Verwaltungsdigitalisierung und Bürokratieabbau
Stand: 18.03.2024
Deutschland befindet sich auf dem Weg ins zweite Rezessionsjahr in Folge, und die Unzufriedenheit der Unternehmerinnen und Unternehmer mit der Politik nimmt zu. Vor diesem Hintergrund intensiviert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein ihre politischen Round-Table-Gespräche, um den Dialog zwischen Wirtschaft und Politik nicht abreißen zu lassen und den Politikerinnen und Politikern die schwierige Situation der Betriebe näher zu bringen. Über die überbordende Bürokratie und die mangelhafte Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen sprachen Unternehmerinnen und Unternehmer der IHK-Vollversammlung nun mit Dr. Marcus Optendrenk, dem nordrhein-westfälischen Minister der Finanzen.
„Die Wirtschaft in der Region befindet sich in einer ernsten Lage. Die Unternehmen erwarten ein Signal von der Politik, dass ihre Sorgen ernst genommen werden“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz und eröffnete damit die Diskussion. Und IHK-Vizepräsident Dr. Claus Schwenzer, der im Namen des Präsidiums den Minister begrüßte, ergänzte: „Wir sind Realisten und wissen, wie die Kassenlage aussieht. Lassen Sie uns nicht darüber diskutieren, was schlecht ist, sondern gemeinsam herausfinden, was möglich ist.“
Bei der Diskussion über den Stand der Digitalisierung in den Verwaltungen stellte IHK-Vizepräsidentin Susanne Thywissen fest, dass die skandinavischen Länder und die baltischen Staaten bei der Verwaltungsdigitalisierung viel weiter sind. „Warum bekommen wir das nicht besser hin?“, fragte die Neusser Unternehmerin den Minister. Sie regte an, dass Unternehmen und Verwaltung gemeinsam ein Digitalisierungsprojekt des öffentlichen Dienstes umsetzen – idealerweise ein Projekt, das für die Unternehmen besonders relevant ist. So könnten beide Seiten voneinander lernen und profitieren.
Und der Krefelder Finanzexperte Michael von Ameln, der auch Gründerinnen und Gründer betreut, berichtete von einer jungen Selbstständigen, die ihre Existenzgründung angesichts der bürokratischen Hürden beinahe aufgegeben hätte. Die Anmeldung einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit ist nur über das Steuer-Portal Elster möglich. Aber: Für Elster ist eine Steuer-Nummer erforderlich, die erst bei der erstmaligen Steuererklärung vergeben wird. „Das bringt Menschen zum Verzweifeln“, so der Krefelder Unternehmer.
Der Finanzminister machte vor allem zwei Ursachen für die schwache Verwaltungsdigitalisierung verantwortlich: einerseits den Drang in Deutschland, immer große, allumfassende Lösungen zu suchen, und andererseits den Datenschutz. „Der Datenschutz in Deutschland ist strenger als in anderen Ländern. Außerdem hat die Diskussion in Deutschland dafür gesorgt, dass Verwaltungsmitarbeitende sehr große Vorsicht beim Umgang mit Daten an Tag legen“, sagte Optendrenk. Die Sorge der Mitarbeitenden vor möglichen Folgen eines Verstoßes gegen den Datenschutz verhindere an vielen Stellen dringend notwendige pragmatische Lösungen. „Der Staat muss Anreize schaffen, damit Mitarbeiter und Unternehmer, Start-Ups und Traditionsunternehmen ihren Forschergeist wiederentdecken. Als Landesregierung tun wir, was wir können, um gegenzusteuern und Rahmenbedingungen zu verbessern. Nur so schaffen wir den Freiraum, der nötig ist, damit Innovationen entstehen“, so der Minister weiter.
Auch die Diskussion über die überbordende Bürokratie wurde intensiv geführt. „Der Staat will viele Daten von uns. Es frustriert auch unsere Mitarbeitenden, wie häufig und in welcher Form wir diese Daten melden müssen“, erklärte die Mönchengladbacher Unternehmerin Beate Gothe. Und die IHK-Vizepräsidenten Svenja Fusten aus Krefeld ergänzte: „Der Politik fehlt der Blick auf das Große und Ganze. Die überbordende Bürokratie zeigt, dass man von einem furchtbar schlechten Bild der Unternehmrinnen und Unternehmer ausgeht, sonst würde man nicht so viel regeln müssen.“ Auch Optendrenk sieht die immer neuen Vorgaben aus Berlin kritisch. „Industrie, Wirtschaft, Handwerk und Mittelstand ächzen in ganz Deutschland unter zu viel Bürokratie und einer schleppenden Digitalisierung. Die Höhe der Bürokratieerfüllungskosten ist nicht mehr nachvollziehbar. Die Politik in Berlin hat in den vergangenen Jahren zu stark darauf abgezielt, den Unternehmen genau auf die Finger zu schauen. Unser Ziel muss eine moderne und effiziente Verwaltung sein. Bürger und Unternehmer sollen nicht an die Schreibtische gefesselt werden. Sie sollen gestalten können und nicht endlos lange Formulare ausfüllen“, so der Minister.
Die IHK-Vollversammlungsmitglieder und der Finanzminister vereinbarten, den Dialog fortzusetzen.
Bildtext: Sie tauschen sich mit dem dem nordrhein-westfälischen Minister der Finanzen Dr. Marcus Optendrenk (6.v.l.) aus (v.l.): Janika Woltering-van Haag, Dr. Claus Schwenzer, Beate Gothe, Susanne Thywissen, Johann-Andreas Werhahn, Tobias Haberland, Jürgen Steinmetz, Markus Jansen, Frank Kindervatter, Gregor Correnz, Stephan Lommetz, Michael von Ameln und Svenja Fusten.