenstadt wird unattraktiver und unsauberer“, sagte sie. Viersen befinde sich in einer Art Dornröschenschlaf. „Hier passiert mal was, da mal was – aber nichts wirklich richtig.“ Anemüller betonte: „Das Thema Innenstadt ist für uns längst gesetzt. Wir führen in Folge des Projektes ‚Einkaufsstadt 2030‘ im Mai ein Gespräch, bei dem gemeinsam mit Händlerinnen und Händlern eine Strategie erarbeitet wird.“

 Bildunterschriften:

 Foto 1:

Sie tauschten sich über den Wirtschaftsstandort Viersen aus (v.l.n.r.): Ansgar Hoffmann (HOFFMANN + VOSS GmbH), Bürgermeisterin Sabine Anemüller, Jürgen Steinmetz (IHK-Hauptgeschäftsführer), Moderatorin Beate Kowollik und Ralf Lettermann (Sanitätshaus Lettermann GmbH).

Foto: IHK

 Foto 2:

Engagierte Debatte über den Wirtschaftsstandort Viersen (v.l.n.r.): Jürgen Steinmetz (IHK-Hauptgeschäftsführer), Ansgar Hoffmann (HOFFMANN + VOSS GmbH), Moderatorin Beate Kowollik, Bürgermeisterin Sabine Anemüller und Ralf Lettermann (Sanitätshaus Lettermann GmbH).

Foto: IHK