Unsere Erwartungshaltung ist groß

Unsere Erwartungshaltung ist groß
© IHK Mittlerer Niederrhein

Stand: 21.07.2025

„Wir haben allen Anlass, optimistisch zu sein.“ Mit diesen Worten begrüßte Dr. Rainer Kambeck seine Zuhörinnen und Zuhörer zur Veranstaltung „Dialog und Netzwerken zum Koalitionsvertrag“. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein und die Wirtschaftsförderung Viersen hatten den Bereichsleiter „Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand“ bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) eingeladen, um mit ihm und Viersener Unternehmerinnen und Unternehmern auf die wirtschaftspolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung zu schauen. „Unsere Erwartungshaltung ist groß“, erklärte Kambeck. „Es stehen viele gute Dinge im Koalitionsvertrag.“

Zuvor hatte Bürgermeisterin Sabine Anemüller in ihrer Begrüßung betont, wie wichtig ihr diese Veranstaltung ist: „Wir wissen aus vielen Gesprächen, dass es bei den Unternehmen große Unsicherheiten gibt“, sagte sie. „Dieser Dialog mit der Wirtschaft ist für die Stadtverwaltung von großer Bedeutung. Nur so erfahren wir, wie wir die bundespolitischen Maßnahmen vor Ort positiv verstärken können. Als Stadt und Wirtschaftsförderung können wir daraus wichtige Infos für unsere Arbeit ziehen.“ IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz wies zu Beginn der Veranstaltung darauf hin, dass nicht nur die bundes- und landespolitischen Entscheidungen für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort verantwortlich sind. „Auch eine wirtschaftsfreundliche Kommune kann den Unterschied machen und ein deutlicher Standortvorteil sein.“ Letztlich seien Bund, Land und Kommunen gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen für Unternehmen zu gestalten. „Zu vielen Herausforderungen, die uns die Unternehmen in unseren Umfragen immer wieder nennen, gibt es im Koalitionsvertrag Ansatzpunkte. Aber wir müssen in die Umsetzung kommen.“

Als „bahnbrechend“ bezeichnete Kambeck die neuen Finanzierungsmöglichkeiten von Bund, Ländern und Kommunen. Er erläuterte die Reform der Schuldenbremse, die Verteidigungsausgaben und das Sondervermögen Infrastruktur, nach dem für die kommenden zwölf Jahre 500 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, wovon je 100 Milliarden an Länder und Kommunen und an den Klima- und Transformationsfond gehen. „Die Mittel sind somit da“, betonte der Experte. Allerdings müsse man Tempo machen. Positiv sieht Kambeck die Investitionsvorhaben in die Verteidigung. „Das muss man machen, um ein eindeutiges politisches Signal zu senden. Und für die Wirtschaft spielt das Thema Sicherheit eine riesige Rolle.“ Er gab aber auch zu bedenken, dass die Ausgaben des Bundes und damit auch die Kredite jährlich erheblich steigen würden. „Es gibt zwar keinen Anlass, Angst zu haben, aber man muss zukünftige Belastungen durch Zins- und Tilgungszahlungen im Blick haben und vernünftig mit dem Geld umgehen.“

Als besonders positiv hob Kambeck den „Investitions-Booster“ für Unternehmen hervor. „Eine schnellere Abschreibung fordern wir schon lange“, sagte er. Auch die Erhöhung der Pendlerpauschale sei eine gute Maßnahme, die vor allem den Pendlern und deren Arbeitgebern in den Regionen zugutekomme. Die steuerlichen Anreize für freiwillig längeres Arbeiten im Rentenalter könnte Unternehmen bei der Gewinnung von Fachkräften helfen. „Ein Ärgernis ist allerdings, dass die Entlastung der Stromsteuer nicht für alle gelten soll. Es gibt viele Unternehmen, die durchs Raster fallen, wie zum Beispiel Hotels oder Rechenzentren. Das sollte im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch korrigiert werden.“ Dafür setze sich die DIHK gerade in Berlin ein.

In Sachen Bürokratieabbau ist laut Kambeck vieles in Bewegung. „Schon unter der Ampel-Koalition haben wir gemeinsam mit Unternehmen Beispiele für überbordende Bürokratie gesammelt.“ Die Bundesregierung plane, die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 Prozent zu senken. Die Bürokratiebremse soll mithilfe der Regel „One in, two out“ gelöst werden. Das bedeutet: Kommt eine bürokratische Regel hinzu, sollen zwei wegfallen. Vor diesem Hintergrund animierte er seine Zuhörinnen und Zuhörer, Bürokratiebeispiele, die im Unternehmensalltag eine große Hürde sind, der IHK oder DIHK zu nennen. „Wir sind positiv und zuversichtlich, dass wir aus der schlechten Lage rauskommen. Wir blicken optimistisch nach vorne, dass wir schnell wieder Wachstum generieren“, erklärte Kambeck am Ende seines Vortrags.  

In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um die Frage, an welchen Stellschrauben vor Ort gedreht werden muss. Neben dem Bürokratieabbau und Investitionen in die Infrastruktur sind es laut dem IHK-Hauptgeschäftsführer drei Maßnahmen: „Eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung, ein ausreichendes Angebot an Gewerbeflächen sowie  moderate Steuersätze und Abgaben wie zum Beispiel Abwassergebühren sind Themen, die für Unternehmen und damit für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort wichtig sind.“ Das Thema wirtschaftsfreundliche Verwaltung lag einem Unternehmer besonders auf dem Herzen. „Wir brauchen eine dienstleitungsorientierte Verwaltung. Wenn es neun Monate dauert, bis man eine Baugenehmigung hat, ist das ein Fiasko“, betonte er. Bürgermeisterin Anemüller konnte den Frust nachvollziehen: „Aber es liegt nicht am Wollen, sondern an der Gesetzgebung. Auch in der Verwaltung haben wir mit einem riesigen bürokratischen Aufwand und verkomplizierten Gesetzen zu tun.“     

Schließlich appellierte Kambeck an seine Zuhörinnen und Zuhörer: „Verzagen Sie nicht. Die Industrie- und Handelskammer ist für Sie da, um Ihnen ihr unternehmerisches Leben zu erleichtern. Dafür müssen Sie uns Ihre Probleme mit auf den Weg geben. Nur dann können wir sie an die Politik adressieren.“

Bildunterschriften:
Dr. Rainer Kambeck, Bereichsleiter „Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand“ bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer, erläuterte die wirtschaftspolitischen Vorhaben der Bundesregierung.