IHK zum Haushalt der Stadt Viersen

IHK zum Haushalt der Stadt Viersen
© chinnarach / Adobe Stock

Stand: 19.02.2025

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein hat den Haushaltsplanentwurf der Stadt Viersen analysiert und sieht erhebliche Herausforderungen auf die Kommune zukommen. Die IHK fordert daher eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung, die ohne Steuererhöhungen auskommt. „Es ist jetzt an Politik und Verwaltung, alles daranzusetzen, dass Steuererhöhungen durch verstärkte Konsolidierung auf der Ausgabenseite und eine kritische Aufgabenprüfung vermieden werden“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz in einer Stellungnahme an Bürgermeisterin Sabine Anemüller. Die Stellungnahme basiert auf einem Gutachten des Finanzwissenschaftlers Prof. Dr. Harald Schoelen von der Hochschule Niederrhein. Die IHK erarbeitet regelmäßig Stellungnahmen zu kommunalen Haushaltsplänen, weil stabile Kommunalfinanzen einen bedeutenden Einfluss auf die Qualität eines Wirtschaftsstandorts haben.

Nach den aktuellen Prognosen wird Viersen im Jahr 2025 ein Defizit von 18 Millionen Euro aufweisen. Auch für die Folgejahre sind zum Teil weiterhin zweistellige Millionenverluste zu erwarten. „Ab dem Haushaltsplanentwurf 2026 droht die Haushaltssicherung“, analysiert Schoelen die aktuellen Zahlen. Ein Grund: Die Sozialausgaben der Stadt steigen erheblich, unter anderem in den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe, Pflege und Migration. Im Haushaltsprodukt „Soziale Leistungen“ liegen die Aufwendungen im Jahr 2025 15 Prozent über dem Wert von 2023. Das Defizit ist um 80 Prozent höher, da mit geringeren Zuwendungen gerechnet wird. Im Bereich Kinder-, Jugend- und Familienhilfe nimmt das Defizit im besagten Zeitraum um 33 Prozent zu. Für die Kreisumlage werden – auch aufgrund der sozialpolitischen Aufgaben des Kreises – im Jahr 2025 6 Millionen Euro mehr fällig als im Jahr 2023. „Diese drei Positionen summiert führen zu einer Ergebnisverschlechterung von mehr als 21 Millionen Euro innerhalb von zwei Jahren“, rechnet Steinmetz vor.

Der Finanzwissenschaftler Schoelen sieht allerdings auch Anzeichen dafür, dass die schlechte Lage zum Teil auch selbstverschuldet ist. So sind den 63 im Stellenplan neu aufgenommenen Stellen nur 28,5 dem Bereich “Offene Ganztagsschule“ zuzurechnen. „Lässt man diese und weitere, die der Daseinsvorsorge zuzurechnen sind, außen vor, so muss auch der Stellenplan angesichts der dramatischen Verschlechterung der kommunalen Finanzlage einer strikten Aufgabenkritik unterzogen werden“, erklärt Schoelen.

Angesichts der kritischen Zahlen begrüßt die IHK die freiwillige Erstellung eines Konsolidierungskonzepts, fordert jedoch ein ambitionierteres Vorgehen. „Die ersten Maßnahmen sind definiert, aber es fehlt der große Wurf“, stellt Steinmetz fest. „Es ist wichtig, dass Politik und Verwaltung gemeinsam eine tragfähige Strategie entwickeln, um die Haushaltssicherung abzuwenden und gleichzeitig die Attraktivität des Standorts zu stärken.“ Die IHK weist darauf hin, dass auch die Wirtschaft derzeit vor großen Herausforderungen steht. „Unsere Konjunkturumfragen zeigen, dass viele Unternehmen in der Region mit einer schlechten Geschäftslage zu kämpfen haben“, so Steinmetz. „Angesichts dieser Belastungen wäre es kontraproduktiv, durch höhere Steuern zusätzlichen Druck auf die Betriebe auszuüben.“

Die Stadtverwaltung hat im Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2026 eine Erhöhung der Grundsteuer B als mögliche Maßnahme ins Spiel gebracht, sollte die Haushaltssicherung nicht durch andere Maßnahmen verhindert werden können. Für 2027 wird zudem eine Gewerbesteuererhöhung nicht ausgeschlossen. „Sehr glaubhaft ist, dass die Stadt Viersen nicht leichtfertig eine expansive, standortschädigende Realsteuerpolitik betreiben wird. Sehr glaubhaft sollte daher auch sein, dass sie eigene Spar- und Konsolidierungsmaßnahmen in hinreichendem Volumen diesem Schritt voranstellt. Sie hat schon bewiesen, dass sie dies umsetzen kann“, betont Schoelen.

Statt Steuererhöhungen fordert die IHK eine aktive Wirtschaftsförderung und eine strategische Gewerbeflächenentwicklung. „Eine funktionierende Wirtschaftsförderung, die insbesondere die Themen Ansiedlungsmanagement und Bestandspflege im Fokus hat, sorgt eben mit dafür, dass die Stadt weiterhin hohe Gewerbesteuererträge generieren kann“, argumentiert Steinmetz. Der Standort Viersen benötigt nach Aussage der IHK dringend neue Gewerbeflächen, um Unternehmen anzusiedeln und die Einnahmebasis langfristig zu sichern. Der Standort hat einen Bedarf von mehr als 40 Hektar an Gewerbe- und Industrieflächen, der nicht gedeckt werden kann. „Um die Flächennachfrage der Wirtschaft bedienen zu können, wurden vorhandene Gewerbegebiete mit Blick auf ihre Zukunftsfähigkeit untersucht. Für diese sollten Nutzungsszenarien entwickelt werden, um Flächenkapazitäten effektiv zu nutzen und Fehlentwicklungen von vornherein entgegenwirken zu können“, so Steinmetz.

Viersen benötigt nach Ansicht der IHK zudem ein aktives (Gewerbe-) Brachflächenmanagement, um aufgegebene Gewerbe- und Industriegrundstücke mit ihren Nutzungspotenzialen zu erfassen. Im Regionalplan Düsseldorf sind mit Ausnahme des interkommunalen Gewerbegebiets Mönchengladbach/Viersen „Mackenstein“ keine verfügbaren Potenzialflächen enthalten. Wenn diese Fläche aufgegeben werden soll, dann muss eine gleichwertige neue Fläche gefunden werden, die perspektivisch entwickelbar ist.  „Entwickelte Gewerbeflächen führen zu Mehreinnahmen, die der Standort Viersen dringend benötigt. Während man im Konsolidierungskonzept kleinteilige Maßnahmen wie die Kündigung der Abonnements von Fachzeitschriften sowie die Reduzierung der Einträge in Telefonbüchern aufführt, werden diese gravierenden Themen noch nicht ausreichend angegangen“, sagt Steinmetz.