Industriebranchen unter Druck

Industriebranchen unter Druck
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Stand: 31.10.2024

Der Wirtschaftsstandort Mittlerer Niederrhein steht vor großen Herausforderungen, insbesondere die energieintensive Industrie. Dies zeigt eine Analyse IHK Mittlerer Niederrhein, in die Auswertungen amtlicher Daten und die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung aus den besonders energieintensiven Branchen eingeflossen sind. Zu diesen Branchen gehören insbesondere die Chemie- und Metallindustrie und die Papier- und Pappeindustrie, die Hersteller von Glas und Glaswaren sowie Keramik und die Verarbeiter von Steinen und Erden. „Die Bedeutung dieser Industriezweige für unsere Region ist enorm“, sagt Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein. „Leider stehen diese Branchen unter erheblichem Druck. Das bedroht letztlich auch unseren Wirtschaftsstandort insgesamt.“

Die energieintensive Industrie ist mit einem Anteil von 5,9 Prozent der Gesamtbeschäftigten eine tragende Säule der regionalen Wirtschaft. In Nordrhein-Westfalen liegt der Anteil bei nur bei 3,7 Prozent. Gut 27.000 Beschäftigte in der Region arbeiten in dieser Branche. Besonders stark vertreten ist der Bereich Chemie, der 3,0 Prozent der Beschäftigung am Mittleren Niederrhein ausmacht. Trotz der historischen Bedeutung dieser Industrien gibt es deutliche Anzeichen für einen Beschäftigungsabbau. Seit 2019 geht die Beschäftigung in diesen Branchen tendenziell zurück. „Das bereitet uns hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit dieser Industriezweige Sorgen“, sagt Steinmetz.

Ein weiterer Schwerpunkt der Analyse liegt auf der nominalen Umsatzentwicklung der energieintensiven Industrien. Dabei wird deutlich, dass die Region hinter der allgemeinen Entwicklung in Nordrhein-Westfalen zurückbleibt. Während die Umsätze der energieintensiven Industrien bis zur Hochkonjunktur 2017/18 noch stiegen, brachen sie bereits vor der Corona-Pandemie ein. Besonders dramatisch war der Rückgang im vergangenen Jahr in der Chemischen Industrie und der Metallbranche. Der Einbruch im Segment Metall war am Mittleren Niederrhein noch größer als im Landesdurchschnitt.

„Die Industrie am Mittleren Niederrhein ist in hohem Maße von den Schwankungen des globalen Marktes betroffen, und die schwindende Wettbewerbsfähigkeit verstärkt diesen Druck zusätzlich“, erläutert Steinmetz. „Wir müssen die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen verbessern, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich behaupten können.“ Die Befragung zeigt, dass viele Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Branche nur noch als „befriedigend“ oder schlechter bewerten. Lediglich 20,5 Prozent der befragten Unternehmen beurteilen ihre Wettbewerbsfähigkeit als „gut“ oder „sehr gut“. Insbesondere die hohen Energiepreise sind eine ernste Bedrohung: Fast zwei Drittel der Unternehmen sehen hier eine deutliche Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Steinmetz warnt: „Die hohen Energiekosten drücken nicht nur die Margen, sondern gefährden mittelfristig auch Arbeitsplätze in unserer Region.“

Neben den Energiepreisen sind auch klimapolitische Maßnahmen und der zunehmende Fachkräftemangel Faktoren, die den Betrieben zu schaffen machen. Rund 64 Prozent der Unternehmen berichten von Problemen, offene Stellen zu besetzen. Dies wirkt sich ebenfalls negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. „Es ist jetzt entscheidend, dass wir die Energiekosten senken, bürokratische Hürden abbauen und die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen verbessern“, fordert Steinmetz. Laut der Umfrage bewerten 76,7 Prozent der Unternehmen die steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland als Wettbewerbsnachteil gegenüber internationalen Konkurrenten.

Die Umfrageergebnisse zeigen auch, dass etwa ein Drittel der Unternehmen eine Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland zumindest nicht ausschließt. 18,2 Prozent prüfen sogar bereits, ob eine Verlagerung durchführbar wäre – noch besteht die Möglichkeit, diese Unternehmen durch geeignete Maßnahmen im Inland zu halten. Um diese Entwicklung zu stoppen, ist schnelles Handeln erforderlich. Schließlich haben 6,1 Prozent der Betriebe bereits Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert“, so Steinmetz.

Trotz aller Schwierigkeiten gibt es auch positive Signale: Viele Unternehmen planen, langfristig weiterhin in den Standort Mittlerer Niederrhein zu investieren. Rund 45 Prozent der befragten Betriebe wollen in den kommenden fünf Jahren ihre Investitionen erhöhen. „Diese Bereitschaft zeigt, dass unsere Region nach wie vor Potenzial hat“, betont Steinmetz. „Anders als manche Ökonomen prophezeien, gibt es Alternativen zur Deindustrialisierung – allerdings nur dann, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit hierzulande deutlich verbessern.“

Abschließend ruft Steinmetz dazu auf, die wirtschaftspolitischen Maßnahmen konsequent auf die Bedürfnisse der energieintensiven Industrie auszurichten: „Die Zukunft unserer Region hängt von der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen ab. Wir müssen dafür sorgen, dass der Mittlere Niederrhein auch in den kommenden Jahren ein attraktiver Standort für Investitionen und Beschäftigung bleibt.“

Alle Ergebnisse der Analyse sind zu finden unter:
www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/32218

 

 

Energieintensive Industrie in Krefeld

Am Wirtschaftsstandort Krefeld wird die Beschäftigungsstruktur noch stärker von den energieintensiven Industrien geprägt als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. Alleine in der Chemischen Industrie und in der Metallindustrie arbeiten 10 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Während die Chemische Industrie in den vergangenen zehn Jahren einen Beschäftigungsaufbau verzeichnete, ist bei den Metallverarbeitern im gleichen Zeitraum bereits mehr als jeder neunte Job weggefallen. Auch die Daten zur Umsatzentwicklung zeigen, dass die Metallindustrie schon einige Herausforderungen in den vergangenen Jahren zu meistern hatte und im Vergleich zur Region überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Dagegen war die Chemische Industrie in Krefeld lange Zeit die Konjunkturlokomotive. Der Umsatzeinbruch im Jahr 2023 war allerdings beispiellos.

 

 

Energieintensive Industrie im Rhein-Kreis Neuss

Am Wirtschaftsstandort Rhein-Kreis Neuss wird die Beschäftigungsstruktur noch stärker von den energieintensiven Industrien geprägt als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. Alleine in der Chemischen Industrie und in der Metallindustrie arbeiten gut 6 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Während die Chemische Industrie in den vergangenen zehn Jahren einen Beschäftigungsaufbau verzeichnete, sind bei den Metallverarbeitern nach dem Höhepunkt zur Hochkonjunktur 2018 sukzessive Beschäftigungsverhältnisse – wenn auch in geringem Maße – weggefallen. Die Daten zur Umsatzentwicklung zeigen, dass die Chemische Industrie im Rhein-Kreis Neuss bereits nach der Hochkonjunktur 2018 Umsatzverluste hinnehmen musste. Die Metallindustrie hat insbesondere durch das Krisenjahr 2023 einen deutlichen Umsatzrückgang hinnehmen müssen.

 

 

Energieintensive Industrie in Mönchengladbach

Am Wirtschaftsstandort Mönchengladbach wird die Beschäftigungsstruktur weniger stark von den energieintensiven Industrien geprägt als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. „Dennoch sind die energieintensiven Branchen in der Region für Unternehmen aus Mönchengladbach wichtige Zulieferer und Kunden“, erklärt Steinmetz. In der Summe arbeiten in der Metallerzeugung und -bearbeitung sowie bei den Herstellern von Glas, Glaswaren und Keramik sowie in der Verarbeitung von Steinen und Erden etwa 0,3 Prozent der Beschäftigten.

  

 

Energieintensive Industrie im Kreis Viersen

Am Wirtschaftsstandort Kreis Viersen wird die Beschäftigungsstruktur weniger stark von den energieintensiven Industrien geprägt als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. „Dennoch sind die energieintensiven Branchen in der Region für Unternehmen aus dem Kreis Viersen wichtige Zulieferer und Kunden“, erklärt Steinmetz. In der Summe arbeiten in der Metallerzeugung und -bearbeitung, bei den Herstellern von Glas und Glaswaren, Keramik, in der Verarbeitung von Steinen und Erden sowie in der Papierindustrie zusammen etwa 1,5 Prozent der Beschäftigten. In der Papierindustrie haben sich Beschäftigung und Umsatz schlechter entwickelt als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. Bei den Herstellern von Glas, Glaswaren und Keramik sowie in der Verarbeitung von Steinen und Erden gibt es dagegen ein deutlich überdurchschnittliches Umsatzplus bei gleichbleibenden Beschäftigungszahlen.