Eine 3+ für Dormagen
Stand: 29.02.2024
Die Unternehmen sind mit dem Wirtschaftsstandort Dormagen insgesamt zufrieden. Allerdings fällt die Bewertung im Vergleich zum Mittleren Niederrhein im Durchschnitt etwas schlechter aus. Während Dormagen als attraktiver Wohnstandort für Fach- und Führungskräfte die Unternehmen überzeugt, werden die kommunalen Kosten kritischer als an anderen Standorten bewertet. Das ist das Kernergebnis der Standortanalyse Dormagen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, die in der Kulturhalle „Kulle“ vorgestellt wurde. Rund 150 IHK-Mitgliedsunternehmen in Dormagen hatten sich an der Umfrage beteiligt. „Vor allem die Steuererhöhungen im vergangenen Jahr haben bei den Unternehmen in einer für sie ohnehin schon schwierigen Lage für viel Unmut gesorgt“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Abgesehen von den Kosten ist Dormagen aber ein attraktiver Wirtschaftsstandort.“
Die Beschäftigung ist in Dormagen in den vergangenen 25 Jahren gewachsen. 2023 arbeiteten 13,9 Prozent sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr in Dormagen als im Jahr 1999. In Nordrhein-Westfalen und im Rhein-Kreis Neuss war das Wachstum im gleichen Zeitraum mit 25,8 beziehungsweise 29,6 Prozent deutlich dynamischer. „In den vergangenen acht Jahren hat Dormagen aufgeholt. So war das Beschäftigungswachstum seit 2015 in Dormagen ähnlich stark wie im Rhein-Kreis und sogar etwas stärker als im NRW-Durchschnitt“, erklärte Gregor Werkle, Leiter Wirtschaftspolitik der IHK Mittlerer Niederrhein. „Das liegt insbesondere an der Industrie, die sich in Dormagen in den vergangenen Jahren besser als im Rhein-Kreis Neuss und in NRW entwickelt hat.“
Entsprechend groß ist die Bedeutung der Industrie für den Standort Dormagen. das produzierende Gewerbe ist überdurchschnittlich stark vertreten. Der Beschäftigungsanteil ist mit 36,8 Prozent größer als in Nordrhein-Westfalen und im Rhein-Kreis Neuss. „Dies ist insbesondere auf die chemische Industrie zurückzuführen. Der Beschäftigtenanteil von 22,7 Prozent ist in Dormagen mehr als 16-mal so hoch wie in Nordrhein-Westfalen“, so Werkle.
Beim Vergleich mit Kommunen ähnlicher Größe und dem NRW-Durchschnitt fällt auf: Die Arbeitslosigkeit ist in Dormagen niedrig. Die Kaufkraft ist etwas größer als im Schnitt des Landes, aber geringer als in drei der vier Vergleichskommunen. Die Steuereinnahmekraft ist ebenfalls geringer. „Die Industrieumsätze in Dormagen verdeutlichen die herausragende Stellung der Branche in Dormagen. Sie sind viermal so hoch wie in Viersen und Willich – zwei ebenfalls industrieaffine Wirtschaftsstandorte“, sagte Werkle.
Die insgesamt ambivalenten Ergebnisse werden auch durch die Resultate einer Unternehmensbefragung bestätigt, an der 150 Dormagener Betriebe teilgenommen haben. Sie bewerteten den Standort insgesamt sowie mehr als 40 Standortfaktoren mit einer Schulnote zwischen 1 und 6. „Das Urteil für den Standort insgesamt fällt mit einer 3+ zufriedenstellend aus“, erläuterte Steinmetz. „Die Note 2,87 ist aber etwas schwächer als der Durchschnitt der Städte, die wir in den vergangenen vier Jahren untersucht haben.“ Der IHK-Hauptgeschäftsführer verwies auf die insgesamt schlechte Stimmung in der Wirtschaft. „Normalerweise ist diese Bewertung nicht konjunkturabhängig. Was wir gerade erleben, ist allerdings nicht nur Konjunkturpessimismus. Wir sind mitten in einer strukturellen Krise, die den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland betrifft“, erklärte Steinmetz.
Positiv werden die Lage und die Infrastruktur Dormagens bewertet. Steinmetz: „Die Verkehrsanbindung an das Straßen- und Autobahnnetz wird als gut beurteilt, aber schwächer als am Mittleren Niederrhein. Weniger gut wird der Zustand der überörtlichen Straßeninfrastruktur bewertet.“ Der IHK-Hauptgeschäftsführer forderte eine schnelle Realisierung der Anschlussstelle Delrath und in Abstimmung dazu einen Zeitplan für eine Sanierung der B9.
Einer der wichtigsten Standortfaktoren ist für die Unternehmen die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. „Die Note 3,30 ist etwas schlechter als am Mittleren Niederrhein insgesamt. Im Zeitvergleich hat sich die Bewertung trotz gestiegener Anforderungen allerdings verbessert“, erklärte Steinmetz. „Der eingeschlagene Weg ist richtig, auch wenn hier weiterhin Handlungsbedarf besteht.“ Deutlich besser als in der Region wird das ÖPNV-Angebot mit der Note 2,95 bewertet.
Die Umfrage zeigt auch, dass die Unternehmen viele kommunale Leistungen, wie zum Beispiel den Service der Wirtschaftsförderung, die behördlichen Reaktionszeiten, die Kommunikation mit der Kommunalverwaltung oder den Digitalisierungsgrad etwa wie im Schnitt der Region bewerten. Alle Standortfaktoren in diesem Themenfeld werden allerdings kritischer gesehen als bei der Vorumfrage vor fünf Jahren. „Durch die deutlichen Steuererhöhungen im vergangenen Jahr sind auch die Erwartungen der Betriebe gestiegen. Das Themenfeld insgesamt wird durch die sehr schlechte Bewertung der kostenseitigen Standortfaktoren, wie zum Beispiel den Gewerbesteuerhebesatz, deutlich kritischer bewertet als in der Region“, so Steinmetz. Dormagen hat seit dem vergangenen Jahr mit 500 Punkten gemeinsam mit Tönisvorst den höchsten Gewerbesteuerhebesatz in der Region. In der Standortanalyse geben die Betriebe die Note 4,24. Das sind 0,64 Punkte schlechter als in der Region im Schnitt.
Im Themenfeld der Arbeitsmarktfaktoren zeigt sich, dass die Unternehmen in Dormagen überdurchschnittlich stark vom Fachkräftemangel betroffen sind. Die Maßnahmen, um den Fachkräftemangel zu lindern, sind vielfältig. „Die Betriebe bewerten die Standortfaktoren ‚Wohnumfeld für Mitarbeitende‘ und ,Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf‘ gut. Das sind zwei Faktoren, mit denen die Stadt zumindest für eine Linderung des Fachkräftemangels sorgen kann“, so Steinmetz. Angesichts der Nähe zur Metropole Köln schneidet auch das Angebot an (Fach-)Hochschulen im Umkreis besser ab.
In der anschließenden Podiumsdiskussion stellte Manuela Henk von der arlogis GmbH dem Standort ein gutes Zeugnis aus: „Wir sind grundsätzlich zufrieden.“ Kritisch kommentierte die Unternehmerin allerdings die Entwicklung der Steuerhebesätze: „Als Bestandsunternehmen tun uns hohe Steuern zwar weh, aber wir werden den Standort nicht infrage stellen.“ Das sei bei Neuansiedlungen völlig anders. Henk: „Unternehmen auf der Suche nach einem Standort schauen sehr genau, was sie wo zahlen müssen.“ Bürgermeister Erik Lierenfeld versicherte, dass die jüngste Erhöhung der Hebesätze zumindest für die kommenden zehn Jahre gelte. „Ich hoffe, wir können die Steuern irgendwann auch wieder senken“, so Lierenfeld. Hans Dieter Lehnhoff, Geschäftsführer des Ring-Centers, sagte dazu: „Wenn wir mehr Steuern zahlen, erwarten wir, dass die Stadt in die Attraktivität der Innenstadt investiert.“ Lehnhoff betonte, dass Dormagen einen hochwertigen und vielfältigen Einzelhandel biete. „Sicherheit und Sauberkeit müssten dazu beitragen, dass die Menschen gerne die Stadt besuchen“, so Lehnhoff.
Zur weiteren Verbesserung der kommunalen Leistungen sicherte Lierenfeld zu, die Zertifizierung der Stadt im Rahmen des Gütezeichens „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ voranzutreiben. Steinmetz sagte zu, die Stadt dabei zu unterstützen.
Durch die Ausweisung neuer Gewerbeflächen sei die Stadt dabei, ihre Steuereinnahmekraft zu verbessern, so Lierenfeld. „Die Nachfrage ist spürbar.“ Allerdings sei die Situation von Unternehmen wie Kommunen derzeit schwierig. Dem stimmte Martin Voigt vom Currenta-Nachbarschaftsbüro zu. Er verwies auf „Baustellen“, die nicht in der Verantwortung der Kommunen liegen: Energiesicherheit und Fachkräftemangel: „Wir erwarten vom Bund eine Lösung für eine bezahlbare und sichere Energieversorgung und vom Land Investitionen in die Bildung, damit unsere Betriebe jetzt und in Zukunft qualifizierte Fachkräfte finden.“
Die Standortanalyse Dormagen steht online zur Verfügung: www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/31294
Bildtext: Sie diskutierten über die Ergebnisse der Standortanalyse Dormagen (v.l.): Moderatorin Beate Kowollik, Hans Dieter Lehnhoff (Ring-Center), IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, Manuela Henk (arlogis GmbH), Bürgermeister Erik Lierenfeld und Martin Voigt (Currenta).