IHK zum Haushalt der Stadt Neuss
Stand: 19.11.2024
Die Stadt Neuss sollte sich auf Basis eines freiwilligen Konsolidierungskonzepts effizienter aufstellen und somit durch Einsparungen auf der Aufwandseite das strukturelle Defizit deutlich reduzieren. Der zurzeit für den Zeitraum 2025 bis 2028 geplante Eigenkapitalverzehr in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro dient nicht der Generationengerechtigkeit. Das sind wesentliche Ergebnisse der Analyse des Finanzwissenschaftlers Prof. Dr. Harald Schoelen (Hochschule Niederrhein), der im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein ein Kurzgutachten zum aktuellen Haushaltsplanentwurf der Stadt Neuss für das Jahr 2025 erarbeitet hat. „Die Stadt hat ein Ausgabenproblem“, kommentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz die Analyse. „Wir erwarten, dass sich die Verantwortlichen dieser Herausforderung im kommenden Jahr annehmen.“ Die IHK fordert zudem, dass Politik und Verwaltung das mit dem Konsolidierungspaket aus dem Jahr 2023 abgegebene Versprechen einlösen und 100 Hektar Gewerbeflächen neu ausweisen. „Das würde zu deutlich mehr Einnahmen führen“, so Steinmetz.
Die Zahlen des im September veröffentlichten Haushaltsplanentwurfs sprechen für sich: Das Gesamtergebnis unter Ansatz eines globalen Minderaufwands – dabei werden die ordentlichen Aufwendungen pauschal gekürzt – bleibt im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum im zweistelligen Millionenbetrag negativ. „Das ausgewiesene Defizit in Höhe von minus 39,5 Million Euro kommt auch unter Zuhilfenahme hoher Finanzerträge und der Nutzung des globalen Minderaufwands zu Stande. Die folgenden Jahre sind zu optimistisch geplant, sodass eine Nachsteuerung wahrscheinlich notwendig wird“, erklärt Haushaltsexperte Schoelen. Insbesondere die Aufwendungen sind zu optimistisch geplant. Im Vergleich zum Ergebnis im Jahr 2023 ist der Ansatz der Ordentlichen Aufwendungen im vorliegenden Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2025 um mehr als 14 Prozent höher. Für die IHK ein klares Zeichen dafür, dass ein Ausgabenproblem vorliegt.
„Allein die Neusser Wirtschaft sorgt wie schon im vergangenen Jahr mit ihren Gewerbesteuerzahlungen dafür, dass die Stadt aktuell noch ihre finanzielle Autonomie behält und kein Haushaltssicherungskonzept aufstellen muss“, betont Steinmetz. Neuss lag laut IHK-Analyse im Jahr 2023 – gemessen an der Einwohnerzahl – bei den Gewerbesteuererträgen auf Platz 14 aller nordrhein-westfälischen Kommunen. Im Regierungsbezirk Düsseldorf wiesen nur Monheim, Düsseldorf und Ratingen höhere Werte aus. „Dass es in diesem Jahr auch wieder gelingen dürfte, mehr als 235 Millionen Euro an Gewerbesteuererträgen einzunehmen, zeigt die Stärke der Neusser Wirtschaft und den gesunden Branchenmix“, so Steinmetz. „Es ist schade, dass selbst mit diesen hohen Steuererträgen kein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden kann.“
Zudem warnt der IHK-Hauptgeschäftsführer vor zu euphorischen Prognosen für die kommenden Jahre. So weisen Zahlen von IT.NRW darauf hin, dass die Industrierezession auch Neuss erreicht hat. Schließlich zeigt die Entwicklung der Industrieumsätze von 2022 auf 2023, dass sich die verarbeitenden Betriebe in Neuss nicht von der rezessiven Lage der Branche im Land insgesamt abkoppeln konnten. Die Umsätze sanken um knapp 7,5 Prozent und damit sogar stärker als im Rhein-Kreis und in Nordrhein-Westfalen insgesamt. „Angesichts der weiterhin schwachen Konjunktur sollten die Ansätze bei der Gewerbesteuer mit der notwendigen Vorsicht gesetzt werden. Ob im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum ein Anstieg bis auf knapp 280 Millionen Euro möglich ist, stellen wir angesichts der tristen Konjunkturlage und der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft infrage“, so Steinmetz.
Nichtsdestotrotz ist aus Sicht der IHK auch eine Verbesserung der Ertragslage möglich – zumindest dann, wenn die versprochene Neuausweisung von 100 Hektar Gewerbeflächen schnellstmöglich angegangen wird. „Bis heute fehlen konkrete Ergebnisse von Politik und Verwaltung, sodass die Realisierung der Mehrerträge im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum immer ambitionierter wird“, so Steinmetz.
Eine klare Haltung hat die IHK bei der Diskussion um die Grundsteuerreform. Die NRW-Landesregierung hat den Städten und Gemeinden die Möglichkeit gegeben, nach Wohngrundstücken und Nicht-Wohngrundstücken zu differenzieren. Die IHK verweist in ihrer Stellungnahme auf ein Gutachten, das der Städtetag NRW in Auftrag gegeben hat. „Dies zeigt erhebliche rechtliche Risiken, die sich für die Städte durch das Modell zur Grundsteuer mit differenzierten Hebesätzen für Wohn und Nicht-Wohngrundstücke ergeben“, so Steinmetz. Dieses Modell ist demnach nach Ansicht des Städtetags für die Städte hochriskant. Der Städtetag ist der Auffassung, dass den Kommunen bei einer der wichtigsten kommunalen Steuern im schlimmsten Fall massive Steuerausfälle drohen, wenn sie dem Modell folgen. „Die Zeche für Steuerausfälle würden die Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger zahlen“, befürchtet Steinmetz. „Deswegen raten wir der Politik, dem Vorschlag der Verwaltung zu folgen und auf eine differenzierte Grundsteuer zu verzichten.“