Neuss 2023

Neuss 2023
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In der vorliegenden Standortanalyse werden die Eigenschaften der Stadt Neuss als Wirtschaftsstandort detailliert untersucht. Dabei werden sowohl die Branchenstrukturen als auch ihre Entwicklung betrachtet. Zusätzlich werden verschiedene volkswirtschaftliche Indikatoren herangezogen, bei denen Neuss mit anderen Kommunen einer ähnlichen Größe und Struktur vom Mittleren Niederrhein und aus Nordrhein-Westfalen verglichen wird. So kann überprüft werden, wie Neuss als Wirtschaftsstandort hinsichtlich verschiedener Kennzahlen im Standortwettbewerb positioniert ist. Den Kern der Analyse bilden die Ergebnisse der Standortbefragung unter Unternehmen aus Neuss. Dabei haben knapp 300 Unternehmen verschiedene Standortfaktoren hinsichtlich ihrer Bedeutung und Qualität bewertet.

Ziel der Analyse ist es, Verbesserungsmöglichkeiten für die Stadt Neuss als Wirtschaftsstandort zu identifizieren und sie dabei zu unterstützen, sich als Wirtschaftsstandort zukunftsgerecht aufzustellen. Die Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein zieht aus den Ergebnissen wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen, die den Abschluss dieser Analyse bilden.

 

 

1. Wirtschaft in Neuss

1.1 Branchenstrukturen und Beschäftigungsentwicklung

 Standortanalyse Neuss 2023, Beschäftigungsentwicklung

 

In Neuss arbeiteten zum 30.06.2022 insgesamt gut 79.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Von allen kreisangehörigen Kommunen am Mittleren Niederrhein hat Neuss damit das beste Verhältnis zwischen Beschäftigten am jeweiligen Arbeitsort und Einwohnern.

Seit 1999 ist die Beschäftigung deutlich gewachsen (29,1 Prozent) und gegenüber Land und Kreis auch überdurchschnittlich stark. Im Land NRW und im Rhein-Kreis gab es im gleichen Zeitraum ein Wachstum von 24,9 beziehungsweise 27,8 Prozent. Auffällig ist die insgesamt deutliche Parallelentwicklung. Nur in den vergangenen zwei Jahren war die Beschäftigungsdynamik in Neuss dann deutlich stärker als im Rhein-Kreis und in NRW.

 Standortanalyse Neuss 2023, Diagramm, Wirtschaftsstrukturen

 

Betrachtet man, wie sich die Beschäftigten in Neuss auf die verschiedenen Wirtschaftszweige verteilen, fällt als Erstes ins Auge, dass die distributiven Dienstleistungen (Handel, Verkehr) überdurchschnittlich stark präsent sind. Der Anteil ist mit 27,1 Prozent größer als in Nordrhein-Westfalen, liegt allerdings etwas unter dem Wert des Rhein-Kreises Neuss. Das Produzierende Gewerbe ist anteilig geringfügig schwächer vertreten als im Kreis und im Land, hier arbeiten in Neuss dennoch weiterhin rund 24 Prozent aller Beschäftigten. Das zeigt, dass Neuss ein wichtiger Industriestandort ist. Weniger stark als im Land, aber etwas stärker als im Kreis sind in der Stadt Neuss die sonstigen Dienstleistungen vertreten. Hierzu gehören insbesondere unternehmensnahe Dienstleistungen, die häufig in Oberzentren überdurchschnittlich stark vertreten sind. Die Land- und Forstwirtschaft ist in Neuss mit 0,7 Prozent Beschäftigtenanteil von größerer Bedeutung als in NRW und liegt auf geringerem Niveau als im Rhein-Kreis Neuss.

Beschäftigungsentwicklung (Produzierendes Gewerbe)

 

Beschäftigungsentwicklung (Handel und Dienstleistungen)

 

In den letzten zehn Jahren hat es im Produzierenden Gewerbe einen überdurchschnittlichen Beschäftigungsaufbau gegeben. Die Beschäftigtenzahl ist um 12,4 Prozent gestiegen, während das Plus im Rhein-Kreis (5,7 Prozent) und in NRW (3,3 Prozent) deutlich darunter lag. Im Dienstleistungsgewerbe fand mit einem Anstieg von 29,1 Prozent ebenfalls ein spürbarerer Beschäftigungsanstieg statt, der über den Werten des Landes und des Rhein-Kreises (jeweils +24 Prozent) liegt.

 

1.2 Detailstrukturen

Die Analyse der Detailstrukturen wird durch die Datenverfügbarkeit erschwert. Für einige Branchen liegen aus Geheimhaltungsgründen keine konkreten Beschäftigtendaten vor. Dennoch lassen sich anhand der Daten einige Merkmale des Standorts Neuss herausarbeiten.

Landwirtschaft in Neuss überdurchschnittlich vertreten

Schaut man zunächst in den Bereich Land- und Forstwirtschaft, zeigt sich, dass dieser Wirtschaftsbereich in Neuss im Vergleich zu NRW im Schnitt überdurchschnittlich stark vertreten ist. Dies ist am sogenannten Lokalisationsquotienten ablesbar. Der Lokalisationsquotient setzt den Beschäftigtenanteil einer Branche in der Stadt Neuss ins Verhältnis zu dem Beschäftigungsanteil dieser Branche in Nordrhein-Westfalen. Ein Wert unter 1 spiegelt dabei einen Anteil, der unter dem in Nordrhein-Westfalen liegt. Ein Wert über 1 zeigt einen höheren Beschäftigungsanteil als im Land an. Für die Land- und Forstwirtschaft in Neuss zeigt der Wert von 1,5 also an, dass der Beschäftigtenanteil um die Hälfte höher ist als im Land. Der Anteil an der Gesamtbeschäftigung aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Neuss liegt dabei in der Land- und Forstwirtschaft bei 0,7 Prozent. Er ist in den letzten zehn Jahren spürbar gestiegen.

Mehr als 14.000 Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe

Im Verarbeitenden Gewerbe arbeiten in Neuss 18,1 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Zum 30.06.2022 waren das 14.283 Beschäftigte. Im Land Nordrhein-Westfalen liegt der Anteil auf ähnlichem Niveau, wie der Lokalisationsquotient von 0,99 anzeigt. Die Beschäftigung ist in diesem Bereich in Neuss seit 2012 deutlich gestiegen (+4,4 Prozent). Auch im Rhein-Kreis gab es ein Plus (6,4 Prozent) bei der Industriebeschäftigung, im Land blieb sie unverändert.

Aus Gründen der Geheimhaltung liegen nur für einen Teil der Branchen des Verarbeitenden Gewerbes genauere amtliche Beschäftigungsdaten vor, sodass an dieser Stelle nicht über alle Branchen Auskunft gegeben werden kann. So liegen etwa für die Metallerzeuger und  Metallbearbeiter keine genauen Daten vor, obwohl diese Branche in Neuss aufgrund großer Unternehmen mindestens 2500 Beschäftigte aufweist. Besonders beschäftigungsstark sind in Neuss darüber hinaus das Ernährungsgewerbe (2650 Beschäftigte) – dank der Ölmühlen am Neusser Hafen –, der Maschinenbau (2100 Beschäftigte) und die Hersteller von Papier und Pappe (1280 Beschäftigte). Während der Beschäftigtenanteil des Maschinenbaus mit 2,7 Prozent sogar leicht unter dem NRW-Schnitt liegt, zeigen die Lokalisationsquotienten der Papierindustrie (4,4) und der Ernährungsindustrie (1,9) an, dass die Beschäftigungsanteile dieser Branchen mehr als viermal beziehungsweise fast doppelt so hoch wie in NRW sind.

Baugewerbe stark gewachsen

Betrachtet man das Baugewerbe, in dem 4,1 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort Neuss tätig sind, sieht man, dass es einen geringeren Anteil an der Gesamtbeschäftigung als in NRW hat. Der Lokalisationsquotient liegt bei 0,8. Dabei konnte die Branche in Neuss in den letzten zehn Jahren mit 67,5 Prozent stärker wachsen als in NRW (21,6 Prozent) oder im Kreis Viersen (32,8 Prozent). Herauszuheben innerhalb der Bauindustrie ist der Bereich des Tiefbaus. In diesem Segment arbeiten knapp 800 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Neuss. Der Beschäftigtenanteil von 1,0 Prozent liegt deutlich über dem NRW-Wert von 0,6 Prozent. In den letzten zehn Jahren sind in diesem Bereich 500 Arbeitsplätze entstanden.

18,5 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Handel

Der Handel insgesamt hat eine überdurchschnittliche Bedeutung in Neuss. Hier arbeiten gut 14.600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das sind 18,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Der Lokalisationsquotient liegt bei 1,3. Die Branche ist in Neuss in den vergangenen zehn Jahren – um 7,4 Prozent – gewachsen. Auch in NRW und im Rhein-Kreis ist der Handel gewachsen. Im Land legte er sogar um 10,6 Prozent zu, im Kreis nur um 4,7 Prozent.

Der Handel lässt sich in drei Teilbereiche untergliedern. Während der Beschäftigungsanteil im Einzelhandel im Vergleich zum Land NRW sogar leicht unterdurchschnittlich hoch ist (Lokalisationsquotient: 0,8), ist der Handel mit Kraftfahrzeugen stärker vertreten (Lokalisationsquotient: 1,2). Sowohl im Kfz-Handel (+40 Prozent) als auch im Einzelhandel (+11 Prozent) ist die Beschäftigtenzahl in den vergangenen zehn Jahren spürbar und im Falle des Kfz-Handels auch im Vergleich zum Land überdurchschnittlich stark gewachsen. Besonders der Großhandel spielt für Neuss eine überdurchschnittlich große Rolle. 2022 arbeiteten hier knapp 8000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, also 10,1 Prozent aller Beschäftigten am Arbeitsort Neuss. Die Branche ist damit doppelt so stark vertreten wie im Land (Lokalisationsquotient: 2,0). In den vergangenen zehn Jahren ist die Beschäftigtenzahl in der Branche nahezu konstant geblieben.

Verkehr und Lagerei mit leicht überdurchschnittlicher Bedeutung

Auch die Branche Verkehr und Lagerei weist in Neuss eine überdurchschnittliche Bedeutung auf. Dies liegt insbesondere an der verkehrsgünstigen Lage und dem direkten Zugang zum Rhein. In den Unternehmen der Branche arbeiten 6,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Der Lokalisationsquotient liegt bei 1,2. Die Branche ist in Neuss in den letzten zehn Jahren im Gegensatz zum Land oder Kreis (Wachstum: 35,6 Prozent und 6,5 Prozent) um 19,2 Prozent geschrumpft. Insbesondere die Lagerbranche und die Post-, Kurier- und Expressdienste sind überdurchschnittlich bedeutsam (Lokalisationsquotient: 1,9 beziehungsweise 4,4), haben allerdings auch überdurchschnittlich stark an Beschäftigung verloren.

Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen deutlich wichtiger als im Land

Bei den weiteren Dienstleistungsbranchen zeigt sich ein ambivalentes Bild. Eine deutlich höhere Bedeutung als im Land weist die Finanz- und Versicherungsbranche auf. Hier arbeiten mehr als 3300 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – getrieben auch durch ein Großunternehmen aus dem Versicherungssektor. Auch die Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen ist in Neuss mit 6850 Beschäftigten und einem Beschäftigtenanteil von 8,7 Prozent gegenüber dem Land überdurchschnittlich stark präsent. Dies liegt insbesondere an der Vermietungsbranche beziehungsweise dem Bereich „Gebäudebetreuung; Garten- und Landschaftsbau“. Für viele weitere wirtschaftliche Dienstleistungen zeigen die Lokalisationsquotienten dagegen eine unterdurchschnittliche Bedeutung an. Die Bereiche „Information und Kommunikation“, „Grundstücks- und Wohnungswesen“ und „Erbringung von freiberuflichen wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ weisen Lokalisationsquotienten zwischen 0,6 und 0,8 auf.

Unterdurchschnittliche Bedeutung des Gesundheitswesens

Eine eher unterdurchschnittliche Bedeutung weist auch das Gesundheits- und Sozialwesen in Neuss auf. Neuss ist Standort großer Krankenhäuser und großer Rehabilitationsunternehmen. 14,4 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Neuss arbeiten in dieser Branche. Das sind insgesamt knapp 11.350 Beschäftigte. Der Anteil ist damit – trotz der Präsenz der großen Arbeitgeber – etwas geringer als im Land (Lokalisationsquotient: 0,9), wobei das Wachstum der Branche in den letzten zehn Jahren mit 39,8 Prozent geringer war als im Kreis (43,3 Prozent), jedoch über dem Niveau des Landes (32,6 Prozent) lag.

1.3 Volkswirtschaftliche Kennzahlen im Vergleich

Die einzelnen Wirtschaftsstandorte stehen in einem stetigen Wettbewerb um Investoren, Unternehmen und damit auch um Arbeitsplätze. Anhand von regionalwirtschaftlich relevanten Indikatoren wird im folgenden Kapitel überprüft, welche Position die Stadt Neuss im Vergleich mit anderen Standorten einnimmt. Die Besonderheit: Nach den Städten Hannover, Aachen und Saarbrücken, die ihrer Region bzw. ihrem Regionalverband zugeordnet sind, ist die Stadt Neuss die größte kreisangehörige Kommune. Deswegen werden weitere große kreisangehörige Städte als Vergleichskommunen genommen (hier: Moers, Recklinghausen und Paderborn). Zusätzlich werden die Durchschnittswerte des Rhein-Kreises Neuss für die Einordnung der Werte herangezogen.

Arbeitslosenquote

Arbeitslosenquote und Entwicklung

 

Die Arbeitslosenquote lag in Neuss im Jahresdurchschnitt 2022 bei 7,0 Prozent. Sie ist damit etwas höher als in NRW und deutlich höher als im Rhein-Kreis Neuss. Dies ist für Kreisstädte als Oberzentren einer Region allerdings nicht ungewöhnlich. In den zwei der drei Vergleichskommunen ist die Arbeitslosigkeit sogar deutlich höher. Seit 2012 ist die Arbeitslosenquote in Neuss um 0,9 Prozentpunkte gesunken. Der Rückgang ist damit etwas stärker als im Rhein-Kreis, aber geringer als in NRW im Schnitt.

 

Kaufkraft und Zentralität

 Neuss 2023 Kaufkraft un Zentralität

 

Mit einem Wert von 101,8 ist die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Neuss im Vergleich zu Deutschland (100) und NRW (99,0) etwas höher. Der Rhein-Kreis Neuss (107,4) kommt im Schnitt auf einen deutlich höheren Wert. Die weiteren großen kreisangehörigen Kommunen im interkommunalen Vergleich kommen dagegen auf deutlich geringere Werte – von den 30 Kommunen in NRW mit mehr als 100.000 Einwohnern haben lediglich sieben Kommunen eine höhere einzelhandelsrelevante Kaufkraft als die Stadt Neuss. Dies zeigt, dass Neuss – für ein Oberzentrum – eine überdurchschnittlich hohe Kaufkraft hat. Die Zentralitätskennziffer gibt an, wie viel der Kaufkraft im Ort selbst verbleibt, also vor Ort auch ausgegeben wird. Ein Wert von über 100 zeigt dabei an, dass Kaufkraft aus anderen Kommunen in die jeweilige Kommune zufließt, ein Wert von unter 100 deutet auf einen Kaufkraftabfluss hin. Der Wert von 121,8 zeigt also an, dass Neuss Kaufkraft aus dem Umland zufließt. Und das trotz der unmittelbaren Nähe zur Landeshauptstadt Düsseldorf.

 

Steuereinnahmekraft und Realsteueraufbringungskraft

Neuss 2023, Steuereinnahmekraft

 

Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer

Neuss ist ein steuerstarker Standort. Das zeigt sich auch durch die Steuereinnahmekraft und die Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer. Die Steuereinnahmekraft in Neuss lag im Jahr 2022 bei etwas mehr als 2.000 Euro je Einwohner. Sie ist damit spürbar höher als im Rhein-Kreis Neuss und im Land. Sie liegt zudem auch über dem jeweiligen Wert der vergleichbaren Kommunen aus Nordrhein-Westfalen. Neuss gehörte auch im Jahr 2022 zu den 40 steuerstärksten Städten und Gemeinden in NRW und ist im Jahr 2022 ebenfalls wieder die steuerstärkste Kommune im IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein gewesen. Die Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer je Einwohner in Neuss lag im Jahr 2022 bei 1.083 Euro je Einwohner. Damit ist auch dieser Wert in Neuss höher als die Werte in NRW, im Rhein-Kreis und in allen drei Vergleichskommunen.

Die Steueraufbringungskraft je Einwohner (+28 Prozent) und die Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer je Einwohner (+27 Prozent) haben sich in Neuss seit 2016 jeweils deutlich gesteigert. Sowohl im Land als auch im Kreis und in den Vergleichskommunen im Land und am Mittleren Niederrhein war die Entwicklung 2016-2022 allerdings etwas stärker. Neuss hat ein gutes Niveau. Für weiteres Wachstum wären allerdings auch weitere freie Gewerbeflächen vonnöten.

 

Verschuldung

 Bruttoverschuldung

Die öffentliche Verschuldung in Neuss liegt unter dem NRW-Schnitt. Zum Stichtag 31.12.2022 lag die Bruttoverschuldung bei 1.822 Euro je Einwohner. Im Rhein-Kreis ist der Wert leicht höher als in der Stadt Neuss, auch in zwei der drei NRW-Vergleichskommunen werden höhere Werte erzielt. Noch besser sieht es bei den Kassenkrediten je Einwohner im Kernhaushalt aus. Hier liegt Neuss deutlichunter dem NRW-Schnitt und auch unter dem Durchschnitt im Kreis. Mit Blick auf die zurzeit steigenden Zinsen ist das ein wichtiger Indikator.

Realsteuerhebesätze

Hebesatz Grundsteuer (B) und Gewerbesteuerhebesatz

Nordrhein-Westfalen ist das Flächenland mit den höchsten Grund- und Gewerbesteuerhebesätzen. Beide Hebesätze sind in Neuss noch einigermaßen moderat. Der Grundsteuerhebesatz (B) liegt in Neuss mit 495 Punkten unter dem Durchschnitt der Vergleichskommunen aus Nordrhein-Westfalen und auch unter dem Schnitt der Kommunen im Rhein-Kreis Neuss. Der Gewerbesteuerhebesatz ist in Neuss mit 455 Punkten gemessen an den Hebesätzen der Kommunen am Mittleren Niederrhein und im Rhein-Kreis Neuss geringer. Von den Vergleichskommunen kommt mit Paderborn die steuerstärkste Kommune nach Neuss auf den günstigsten Hebesatz. Zudem: Gerade im nahen Kreis Mettmann haben mehrere Kommunen Gewerbesteuerhebesätze von unter 430 Punkten. Potenzial für Steigerungen gibt es daher mit Blick auf den Standortwettbewerb nicht.

 

 

 

2. Ergebnisse der Unternehmensbefragung

Um die Stärken und Schwächen des Wirtschaftsstandorts Neuss zu ermitteln, führte die Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein im Frühsommer 2023 eine Unternehmensbefragung durch, bei der knapp 300 Betriebe antworteten. Die Antwortenden repräsentieren dabei circa 16.000 Beschäftigte und damit knapp 20 Prozent der Beschäftigten am Arbeitsort Neuss. Vertreten sind Unternehmen aller Wirtschaftsbereiche.

Bei der Befragungsaktion bewerteten die Betriebe rund 40 Standortfaktoren unter zwei Gesichtspunkten: einmal hinsichtlich der Bedeutung (Wichtigkeit) für den eigenen Betrieb und einmal ihre Zufriedenheit mit dem jeweiligen Faktor. Die Bewertung wurde auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6 vorgenommen, wobei 1 eine Bewertung von sehr wichtig beziehungsweise sehr zufrieden darstellt und 6 für vollkommen unwichtig beziehungsweise sehr unzufrieden steht.

Die Ergebnisse werden im Folgenden aufgegliedert in Kategorien:

1. Harte Standortfaktoren
2. Innerstädtische Standortfaktoren
3. Kommunale Kosten und Leistungen
4. Arbeitsmarktrelevante Standortfaktoren

Zur Einordung der Ergebnisse werden die Zufriedenheitsbewertungen in Neuss zusätzlich mit den Ergebnissen der vorherigen Standortbefragungen am Mittleren Niederrhein seit Ende 2019 sowie mit den Ergebnissen in Neuss in der letzten Befragung im ersten Halbjahr 2019 verglichen.

2.1 Neuss

In der Befragung sollten die Unternehmer zunächst Neuss allgemein als Wirtschaftsstandort bewerten. Hierbei erhielt Neuss die Note 2,56. Bei vergangenen Standortanalysen der IHK Mittlerer Niederrhein seit 2019 lag die Durchschnittsnote bei 2,60. Mit dieser Bewertung schneidet Neuss also etwas besser ab als der Durchschnitt der Wirtschaftsstandorte am Mittleren Niederrhein in den letzten Jahren. Im Jahr 2019 waren die Unternehmen allerdings zufriedener und gaben die Durchschnittsnote 2,29.

Zufriedenheit nach Themenfeldern

Schaut man in die einzelnen Themenfelder und ihre Zufriedenheitsbewertungen, ergibt sich ein erster Einblick in die komparativen Stärken und Schwächen von Neuss im Vergleich mit den anderen Kommunen am Mittleren Niederrhein. Die verschiedenen Standortfaktoren werden insgesamt im Durchschnitt in Neuss mit der Zufriedenheit 3,24 bewertet. Das ist etwas schlechter als im Schnitt am Mittleren Niederrhein in den letzten Jahren (3,20). Besonders gut werden in Neuss die harten Standortfaktoren bewertet. Diese erhalten eine Durchschnittsnote von 3,03, am Mittleren Niederrhein nur die Note 3,20. Allerdings: Die kommunalen Kosten und Leistungen, die Arbeitsmarktfaktoren und die Innenstadtfaktoren werden in Neuss kritischer bewertet als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Dies ist insbesondere deswegen hervorzuheben, weil dieses Bild bei der vergangenen Standortanalyse im Jahr 2019 ein deutlich anderes war. Sowohl bei den kommunalen Kosten und Leistungen als auch bei den Arbeitsmarktfaktoren gaben die Unternehmen in Neuss bessere Bewertungen ab als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt.

Die 10 wichtigsten Standortfaktoren:

1. Informations- und Kommunikationsinfrastruktur
2. Verkehrsanbindung (Straßen- und Autobahnnetz)
3. Lokale Verfügbarkeit von Arbeitskräften
4. Qualifikation der lokalen Arbeitskräfte
5. Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes
6. Lernqualität an den Berufsschulen
7. Zustand der überörtlichen Straßeninfrastruktur
8. Energiekosten
9. Lernqualität an den allgemeinbildenden Schulen
10. Höhe öffentlicher Gebühren

Wie sich diese Bewertungen zusammensetzen und welche Standortfaktoren besonders für gute oder schlechtere Bewertungen in den Themenbereichen verantwortlich sind, ergibt sich aus der genauen Analyse der einzelnen Standortfaktoren im nächsten Kapitel. Die Auflistung gibt zunächst einen Überblick über die zehn insgesamt wichtigsten Standortfaktoren aus Sicht der Unternehmer in Neuss. Der insgesamt wichtigste Faktor ist die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. Auch die Verkehrsanbindung und die lokale Verfügbarkeit von Arbeitskräften gehören zu den Top-3-Faktoren. Des Weiteren spielen auch die Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes, die Energiekosten und die Lernqualität in den Berufsschulen eine wichtige Rolle für die Neusser Betriebe.

2.2 Bewertungen im Detail

Im Folgenden werden die einzelnen Standortfaktoren in den Themenfeldern im Hinblick auf ihre Bedeutung und die durch die Unternehmer gegebene Zufriedenheitsbewertung untersucht. Die Abweichung der Zufriedenheitsbewertung zum Mittleren Niederrhein wird anhand der Bewertungslücke (Differenz zwischen Note in Neuss und dem Schnitt des Mittleren Niederrheins seit 2019) gekennzeichnet. Eine große negative Lücke zeigt dabei an, dass die Bewertung in Neuss schlechter ist als am Mittleren Niederrhein.

Um auch die individuelle Entwicklung des Standorts zu berücksichtigen, werden die Zufriedenheitsbewertungen der aktuellen Umfrage in Neuss mit den Ergebnissen aus der letzten Befragung im Jahr 2019 verglichen. Da die Bewertungen damals nicht auf einer 6er-Skala, sondern auf einer 4er-Skala vorgenommen wurden, werden nun jeweils die Anteile der Antworten verglichen, die bezogen auf die jeweilige Skala überdurchschnittlich waren: also eine 1, 2 oder 3 auf der 6er-Skala beziehungsweise eine 1 oder 2 auf der 4er-Skala. Folglich wird nun der Anteil zufriedener Unternehmer aus der aktuellen Umfrage (Note 1, 2 oder 3) mit dem Anteil zufriedener Unternehmer in der letzten Umfrage im Jahr 2019 (Note 1 oder 2) verglichen, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse herzustellen.

2.2.1 Harte Standortfaktoren


Bewertung der harten Standortfaktoren Teil 1

 

Bewertung der harten Standortfaktoren Teil 2

 

Zufriedenheit mit IuK-Infrastruktur bleibt überdurchschnittlich hoch

Der wichtigste Standortfaktor in diesem Themenfeld ist die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (IuK-Infrastruktur). Sie umfasst sowohl die Breitbandinfrastruktur als auch den Mobilfunkempfang. Sie erhält von den Unternehmen in Neuss die Note 3,04. Die Bewertungslücke beträgt 0,19. Damit ist die Bewertung in Neuss höher als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Die Bewertung dieses Faktors hat sich, trotz gestiegener Anforderungen, seit der letzten Umfrage nicht verändert. Dies ist positiv zu bewerten, wenngleich daran deutlich wird, dass Anstrengungen auf diesem Gebiet auch weiterhin notwendig sein werden.

Gute Noten für die Verkehrsanbindung

Die nächsten wichtigen Faktoren in diesem Themenfeld beziehen sich auf die Verkehrsinfrastruktur. Mit einer Zufriedenheitsbewertung von 1,96 fällt die Note für die Verkehrsanbindung in Neuss sehr positiv aus. Der Zustand der überörtlichen Straßen wird mit 2,67 bewertet. Die Anbindung wird also insgesamt ähnlich gut bewertet wie am Mittleren Niederrhein. Bei der Bewertung des Straßenzustands wurde die Ablastung der Josef-Kardinal-Frings-Brücke noch nicht berücksichtigt. Ebenfalls positiv wird die Anbindung an den ÖPNV bewertet. Die Note von 2,84 ist deutlich besser als in vielen anderen Kommunen am Mittleren Niederrhein. Zwei weitere Anbindungsfaktoren, die Anbindung an Schienenwege und den Luftverkehr, werden von den meisten Unternehmen als weniger bedeutend betrachtet. Beide Standortfaktoren können aber natürlich von impulsgebenden Betrieben von existenzieller Bedeutung sein. Auch hier zeigt sich, dass die Neusser Unternehmen den Verkehrsstandort schätzen. Bei beiden Standortfaktoren werden im Vergleich zum Mittleren Niederrhein im Schnitt sehr gute Ergebnisse erzielt.

Energiekosten werden kritisch bewertet

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Unternehmen sind die Energiekosten. Sie werden mit 3,74 bewertet. Die Bewertung spiegelt die aktuelle Problematik, wie sie auch den Rest der Wirtschaft in Deutschland und in der Region betrifft. Die Bewertung hat sich seit 2018 entsprechend der aktuellen Lage deutlich verschlechtert. Dass die Bewertung in Neuss nun schlechter ist als am Mittleren Niederrhein, liegt vor allem daran, dass die Energiepreise aktuell besonders hoch sind, der Mittelwert für den Mittleren Niederrhein sich jedoch auf die durchschnittlichen Angaben der letzten vier Jahre bezieht. Dennoch ist die Betroffenheit höher als in vielen anderen Kommunen am Mittleren Niederrhein. Auch bei den Kommunen, die nach dem Kriegsbeginn zwischen Russland und der Ukraine bewertet wurden, nimmt Neuss eine Spitzenposition ein. Das zeigt, wie energieintensiv die lokale Wirtschaft ist.

Angebot an unternehmensnahen Dienstleistern erhält 2,92

Auch die räumliche Nähe zu Kunden sowie das Angebot an unternehmensnahen Dienstleistern haben eine vergleichsweise große Bedeutung für viele Unternehmer in Neuss. Und beide Standortfaktoren erhalten mit einer Bewertung von 2,57 beziehungsweise 2,92 eine Bewertung, die besser ist als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. Dies zeugt von einem guten Netzwerk der Neusser Betriebe.

Überdurchschnittliche Bewertung des Standortimages

Die Stadt Neuss ist überregional bekannt – nicht nur für das Brauchtum, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht, etwa durch den Hafen. Das Image und der Bekanntheitsgrad des Standorts werden mit 3,02 besser als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt bewertet. Die Bewertung hat sich seit 2019 etwas verschlechtert. Die Miet- und Pachtpreise und die Grundstückspreise werden etwa gleich kritisch bewertet wie am Mittleren Niederrhein. Beim Wohnungsangebot sieht man hingegen etwas bessere Bewertungen als am Mittleren Niederrhein.

Faktoren für nachhaltiges Wirtschaften mit überdurchschnittlicher Bewertung

Der Faktor „Möglichkeiten für nachhaltiges Wirtschaften am Standort“ wird erst seit 2021 mit erhoben, gehört jedoch aus Sicht der Neusser Unternehmen zu den wichtigeren unter den harten Standortfaktoren. Das nachhaltige Wirtschaften am Standort erhält jedoch mit der Bewertung von 2,97 eine Bewertung, die besser ist als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, wenngleich weniger bedeutsam, erhält mit einer 3,83 dagegen keine zufriedenstellende Note, obwohl diese immer noch besser als am Mittleren Niederrhein im Schnitt ist.

2.2.2 Innerstätische Standortfaktoren


Bewertung der innerstädtischen Standortfaktoren

 

Zustand des innerstädtischen Straßennetzes als wichtigster Innenstadtfaktor

Der wichtigste Standortfaktor in diesem Bereich ist der Zustand des innerstädtischen Straßennetzes. Mit der Bewertung von 3,09 gehört dieser Faktor immerhin zu den besser bewerteten in diesem Kapitel – die Bewertung ist auch in etwa im Schnitt der Gesamtregion. Passend dazu werden die innerstädtischen Straßenverhältnisse mit einer Bewertung von 2,93 überdurchschnittlich bewertet. Hier besteht sogar eine positive Bewertungslücke zum Mittleren Niederrhein.

Parkgebühren und Parkplatzangebot stoßen bei Neusser Betrieben auf Kritik

Anders als der fließende Verkehr erhalten die Möglichkeiten für den ruhenden Verkehr in Neuss keine gute Bewertung aus Kreisen der Unternehmer. Das Parkplatzangebot erhält eine Bewertung von 3,61 und wird damit deutlich schlechter bewertet als am Mittleren Niederrhein. Auch die Höhe der Parkgebühren wird mit einer Bewertung von 3,56 von den Unternehmen sehr kritisch beurteilt.

Sicherheit und Stadtbild: Die Unternehmen werden unzufriedener

Der zweitwichtigste Faktor, die Sicherheit im Stadtzentrum, wird mit 3,31 insgesamt weniger zufriedenstellend bewertet, wobei die Bewertung schlechter ausfällt als am Mittleren Niederrhein. In Neuss hat sich die Bewertung dieses Faktors seit 2019 zudem verschlechtert. Ein nahezu ähnliches Bild zeigt sich bei den Standortfaktoren Stadtbild (3,33) und Einkaufsmöglichkeiten / Branchenmix (3,45) – Verschlechterung gegenüber 2019 und höhere Unzufriedenheit als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Das Naherholungs- und Freizeitangebot sowie das kulturelle Angebot erhalten dagegen – nimmt man die weiteren Bewertungen aus diesem Themenbereich als Referenz – überdurchschnittlich gute Bewertungen. Beide Standortfaktoren werden allerdings von den Neusser Unternehmen als weniger wichtig betrachtet.

2.2.3 Kommunale Kosten und Leistungen

Bewertung der kommunalen Kosten und Leistungen

 

Gewerbesteuerhebesatz wichtigster Standortfaktor

Im Themenfeld der kommunalen Kosten und Leistungen ist die Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes für die Unternehmen der wichtigste Faktor. Er wird mit 3,69 schlechter bewertet als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Die Betriebe wissen, dass nur wenige kreisangehörige Kommunen am Mittleren Niederrhein einen höheren Hebesatz haben. Zudem ist Neuss steuer- und einnahmenstark. Nur aufgrund des höheren Ausgabenvolumens als in anderen Kommunen muss ein derart hoher Gewerbesteuerhebesatz erhoben werden. Auch der Grundsteuerhebesatz ist den Unternehmen wichtig. Er wird ebenfalls kritischer bewertet als am Mittleren Niederrhein. Auch die öffentlichen Gebühren erhalten eine kritische Bewertung.

Kommunale Leistungen werden schlechter bewertet als vor fünf Jahren

Bei den kommunalen Leistungen insgesamt schneidet Neuss etwas schlechter als der Mittlere Niederrhein ab. Auffällig ist: Bei allen Standortfaktoren ist das Ergebnis schlechter als vor fünf Jahren. Die Kommunikation mit der Kommunalverwaltung, Service und (Netzwerk-)Angebote der Wirtschaftsförderung sowie die Bestandspflege werden immerhin so bewertet wie am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Von allen Standortfaktoren in diesem Themenbereich erhält die Wirtschaftsförderung – trotz personeller Vakanzen in den vergangenen Monaten – die beste Bewertung.

Kritische Bewertung für Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren

Das zeigt, dass sich die Kritik eher an andere Ämter mit wirtschaftlichen Belangen richtet. Am kritischsten bewerten die Betriebe die behördlichen Reaktionszeiten sowie die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren. Diese beiden Standortfaktoren schneiden auch deutlich schlechter ab als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Die Erreichbarkeiten der Behörden werden ebenfalls mit 3,34 in Neuss schlechter bewertet als am Mittleren Niederrhein. Dieser Standortfaktor gehört zu den Faktoren mit der schlechtesten Entwicklung in den letzten fünf Jahren. Die Unternehmen nehmen eine verringerte Servicebereitschaft wahr.

2.2.4 Arbeitsmarktrelevante Faktoren

Bewertung der Arbeitsmarktfaktoren

Fachkräftemangel belastet Neusser Betriebe überdurchschnittlich stark

Im Themenfeld der arbeitsmarktrelevanten Standortfaktoren geht es vor allem um jene Faktoren, die die Bildung, Bindung und Akquise von Fachkräften beeinflussen. Am wichtigsten ist den Unternehmen hierbei die lokale Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie deren Qualifikation. Bei beiden Standortfaktoren sind die Unternehmerinnen und Unternehmer in Neuss kritischer als in der Gesamtregion. Das zeigt, dass die Neusser Unternehmen vom Fachkräftemangel überdurchschnittlich stark betroffen sind – sicherlich auch durch die unmittelbare Nachbarschaft zur Landeshauptstadt Düsseldorf.

Lernqualität an Berufsschulen und allgemeinbildenden Schulen schneidet weniger gut ab

Ein wichtiges Instrument, um den Fachkräftemangel mittelfristig zu lindern, ist die Lernqualität an Berufsschulen und allgemeinbildenden Schulen. Mit beiden Standortfaktoren sind die Betriebe weniger zufrieden – insbesondere bei der Lernqualität an allgemeinbildenden Schulen ist die Unzufriedenheit der Neusser Unternehmerinnen und Unternehmer höher als in der Gesamtregion. Dagegen erhalten das Weiterbildungsangebot, das Angebot an (Fach-)Hochschulen im Umkreis sowie die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf die besten Bewertungen in diesem Themenfeld. Alle drei Standortfaktoren werden in Neuss zudem besser beurteilt als am Mittleren Niederrhein im Schnitt.

 

 

 

 

3. Fazit und Handlungsempfehlungen

Die Analyse des Wirtschaftsstandorts Neuss zeigt, dass es sich um einen erfolgreichen Standort handelt: Dafür spricht, dass die Stadt steuerstark ist, der Einzelhandel Kaufkraft von außen anzieht und die Beschäftigung in den vergangenen Jahren spürbar gewachsen ist. Dennoch bleiben Herausforderungen: So liegt die Arbeitslosigkeit leicht über dem NRW-Schnitt. Mit dem Ernährungsgewerbe und der Aluminiumindustrie ist Neuss Standort für energieintensive Betriebe. Beide Branchen sind impulsgebend für den Wirtschaftsstandort. Inwieweit dies auch in Zukunft möglich sein wird, hängt auch von den energiepolitischen Entwicklungen auf Bundesebene ab.

Im Rahmen einer Unternehmensbefragung wird dieses Bild untermauert. Die Ergebnisse zeigen, dass Neuss mit einer Gesamtbewertung von 2,56 etwas besser als der Durchschnitt der Wirtschaftsstandorte am Mittleren Niederrhein abschneidet. Insbesondere die Bewertungen der harten Standortfaktoren sind besser als am Mittleren Niederrhein. Der Standort ist verkehrstechnisch gut angebunden – sowohl an überörtliche Straßen wie auch an Wasser- und Luftverkehr.

Kritischer als vor fünf Jahren werden die kommunalen Leistungen bewertet. Hier hat es bei fast allen abgefragten Standortfaktoren einen deutlichen Rückgang bei der Zufriedenheitsbewertung gegeben. Zudem fällt auf, dass die innerstädtischen Faktoren immer schlechter bewertet werden. Dies war vor neun Jahren noch eine Stärke von Neuss, heute ist die Bewertung deutlich schlechter als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Insbesondere das Parkplatzangebot und die Sicherheit in der Innenstadt sind Standortfaktoren, die ganz besonders im Fokus stehen.

Angesichts dieser Erkenntnisse fordert die Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein:

Projekte Erftsprung und Revierbahn realisieren

Um im Sinne der Nachhaltigkeit mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern, wirbt die IHK für das Projekt Erftsprung. Die Pläne sehen den Bau einer zusätzlichen Querung über den Erftkanal und drei neuer Straßenbrücken vor. Das würde die Leistungsfähigkeit der Logistik-Drehscheibe Neusser Hafen enorm steigern und wäre im Kontext der weiteren Infrastrukturprojekte, wie der Revierbahn, ein wichtiger Baustein zur Stärkung der Region im Strukturwandelprozess. Deswegen sollten beide Projekte vorangetrieben werden.

Neusser Hafen sichern

Der Neusser Hafen ist ein bedeutender Standort für trimodale Logistik und wichtige Industrien wie die Ernährungsindustrie. Die überdurchschnittliche Bedeutung dieser beiden Branchen in Neuss ist insbesondere auf den Hafen zurückzuführen. Dort sollten weiterhin vorrangig Flächen für Industrie- und Logistikbetriebe reserviert werden. Nachnutzungen von aufgegebenen Flächen im Hafen müssen sich an der besonderen Funktion des Hafens orientieren. Bei Planungen innerhalb des Hafens und in dessen Umfeld müssen die Funktion des Hafens und seine Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig beachtet werden. Sie dürfen sich weder tatsächlich noch rechtlich nachteilig auf den Hafen auswirken. Hafenanlieger sind bei Entwicklungen frühzeitig beteiligen, bevor Entscheidungen getroffen werden.

Keine vermeidbaren Verzögerungen bei der Frage zur Instandsetzung oder zum Neubau der Kardinal-Frings-Brücke

Die angekündigte Ablastung der Josef-Kardinal-Frings-Brücke zwischen Neuss und Düsseldorf auf 30 Tonnen bereitet Sorgen. Schließlich ist die überörtliche Verkehrsinfrastruktur eigentlich eine Stärke des Wirtschaftsstandorts. Es werden zwei wichtige, vom Schwerlastverkehr abhängige Hafenstandorte in Neuss und Düsseldorf getrennt. Die erneute Ablastung einer Brücke führt zu immer längeren Ausweichstrecken und steigenden Kosten für die Betriebe. Bereits jetzt gelten Ablastungen im Bereich der B7 im linksrheinischen Düsseldorf und der Theodor-Heuss-Brücke sowie Durchfahrtsbeschränkungen von Tunneln. Höhere Verkehrsmengen belasten somit die wenigen verbleibenden Brücken im zusätzlichen Maße. Der bauliche Zustand der im konkreten Fall genannten Ausweichempfehlung Fleher Brücke (BAB 46) ist bekanntermaßen schlecht. Ob die Brücke unter dem zu erwartenden Mehrverkehr bis zur Fertigstellung eines Neubaus in Betrieb gehalten werden kann, kann bezweifelt werden. Eine zügige und schnelle Entscheidung für eine Instandsetzung oder einen Neubau der Josef-Kardinal-Frings-Brücke liegt daher im Interesse aller. Es darf hier trotz des Übergangs der Straßenbaulast in das Bundesvermögen nicht zu vermeidbaren Verzögerungen kommen.

Landesgartenschau ist Chance für Stärkung der weichen Standortfaktoren

Perspektivisch dürfte die Ausrichtung der Landesgartenschau im Jahr 2026 zu einer Attraktivierung der weichen Standortfaktoren führen. Die IHK Mittlerer Niederrhein begrüßt die Entscheidung der Landesregierung, der Stadt Neuss den Zuschlag für die Austragung zu geben. Die Ausrichtung der Landesgartenschau ist für den Wirtschaftsstandort Neuss und darüber hinaus eine große Chance – sie wird das Standortimage stärken und mehr Gäste in die Stadt bringen, weswegen wir die Bewerbung der Stadt unterstützt haben. Bei der Umsetzung sollte die Neusser Wirtschaft mitgenommen werden.

Innenstadt: Parkflächen müssen vorhanden sein

Sehr positiv ist, dass die Stadt Neuss ein neues Leitbild für die Innenstadt vorgelegt hat. Angesichts der wachsenden Unzufriedenheit mit der Innenstadt ist dies ein richtiges Vorgehen. Es berücksichtigt die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche und zukunftsfähige Innenstadt. Geklärt werden sollte, inwieweit eine autofreie Altstadt zu Problemen bei den ortsansässigen Unternehmen führen kann. Auch können zentrale Lieferservices und Abgabe-/Packstationen für Einkäufe das Besucheraufkommen steuern und lenken. Zentrales Parken und kurze Wege sind für Kunden/Besucher nach wie vor ein wichtiges Kriterium. Ausreichend Parkflächen sollten zumindest im näheren Umfeld des Hauptzentrums vorhanden bleiben. Schon heute wird das Parkplatzangebot kritisch bewertet. Beim Vorhaben, Gewerbeflächen in Erdgeschossen umzunutzen, präferieren wir Pop-up-Stores, Alternativnutzungen (Mixed Use), Shared Spaces, Kulturzentren und ähnliches. Ein unbürokratischer Umgang der Kommune mit Nutzungsänderungsanträgen für Komplementärnutzungen kann Abhilfe schaffen. Es muss zudem viel Überzeugungsarbeit bei den Eigentümern geleistet werden, und man sollte diese in den Planungsprozess einbeziehen.

Wichtige innerstädtische Straßen müssen ihren Zweck im innerstädtischen Verkehrssystem weiter erfüllen

Die innerstädtischen Straßenverhältnisse gehören im Vergleich zu den anderen Oberzentren in der Region eher zu den Standortvorteilen. Dies muss so bleiben. Es muss sichergestellt werden, dass die Straßen in der Innenstadt weiterhin ihren Zweck im innerstädtischen Verkehrssystem erfüllen können. Auswirkungen von Verkehrsberuhigungen müssen regelmäßig gemonitort werden. Die ansässigen Geschäftsleute sollten in die Abfrage einbezogen werden, um die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Folgen abschätzen und negative Auswirkungen vermeiden zu können. Eine weitere Einschränkung der Befahrbarkeit und Haltemöglichkeit für den motorisierten Verkehr, insbesondere innerhalb der üblichen Geschäftszeiten, können die Gewerbetreibenden nicht akzeptieren.

Haushaltslage kritisch – Entwicklung von Gewerbeflächen vorantreiben – Steuern nicht weiter erhöhen

Verschlechtert hat sich zuletzt die Lage des kommunalen Haushalts der Stadt Neuss – und das insbesondere auf der Ausgabenseite. Gemessen an den hohen Steuereinnahmen ist der Schuldenstand ausgesprochen hoch. Zudem lebt die Stadt in der Eigenkapitalentwicklung weiter von der Substanz der Vergangenheit und auf Kosten der Entwicklungsmöglichkeiten der nächsten Generationen. Es ist daher positiv, dass die Stadt im Rahmen des Haushaltskonsolidierungspakets angekündigt hat, 100 Hektar Gewerbeflächen entwickeln und insbesondere steuerstarke Unternehmen gewinnen zu wollen. Das fordert die IHK seit vielen Jahren. Die hohe Steuereinnahmekraft und die gute Beschäftigung sind auch darauf zurückzuführen, dass die Stadt in der Vergangenheit noch Flächen für Betriebe bereitstellen konnte. Der positiven Botschaft, dass man steuerstarke Unternehmen für Neuss gewinnen möchte, müssen nun auch Taten folgen. Zuletzt wurde eher eine restriktive Politik gefahren. Schließlich hat die Stadt ein mögliches interkommunales Gewerbegebiet am Silbersee aufgegeben und ist zudem auch die Erweiterung des Gewerbegebiets Neuss-Derikum nicht angegangen. Damit steuerstarke Unternehmen für den Standort gewonnen werden können, braucht es aber auch wettbewerbsfähige Hebesätze. Es war daher ebenfalls ein gutes Signal, dass der Grundsteuerhebesatz nicht – wie zunächst geplant – erhöht wurde. Auch in der Zukunft sollte die Stadt die Hebesätze stabil halten.

Kommunale Leistungen: Verlässliche Verfahren schaffen!

Die Zufriedenheit mit den kommunalen Leistungen ist im Vergleich zur Vorumfrage zurückgegangen. Besonders deutlich war dies bei der Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren. Der Wirtschaftsstandort bleibt nur dann erfolgreich, wenn die gesamte Verwaltung und nicht nur die Wirtschaftsförderung wirtschaftsfreundlich arbeitet. Deswegen sollte die Stadtverwaltung verlässliche Verfahren schaffen, um die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren zu reduzieren. Zudem sollte die Verwaltung Serviceversprechen gegenüber den Unternehmern definieren und publizieren, an denen sie sich dann messen kann.