Neue Chancen in herausfordernden Zeiten

Stand: 26.06.2025
Zölle, Gegenzölle, Kriege und internationale Krisen – die deutschen Außenwirtschaftsunternehmen erleben derzeit herausfordernde Zeiten. Aber: Es eröffnen sich auch neue Chancen. Welche Möglichkeiten sich international bieten und mit welchen Strategien sich deutsche Unternehmen weltweit behaupten können – diese Fragen standen im Mittelpunkt des 13. Außenwirtschaftstag NRW im Borussia Park in Mönchengladbach. Fast 1.000 Gäste nahmen an der landesweit größten Konferenz für auslandsaktive Unternehmen teil, die im Zweijahresrhythmus von IHK NRW, den nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammern, veranstaltet wird. 60 Aussteller waren vor Ort und 50 Speaker standen auf dem Programm. Die Federführung hatte in diesem Jahr die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein.
Eröffnet wurde die Konferenz von Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, der niederländischen Generalkonsulin Hannah Tijmes – die Niederlande sind das Partnerland des AWT 2025 – und IHK-Präsident Elmar te Neues, der auch Vizepräsident von IHK NRW ist. Er ging auf die aktuelle Stimmung der nordrhein-westfälischen Exportwirtschaft ein: „Die Unternehmen brauchen kalkulierbare Rahmenbedingungen. Dazu gehören freie Märkte, internationale Regeln und verlässliche Partnerschaften. Kriege, Konflikte und Protektionismus bewirken das Gegenteil: Unsicherheit und Unberechenbarkeit.“ Europa brauche eine handelspolitische Kurskorrektur. „Handelsabkommen wie mit Indien oder den Mercosur-Staaten dürfen nicht länger aufgeschoben werden“, forderte te Neues. Dem stimmte die Wirtschaftsministerin zu: „Wertepartnerschaften sind die Grundvoraussetzung für einen fairen und freien Handel untereinander. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man einseitige Abhängigkeiten teuer bezahlen muss.“ Die niederländische Generalkonsulin verwies darauf, dass die langjährige und gewachsene gute Nachbarschaft, Freundschaft und Handelspartnerschaft zwischen den Niederlanden und Deutschland wichtiger denn je seien: „In diesen Zeiten sind kurze Wege und sichere Lieferketten enorm wertvoll.“
Aus Russland zugeschaltet, erläuterte der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, welche Ziele der Kreml verfolgt: „Putin geht es darum, das russische Imperium wiederherzustellen. Aus diesem Denken heraus hat er den Krieg gegen die Ukraine entfesselt.“ Russland stelle die Souveränität seiner Nachbarstaaten infrage. „Wenn ein Nachbar sich auf Kosten anderer ausdehnen will, wird er zur Bedrohung“, erklärte Lambsdorff. Das Rezept dagegen heiße „Abschreckung“. Es gehe jetzt darum, die Leistungsfähigkeit der deutschen Streitkräfte zu steigern und die Ukraine weiter zu unterstützen. Lambsdorff: „Wir stärken damit nicht nur ein Land, sondern verteidigen unsere wichtigsten Werte: die Freiheit und den Frieden in Europa.“
Die Botschafterin der Republik Estland, Marika Linntam, schilderte, wie sich ihr Land seit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit vor 35 Jahren zum digitalen Muster-Staat Europas entwickelt hat. „Wir haben eine vollständig digitalisierte Verwaltung, die sich an den Bedürfnissen der Bürger und Unternehmen orientiert.“ Alle Behördengänge seien online möglich – außer die Heirat. Linntam warb für den Innovations-Standort Estland: „Unser kleines Land hat zehn Einhörner – also Start-ups mit einer Bewertung von mehr als eine Milliarde Euro – hervorgebracht.“
Zum Abschluss der Auftaktveranstaltung des IHK-Außenwirtschaftstags erläuterte der USA-Experte Dr. Josef Braml, wie sich die geopolitischen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren verändert haben: „Das Zeitalter der regelbasierten Ordnung ist vorbei. Nicht nur Putin ignoriert die Regeln, sondern auch Trump und Xi“, so Braml. „Es gilt das Recht des Stärkeren. Das bedeutet: Wir – Deutschland und Europa – müssen an Stärke gewinnen.“ Russland sei das Problem Europas, nicht der USA. Europa müsse ein selbstbewusster Player in der Welt werden. „Ich hoffe, die neue Bundesregierung macht sich ernsthaft daran, Europa weiterzuentwickeln, die europäische Integration weiter voranzutreiben.“ Dass diese Erkenntnis sich immer mehr durchsetzt, sei auch Trump zu verdanken.
Neben Keynotes und Diskussionen gab es die Möglichkeit, das Netzwerk der Deutschen Auslandshandelskammern vor Ort zu nutzen. Marktexpertinnen und -experten aus allen fünf Kontinenten haben individuell in terminierten Einzelgesprächen zu Fragen und Herausforderungen des internationalen Geschäfts beraten.
Die Teilnehmer profitierten auch von den Erfahrungen erfolgreicher Unternehmen aus NRW. Themen waren unter anderem: „Quo vadis Nordamerika?“, „Exportkontrolle und Compliance“, „Unternehmerisches Best-practice in Südostasien (ASEAN)“, „Lieferketten digital, effizient und nachhaltig managen“, „Boom-Markt Indien“, „Zukunftsmärkte Arabische Golfstaaten“, „Niederlande: Absatzmarkt und Innovationspartner“ sowie „Strategie: International agieren in geopolitisch unsicheren Zeiten“. Zudem bot eine deutsch-niederländische Kooperationsbörse die Gelegenheit, grenzüberschreitende Geschäftskontakte zu knüpfen. Zum Ausklang des Tages stand Netzwerken auf dem Programm – neue Kontakte knüpfen und alte Partnerschaften pflegen.
Bildtext: Eröffnet wurde der AWT von Mona Neubaur (Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen), 2.v.l.), der niederländischen Generalkonsulin Hannah Tijmes (l.) und IHK-Präsident Elmar te Neues, der auch Vizepräsident von IHK NRW ist. Mary Abdelaziz-Ditzow moderierte die Veranstaltung.