"Weitere Anstrengungen sind erforderlich"
Stand: 23.02.2024
Der Haushaltsplanentwurf der Stadt Viersen wird von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein als solide bewertet. Doch trotz aller Anstrengungen der vergangenen Jahre könnte im Jahr 2026 ein Abrutschen der Kommune in die Haushaltssicherung drohen. Als Ultima Ratio sieht die Planung der Stadtverwaltung eine Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B im Jahr 2026 vor. „Es ist jetzt an Politik und Verwaltung dafür zu sorgen, dass durch die Ermittlung weiterer Konsolidierungspotenziale auf der Aufwandsseite sowie Aufgabenkritik diese Steuererhöhung nicht notwendig wird“, schreibt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz in einer Stellungnahme an Bürgermeisterin Sabine Anemüller. Die Stellungnahme basiert auf einem Gutachten des Finanzwissenschaftlers Prof. Dr. Harald Schoelen von der Hochschule Niederrhein. Die IHK erarbeitet regelmäßig Stellungnahmen zu kommunalen Haushaltsplänen, weil stabile Kommunalfinanzen einen bedeutenden Einfluss auf die Qualität eines Wirtschaftsstandorts haben.
Der Stadt Viersen gelingt im Jahr 2024 nur ein fiktiver Haushaltsausgleich. Unter Einbeziehung des globalen Minderaufwands liegt das prognostizierte Minus bei 9,2 Millionen Euro. Der Haushaltsausgleich gelingt dennoch, da die Ausgleichsrücklage noch aufgefüllt ist. Dies ist insbesondere auf Einmaleffekte bei den Gewerbesteuerzahlungen von Unternehmen zurückzuführen sowie darauf, dass die Ergebnisse der vergangenen Jahre besser ausgefallen sind, als in der Prognose erwartet. „Der Stadt Viersen kommt nun zugute, dass sie in der Vergangenheit auf der Aufwandsseite konsolidiert hat“, resümiert Steinmetz.
Nicht nur die Kommunen, auch die Unternehmen sind zurzeit stark belastet. Laut IHK-Konjunkturbericht rechnen die Betriebe mit einem weiteren Krisenjahr und verlieren zunehmend das Vertrauen in die Politik. „Angesichts dieser Rahmenbedingungen für Kommunen und Wirtschaft ist es lobenswert, dass der aktuelle Haushaltsplanentwurf der Stadt Viersen keine Steuererhöhungen für das Jahr 2024 vorsieht“, sagt Steinmetz. „Mit Blick auf andere Kommunen im IHK-Bezirk ist das keineswegs selbstverständlich.“
Im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum bleiben die Belastungen aus IHK-Sicht groß: Die Personalaufwendungen liegen im Jahr 2026 nach derzeitigen Prognosen 26 Prozent über dem Wert des Ergebnisses aus dem Jahr 2022. Die IHK befürchtet zudem, dass die strukturellen Probleme des Wirtschaftsstandorts nicht gelöst werden und stellt die prognostizierte Stabilität der Gewerbesteuereinnahmen in Frage. Die weiterhin hohen Teuerungsraten von 3 Prozent könnten zudem dafür sorgen, dass sich die Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen dynamischer entwickeln als geplant.
Sowohl die IHK als auch der beauftragte Finanzwissenschaftler loben den Ansatz, den die Verwaltung angesichts der schwierigen Ausgangslage wählt. „Die Stadt hat nach einem durch erhebliche Eigenbestrebungen geprägten Konsolidierungsprozess 2019 erfolgreich die Haushaltssicherung verlassen. Es ist positiv herauszustellen, dass in wieder schwieriger Haushaltslage das Konsolidierungskonzept freiwillig aufgelegt und die Aufgabenkritik zur Aufwandsdämpfung wieder intensiviert wird“, erklärt Professor Schoelen. Der Finanzwissenschaftler der Hochschule Niederrhein sieht bei den Personalkosten einen wichtigen Ansatzpunkt für die Konsolidierung. „Innerhalb einer forcierten Haushaltskonsolidierung bleibt das Personalaufwandskonsolidierungskonzept in hohem Maße gefordert, wenn der strukturelle Haushaltsausgleich gelingen und der Eigenkapitalverzehr beendet werden soll“, so Schoelen.
Für IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz ist dies ebenfalls die richtige Strategie. Eine Steuererhöhung im Jahr 2026 lehnt er ab: „Eine Erhöhung der Grundsteuer B würde dafür sorgen, dass Unternehmen und Bürger stärker belastet werden. Das mindert die Kaufkraft der Bürger und das Investitionspotenzial der Unternehmen.“
Zudem sollte aus IHK-Sicht weiter an der Standortqualität gearbeitet werden, damit sich neue Unternehmen ansiedeln und die Ertragsbasis weiter gestärkt wird. Schließlich haben die vergangenen Haushaltsjahre gezeigt, dass die positive Entwicklung der Jahresergebnisse vor allem auf höhere Gewerbesteuerzahlungen der Wirtschaft zurückzuführen war.
Der IHK-Hauptgeschäftsführer verweist noch einmal auf die Forderungen, die sich aus der IHK-Standortanalyse des vergangenen Jahres ableiten. Dabei geht es vor allem um eine Steigerung der Serviceorientierung der Verwaltung, die Verbesserung der Informations- und Kommunikations-Infrastruktur sowie die Entwicklung neuer Gewerbeflächen. „Um Unternehmen aus Viersen Raum zu geben, spielen Bestandsflächen eine genauso wichtige Rolle wie neue Gewerbeflächen. Um ansiedlungswillige Betriebe für ehemalige Gewerbeflächen zu begeistern, müssen die Gewerbegebiete zukunftsfähig aufgestellt werden“, so Steinmetz. „Dies ist eine Aufgabe, die Stadt und Wirtschaft gleichermaßen in die Pflicht nimmt.“