Engpassfaktor Wasserstoff
Stand: 29.05.2024
Die Transformation des nordrhein-westfälischen Industrie- und Wirtschaftsstandortes in Richtung Klimaneutralität kann ohne eine rasche und gleichzeitig ausreichende und flächendeckende Versorgung mit grünem Wasserstoff nicht gelingen – das gilt insbesondere auch für den Mittleren Niederrhein. Die Kurzstudie „Engpassfaktor Wasserstoff: Anforderungen an die Wasserstoffversorgung für die Industrie in Nordrhein-Westfalen“ im Auftrag von IHK NRW – der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen – zeigt jetzt, dass der Ausbau der H2-Leitungsinfrastruktur schneller und flächendeckender angegangen werden muss.
„Wasserstoff ist nicht nur eine technologische Option, sondern eine Notwendigkeit für die nachhaltige Transformation des nordrhein-westfälischen Industrie- und Wirtschaftsstandortes“, kommentiert Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, die neue Studie. Ohne eine rasche und flächendeckende Einführung dieser Schlüsseltechnologie seien die gesteckten Klimaziele kaum zu erreichen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der NRW-Industrie zu gefährden. Insbesondere der industrielle Mittelstand, aber auch die Energiewirtschaft und weitere Branchen blicken aktuell voller Sorge auf die Wasserstoffpläne. „Abseits des von der Politik für das Jahr 2032 angekündigten Kernnetzes fehlt vielen Unternehmen die Grundlage für langfristige Investitionsentscheidungen“, so Steinmetz.
Gründe dafür zeigt die von IHK NRW bei der Neumann und Esser Green GmbH beauftragte Kurzstudie. Wirtschaftlich ist die Versorgung der Unternehmen mit Wasserstoff ohne die Anbindung an das Wasserstoffkernnetz vielfach nicht möglich, die Belieferung mittels Trailer und der Aufbau einer dezentralen Elektrolyse am Unternehmensstandort zu wirtschaftlichen Konditionen zumeist nicht realisierbar.
Dementsprechend groß ist der Handlungsdruck: Wasserstoff ist für viele Unternehmen der Energieträger der Zukunft, insbesondere für Prozesse im Hochtemperaturbereich, da er dort häufig unverzichtbar ist. Die Unternehmen wollen und müssen sich heute entscheiden, wie sie ihre Prozesse ohne die Emission von CO2 und weiteren Treibhausgasen gestalten. Für viele ist klar, dass der Weg nur über den Wasserstoff führen kann. Die aktuellen Planungen rund um das Wasserstoff-Kernnetz reichen noch nicht aus. „In vielen – vornehmlich ländlichen – Regionen NRWs, ohne Anbindung an das H2-Kernnetz, fehlen Planungen, wie der Bezug von Wasserstoff zu wirtschaftlichen Konditionen möglich wird“, beschreibt Ralf Stoffels, Präsident von IHK NRW, die problematische Lage vieler Unternehmen in NRW und warnt: „Es droht eine De-Industrialisierung in der Fläche.“
Den Unternehmen selbst bleibt in der aktuellen Situation kaum Handlungsspielraum. „Entscheidend ist, dass die Unternehmen nun schnellstmöglich auf belastbare Rahmenbedingungen bauen können, die konkrete Investitionsentscheidungen erlauben“, fordert IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz. „Wir brauchen in allen Regionen NRWs Planungen für ein regionales Verteilnetz.“
Entscheidend bleibt die Wirtschaftlichkeit der Wasserstoffversorgung. Denn: Die zukünftigen Energiekosten für Wasserstoff werden deutlich über den heutigen Energiebeschaffungspreisen von Erdgas liegen. Klimaschutzverträge sind ein Instrument, um diese Mehrkosten aufzufangen und haben von der Europäischen Kommission bereits eine beihilferechtliche Genehmigung erhalten. „Diese Förderung muss auch dem Mittelstand oh-ne bürokratische Hürden zugänglich gemacht werden – unabhängig von der Branchen-zugehörigkeit. Ohne mittelstandsgeeignete Klimaschutzverträge ist für die Wirtschaft ein frühzeitiger Umstieg auf eine grüne Produktion kaum zu bewältigen“, gibt IHK NRW-Präsident Stoffels zu Bedenken.
Wer auf Nummer sicher gehen will, wird auf Elektrolyseure setzen. Weitere Hausaufgaben sieht IHK NRW daher in der Genehmigungspraxis, der Integration im Wärmemarkt und bei der Rückverstromung. Nordrhein-Westfalen braucht zudem eine Lösung, wie bei einer wachsenden Anzahl an Elektrolyseuren ausreichend und kostengünstig grüner Strom beschafft werden kann.
Mit den nun vorliegenden Ergebnissen der Kurzstudie und den daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen, in Form eines Policy-Paper, will IHK NRW zu einem Hochlauf der Wasserstoff-Aktivität in Nordrhein-Westfalen beitragen und setzt sich für geeignete Übergangslösungen bis zur Einsatzfähigkeit des Wasserstoffkernnetzes ab dem Jahre 2032 ein.
Die Kurzstudie „Engpassfaktor Wasserstoff: Anforderungen an die Wasserstoffversorgung für die Industrie in Nordrhein-Westfalen“ und ein Policy Paper zum Thema stehen online zur Verfügung unter: www.ihk-nrw.de
IHK NRW ist der Zusammenschluss der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen. IHK NRW vertritt die Gesamtheit der IHKs in NRW gegenüber der Landesregierung, dem Landtag sowie den für die Kammerarbeit wichtigen Behörden und Organisationen.