Zusammenarbeit von Wirtschaft und Verwaltung

Stand: 10.07.2025
Zeitintensive Genehmigungsverfahren, mangelnde digitale Prozesse, komplexe Bürokratie und mitunter nur begrenztes Verständnis für wirtschaftliche Notwendigkeiten – immer wieder beklagen Unternehmen, dass es bei der Zusammenarbeit mit der Verwaltung knirscht. Die Frage, wie das Miteinander zwischen Wirtschaft und Verwaltung verbessert werden kann, stand im Fokus des jüngsten Regionalforums Rhein-Kreis Neuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein in den Räumen der Maschinenfabrik Reinartz. „Viele Betriebe – egal ob Handwerk, Dienstleistung oder Industrie – stoßen im Austausch mit der Verwaltung regelmäßig auf Hürden“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz zur Begrüßung und warb für eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung: „Sie kann den Unterschied machen. Geopolitische Entwicklungen oder bundes- und landespolitische Weichenstellungen kann man vor Ort nicht beeinflussen. Aber wie schnell und verlässlich Kommunen agieren und wie ausgeprägt das Service-Verständnis der Verwaltungsmitarbeiter ist, haben die Städte und Gemeinden selbst in der Hand.“
Dr. Martin Stiller nahm diese Gedanken in seinem Vortrag auf. Der Wirtschaftsdezernent des Rhein-Kreises Neuss warb dafür, dass sich Kommunen zertifizieren lassen und das RAL-Gütezeichen „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ erwerben. Das Gütezeichen wird von der Gütegemeinschaft Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung verliehen. Die Prüfungen führt der TÜV Nord durch. Zu den Kriterien des RAL-Gütezeichens gehören unter anderem die Zuverlässigkeit und schnelle Bearbeitung von Bauanträgen, die fristgerechte Bezahlung von Rechnungen und die rechtzeitige Genehmigung von Schwertransporten.
Konkret heißt das beispielweise: Eingangsbestätigung von Seiten der Verwaltung und Nennung eines Ansprechpartners innerhalb von drei Tagen, Besprechung beim Unternehmen innerhalb von fünf Tagen, Reaktion auf Anrufe und E-Mails innerhalb eines Tages und Bearbeitung von Baugenehmigungsanträgen innerhalb von 40 Tagen. „Es geht dabei vor allem um die Qualität der Verwaltung als Dienstleister für Bürger und Unternehmen“, betonte Stiller. Der Mehrwert für die Unternehmen liegt auf der Hand. Aber auch für die Verwaltungen bieten sich handfeste Vorteile. Stiller: „Sie können sich im Wettbewerb um ansiedlungsinteressierte Unternehmen und Investoren gegenüber anderen Kommunen besser positionieren. Deshalb werben wir bei den Städten und Gemeinden dafür.“ Steinmetz ergänzte: „Wir sind ebenfalls im Austausch mit Kommunen der Region. Es wäre ein starkes Signal für den Standort Mittlerer Niederrhein, wenn die Mehrheit der niederrheinischen Kommunen das RAL-Gütezeichen erwirbt.“
Welchen Beitrag die Künstliche Intelligenz (KI) zu mehr Wirtschaftsfreundlichkeit leisten kann, erläuterte Karl-Heinz Land. Der Geschäftsführer der neuland.ai aus Köln beschrieb den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Regionalforums, welche Umwälzungen in Wirtschaft und Verwaltung bereits stattfinden und welche noch anstehen: „Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. Alles, was vernetzt werden kann, wird vernetzt werden. Und: Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert werden. So wird es kommen.“
Viele Tätigkeiten werde es demnächst nicht mehr geben. „Das sollte man positiv sehen. Die bestbezahlten Mitarbeiter verschwenden Zeit mit sich wiederholenden Aufgaben. Da kann die KI enorm entlasten“, so Land. Er prophezeite einen Produktivitätsschub durch KI und generative KI von 25 bis 90 Prozent. Dabei gehe es nicht um die schlichte Nutzung allgemein zugänglicher Programme, sondern um individuelle Lösungen. Land: „Jede Organisation – ob Unternehmen oder Verwaltung – wird in den kommenden Jahren eine KI-Strategie und ein eigenes KI-Model entwickeln müssen. Wer das nicht tut, wird Probleme bekommen.“
Der Input der Referenten bot reichlich Gesprächsstoff für die anschließende Diskussion und den Austausch beim Get-together zum Abschluss des Regionalforums Rhein-Kreis Neuss. Die Regionalforen der IHK richten sich an Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich aus erster Hand über die aktuellen Entwicklungen in ihrer Region informieren und aktiv in den Austausch treten möchten. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist möglich unter: www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/27922
Bildtext: Sie tauschten sich beim Regionalforum Rhein-Kreis Neuss aus (v.l.): IHK-Vizepräsidentin Susanne Thywissen, Niklas Stadermann (Maschinenfabrik Reinartz), Karl-Heinz Land (neuland.ai), Alana Voigt (Rhein-Kreis Neuss), Vito Maldera (Maschinenfabrik Reinartz) und Jürgen Steinmetz (IHK Mittlerer Niederrhein). Foto: IHK