„Deals, XXL-Finanzpaket und Sondervermögen“

Stand: 25.06.2025
Vor welchen globalen Herausforderungen steht die deutsche Wirtschaft? Welche wirtschaftspolitischen Weichenstellungen erwarten die Unternehmen von der neuen Bundesregierung? Und: Wie wird Deutschland international wieder wettbewerbsfähig? Die Themen des Vorabendempfangs der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein zum 13. Außenwirtschaftstag NRW sorgten für angeregte Diskussionen im neuen Campus der SMS group in Mönchengladbach. Prof. Dr. Jens Südekum hielt die Keynote. „Deals, XXL-Finanzpaket und Sondervermögen: Was muss die Merz-Regierung nun tun, um die deutsche Wirtschaft international wettbewerbsfähiger zu machen?“ – so lautete der Titel des Vortrags des Ökonomen, der an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf forscht und lehrt und Persönlicher Beauftragter von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist.
Zum Auftakt stellten sich IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz und Jochen Burg, CEO der SMS group, den Fragen von Moderatorin Mary Abdelaziz-Ditzow. „Für uns geht es nicht mehr allein um das Know-how, wie wir Projekte für unsere Kunden weltweit umsetzen, sondern zunehmend auch um Resilienz und Stabilität: Wie sichern wir unsere Lieferketten und den Zugang zu Märkten?“, sagte Burg. „Über die Produktion in China und die Belieferung unserer Kunden in den USA zum Beispiel müssen wir heute anders nachdenken.“ Für Steinmetz geht es vor allem darum, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland wieder wettbewerbsfähig werden: „Wichtige Investitionen in die Infrastruktur müssen viel schneller als bisher umgesetzt werden“, betonte Steinmetz. „Marode Bauwerke wie die Uerdinger Rheinbrücke und die Kardinal-Frings-Brücke belasten die Industrie und die Transportwirtschaft erheblich.“ Genauso wichtig sei ein international wettbewerbsfähiger Industriestrompreis. „Darauf ist unsere energieintensive Industrie angewiesen“, so Steinmetz.
Um Infrastruktur und die Energieversorgung ging es auch im Vortrag von Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine in Deutschland: „Wir schaffen es nur mit Partnern, uns gegen die russische Aggression zu verteidigen, und genauso sind wir auf Partnerschaften angewiesen, wenn es darum geht, unser Land wieder aufzubauen.“ Makeiev verwies auf zahlreiche deutsche Unternehmen, die in der Ukraine investieren. Im Energiebereich und in der Infrastruktur gebe es großen Bedarf an Know-how und Produkten aus Deutschland. „Wir wollen unser Land besser aufbauen als es vor dem Krieg war – und dieser Wiederaufbau findet jetzt statt. Nutzen Sie die Chance“, appellierte der Botschafter.
Investitionen, die durch das Sondervermögen der Bundesregierung und die Reform der Schuldenbremse ausgelöst werden sollen, standen auch im Mittelpunkt der Keynote von Südekum. Zunächst skizzierte er, warum es zu zwei Jahren ohne Wirtschaftswachstum gekommen ist. „International nicht wettbewerbsfähige Energiekosten und überbordende Bürokratie in Kombination mit gravierenden Veränderungen im weltweiten Handel haben zu einer besorgniserregenden Deindustrialisierung geführt“, erläuterte Südekum. „Wir verlieren jeden Monat rund 10.000 Industriearbeitsplätze.“ Deutsche Unternehmen bekämen die Konkurrenz durch chinesischen Überkapazitäten nicht nur in China selbst, sondern überall auf der Welt zu spüren. „Früher konnten viele Unternehmen auf den amerikanischen Markt ausweichen. Das ist seit dem Amtsantritt Trumps vorbei“, erklärte der Ökonom.
Die Situation sei fragil. Das deutsche Erfolgsmodell des Exports in alle Märkte der Welt – insbesondere nach China und in die USA – sei an seine Grenzen gestoßen, so Südekum. Mit der finanzpolitischen Kehrtwende setze die neue Bundesregierung auf mehr Eigenverantwortung. „Mit dem Sondervermögen sollen Investitionen ausgelöst werden, die die deutsche und europäische Wirtschaft stärken und für nachhaltige Verbesserungen in den Bereichen Infrastruktur und Digitalisierung sorgen. Gleichzeitig müssen unsere Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden“, erläuterte Südekum. „Ich bin zuversichtlich, dass wir so endlich wieder Wirtschaftswachstum und höhere Steuereinnahmen erzielen. Die ersten Prognosen sind optimistisch. Und: Die Bundesregierung steht unter erheblichen Druck. Sie ist zum Erfolg verdammt.“
Bildtext: Vor dem Start des Vorabendempfangs des IHK-Außenwirtschaftstags NRW (v.l.): Prof. Dr. Jens Südekum (Ökonom an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Jürgen Steinmetz (Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein), Moderatorin Mary Abdelaziz-Ditzow, Jochen Burg (CEO der SMS group), S.E. Oleksii Makeiev (Botschafter der Ukraine in Deutschland) und Elmar te Neues (Präsident der IHK Mittlerer Niederrhein).