"Wir nutzen die Ressourcen nicht richtig"

"Wir nutzen die Ressourcen nicht richtig"
© IHK Mittlerer Niederrhein

Stand: 15.04.2025

Die hohen Gesundheitsausgaben, das Überangebot an Gesundheitsleistungen und die überbordende Bürokratie: Die Mitglieder des Netzwerks Gesundheitswirtschaft der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein hatten bei ihrer jüngsten Dialogrunde mit Prof. Dr. Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, einiges zu besprechen. Seine These: „Wenn wir die Bürokratie nicht abbauen und das Gesundheitssystem nicht digitalisieren, werden wir die nötigen Reformen nicht umsetzen können.“

Bereits zur Begrüßung der Veranstaltung hatte IHK-Netzwerk-Sprecher Prof. Dr. Dieter Welsink (medicoreha Dr. Welsink Rehabilitation GmbH) gemahnt, dass in der kommenden Wahlperiode im Bund die notwendigen Reformen nicht nur verabredet, sondern auch umgesetzt werden sollten. Welsink forderte, dass nicht nur mehr Geld in das System gepumpt wird, sondern dass es darum geht, die Gesundheitswirtschaft effizienter zu gestalten. Er betonte, dass eine effektive Lösung nicht nur von mehr Mitteln abhängt, sondern auch von einer konsequenten Digitalisierung und Strukturreformen.

Prof. Hallek stellte zu Beginn seines Vortrags die aktuelle Finanzlage des Gesundheitswesens vor. Mit Ausgaben von fast 500 Milliarden Euro – 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – sei Deutschland eines der Länder mit den höchsten Gesundheitsausgaben in Europa. Besonders auffällig seien die hohen Ausgaben im Krankenhaussektor (93,6 Milliarden Euro) und für Arzneimittel (53,2 Milliarden Euro). Aber: Trotz dieser überdurchschnittlichen Ausgaben sei keine signifikante Verbesserung in der Lebenserwartung der Bevölkerung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern erkennbar.

Hallek kritisierte daher die hohe Zahl der Krankenhausbetten und die unzureichende Nutzung der vorhandenen Kapazitäten. „Wir haben keinen echten Fachkräftemangel, sondern wir nutzen die Ressourcen nicht richtig“, erklärte Hallek. In Deutschland gebe es mit 213 Krankenhausaufenthalten pro 1.000 Einwohner die höchste Rate in Europa. Dies sei nicht nachhaltig und stelle eine enorme Belastung für die Fachkräfte dar.

Besonders alarmierend für Hallek: die wachsende Belastung durch Sozialabgaben. „Schätzungen zufolge könnten bis 2035 bis zu 50 Prozent des Einkommens in Sozialabgaben fließen“, warnte Hallek. Diese Entwicklung könnte nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, sondern auch Arbeitsplätze gefährden. „Unsere Abgabenlast wird so hoch, dass sie negative Auswirkungen auf die Beschäftigung haben könnte“, betonte er. Ein effizientes Gesundheitswesen sei deshalb auch entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Ein zentraler Punkt des Vortrags war daher die Notwendigkeit von Strukturreformen im Gesundheitswesen. Hallek zeigte auf, dass viele der bestehenden Strukturen ineffizient und veraltet seien. Besonders das Thema Bürokratie stellte er als eine der größten Hürden für das Gesundheitswesen heraus. „Zu viel Datenschutz ist am Ende schädlich für den Patienten“, so Hallek. „Vernetzte Strukturen gibt es nur mit einer stärkeren Digitalisierung, wie zum Beispiel mit der elektronischen Patientenakte.“

Er sprach sich außerdem für den Aufbau von intersektoralen Gesundheitszentren aus, die eine dezentrale Versorgung ermöglichen und die Krankenhausaufenthalte reduzieren würden. Ein solches Modell könnte dazu beitragen, die Fachkräfte im Gesundheitswesen zu entlasten und die Versorgung effizienter zu gestalten. „Weniger Krankenhausaufenthalte, weniger Bürokratie und eine stärkere Digitalisierung sind der Schlüssel zu einer besseren Gesundheitsversorgung“, betonte Hallek.

Prof. Welsink forderte noch einmal nachdrücklich, dass man sich verstärkt in Gesundheitsregionen organisieren sollte. „Zurzeit laufen erste Modellprojekte in Nordrhein-Westfalen. Das könnte auch eine Blaupause für den Mittleren Niederrhein werden und die Effizienz der Gesundheitsversorgung in der Region verbessern“, erklärte Welsink. Die Landesregierung fördert zurzeit den Aufbau von Muster-Gesundheitsregionen mit bis zu 250.000 Euro je Region und Jahr. Dabei geht es vor allem um die Vernetzung der Partner vor Ort, damit sie im Sinne des Patienten besser zusammenarbeiten.

Über das Netzwerk Gesundheitswirtschaft der IHK Mittlerer Niederrhein: Das Netzwerk Gesundheitswirtschaft der IHK Mittlerer Niederrhein verbindet Akteure aus der Gesundheitsbranche in Krefeld, Mönchengladbach, dem Rhein-Kreis Neuss und dem Kreis Viersen, um den Austausch über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im Gesundheitswesen zu fördern. Ziel ist es, innovative Lösungen zu finden und die Gesundheitswirtschaft in der Region zukunftsfähig zu gestalten. Wer Interesse hat, kann sich für die kommenden Veranstaltungen registrieren, unter: www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/28061

Bildtext: Prof. Dr. Michael Hallek (r.), Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, wurde von IHK-Netzwerk-Sprecher Prof. Dr. Dieter Welsink (medicoreha Dr. Welsink Rehabilitation GmbH) begrüßt.