Seriöse Planung, aber große Herausforderungen
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Stand: 24.02.2023
Die Kämmerei der Stadt Viersen hat einen seriösen Haushaltsplanentwurf vorgelegt. Trotz immenser Herausforderungen droht zurzeit kein Abrutschen in die Haushaltssicherung. Das zeigt eine Analyse der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein. „Die Gewerbesteuereinnahmen bleiben weiterhin ein Stützpfeiler des Haushalts“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Die Untersuchung der IHK basiert auf einem Gutachten des Finanzwissenschaftlers Prof. Dr. Harald Schoelen von der Hochschule Niederrhein. Die IHK erarbeitet Stellungnahmen zu kommunalen Haushaltsplänen, weil stabile Kommunalfinanzen einen bedeutenden Einfluss auf die Qualität eines Wirtschaftsstandorts haben.
Obwohl Stabilität den Haushaltsplanentwurf der Stadt Viersen für das Jahr 2023 prägt, zeigen sich große Herausforderungen für die Stadt Viersen. Würden die kriegs- oder pandemiebedingten Mehraufwendungen und Mindereinnahmen, die bilanziell isoliert werden können, berücksichtigt, läge das Minus im gesamten mittelfristigen Finanzplanungszeitraum jährlich zwischen 8,5 und 12 Millionen Euro. „Insbesondere bei den Aufwendungen hat die Stadt für Personal-, Transfer sowie Sach- und Dienstleistungen jedoch plausibel höhere Beträge angesetzt. Die gegenwärtigen Haushaltsrisiken werden somit zumindest zu einem nennenswerten Teil abgebildet. Das ist nicht in jeder Kommune so“, sagt der Finanzwissenschaftler Prof. Schoelen.
Ob die ebenfalls prognostizierte Dynamisierung der Erträge in dieser Form eintritt, ist noch nicht abzuschätzen. Das betrifft insbesondere die Gewerbesteuereinnahmen. Der IHK-Konjunkturbericht zeigt, dass sich die Wirtschaft zurzeit zwar gegen die Krise stemmt, jedoch in diesem Jahr trotzdem mit einer Rezession zu rechnen ist. „In der Vergangenheit waren die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Viersen sehr krisenresistent. Sollte dies jedoch nicht für die Gesamtwirtschaft in Nordrhein-Westfalen gelten, hätte das geringere Schlüsselzuweisungen zur Folge“, erklärt Steinmetz.
Zudem führt die IHK in der Stellungnahme aus, dass es aus Gründen der Generationengerechtigkeit wichtig wäre, wenn die Isolierungsbeiträge komplett oder zum Großteil im Jahr 2026 gegen das Eigenkapital gebucht werden können. Gleichzeitig drohen weitere Haushaltsbelastungen. Damit im Jahr 2026 kein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden muss, sollten nach Ansicht der IHK bereits jetzt entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. „Die Stadt hat erst 2019 erfolgreich die volle Hoheit über den eigenen Haushalt wiedererhalten. In unsteter Zeit und unter dem Druck schwindenden Eigenkapitals muss Viersen nun seine Resilienz stärken“, so Schoelen.
Ein Schwerpunkt der Arbeit bei der Haushaltskonsolidierung müsse in der Aufgabenkritik liegen. „Steuererhöhungen – über die fiktiven Hebesätze hinaus – wären aus unserer Sicht der falsche Weg für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Stadtverwaltung zurzeit für das Jahr 2023 plant, den Hebesatz der Grundsteuer B sogar unter dem fiktiven Hebesatz zu belassen“, sagt Steinmetz. „Die Unternehmen sind durch die aktuellen Kostensteigerungen ohnehin bereits stark belastet “.
Im Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung sollte nach Ansicht der IHK auch noch einmal verstärkt über das Thema „Verbreiterung der Ertragsbasis“ diskutiert werden. Nach Berechnungen der IHK war in den Jahren 2020 und 2021 die Gewerbesteueraufbringungskraft je Einwohner in Viersen höher als in Nordrhein-Westfalen. Seit der Jahrtausendwende war dies nur in fünf Jahren der Fall. „Das zeigt: Insbesondere in den vergangenen Jahren war auch die Gewerbesteuer ein Stabilisierungsfaktor für die Viersener Kommunalfinanzen – allerdings auch aufgrund von Einmaleffekten, die in dieser Form nicht wieder zu erwarten sind. Um nachhaltig die Ertragsbasis zu stärken, müssen neue Gewerbeflächen in Viersen ausgewiesen werden“, so Steinmetz.
Deswegen arbeiten Stadt und IHK zurzeit gemeinsam an einem Gewerbeflächenkonzept für die Stadt Viersen. Relevant sind sowohl Bestands- als auch neue Flächen. Um ansiedlungswillige Betriebe für ehemalige Gewerbeflächen begeistern zu können, müssen die Gewerbegebiete zukunftsfähig aufgestellt werden. „Dies ist eine Aufgabe für Stadt und Wirtschaft gleichermaßen. Viersen braucht perspektivisch aber auch neue Flächen, um die Bedarfe der Wirtschaft zu decken“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. Für flächenintensive und emittierende Unternehmen sieht der Regionalplan Düsseldorf das interkommunale Gewerbegebiet Viersen-Mackenstein/Mönchengladbach-Hardt vor. „Die regionale Wirtschaft benötigt eine entsprechende Entwicklung und Realisierung. Gleichzeitig könnte die Stadt Viersen durch die Ansiedlung neuer Unternehmen weitere Gewerbesteuereinnahmen generieren“, so Steinmetz.