IHK stellt Standortanalyse Grevenbroich vor

IHK stellt Standortanalyse Grevenbroich vor
© IHK Mittlerer Niederrhein

Stand: 05.08.2024

Grevenbroicher Unternehmen geben ihrem Wirtschaftsstandort die Note 2,98. Insgesamt zeigt sich bei der Bewertung einzelner Standortfaktoren und der Analyse wirtschaftsrelevanter Zahlen der Stadt ein ambivalentes Bild. Das sind wesentliche Ergebnisse der Standortanalyse für die Stadt Grevenbroich, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein im Bernardussaal vorgestellt hat. „Bei unserer Unternehmensumfrage schneiden wichtige Faktoren, wie die überörtliche Straßeninfrastruktur und die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, gut ab“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Allerdings zeigen die amtlichen Daten deutlich, vor welchen Herausforderungen Grevenbroich angesichts des Strukturwandels steht.“ Die Standortanalyse basiert auf der Auswertung amtlicher Statistiken und einer Unternehmensumfrage der IHK aus diesem Jahr.

Zum 30. Juni 2023 haben in Grevenbroich insgesamt knapp 22.200 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gearbeitet – 11 Prozent mehr als 1999. Im Rhein-Kreis Neuss und im Land Nordrhein-Westfalen war das Wachstum im gleichen Zeitraum größer. „Dies liegt vor allem daran, dass die Beschäftigung in Grevenbroich seit 2021 zurückgegangen ist“, sagte Gregor Werkle, Leiter Wirtschaftspolitik bei der IHK Mittlerer Niederrhein. In den Branchen Bergbau und Energieversorgung sind in den vergangenen zehn Jahren bereits 44 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut worden. Diese Verluste konnten lange Zeit durch den deutlichen Beschäftigungsaufbau im Verarbeitenden Gewerbe, im Baugewerbe und bei den Dienstleistern aufgefangen werden, in den vergangenen Jahren aber eben nicht mehr. „Das ist nicht auf die Qualität des Standorts zurückzuführen, sondern auf die Entscheidung der Bundesregierung, aus der Braunkohle auszusteigen“, so Werkle. Dieser Strukturwandel wird aus Sicht der IHK noch andauern. Schließlich weist der Bereich „Bergbau und Energieversorgung“ weiterhin einen Beschäftigungsanteil von 9,7 Prozent aus.

Beim Vergleich wichtiger volkswirtschaftlicher Indikatoren Grevenbroichs mit Kommunen ähnlicher Größe, dem Rhein-Kreis und dem Land NRW zeigen sich ebenfalls sowohl positive Aspekte als auch einige Herausforderungen: Der Arbeitsmarkt ist in Grevenbroich stabil – die Arbeitslosenquote ist im Vergleich zum Rhein-Kreis insgesamt niedrig, der Rückgang der Arbeitslosenzahlen war in den vergangenen Jahren größer als in den vergleichbaren Kommunen. Mit einem Wert von 101,5 liegt die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Grevenbroich leicht über dem bundesdeutschen Durchschnitt (100). Die Zentralitätskennziffer (103,9) zeigt, dass Grevenbroich sogar Kaufkraft aus den umliegenden Kommunen anziehen kann. „Von den Kommunen ähnlicher Größe im IHK-Bezirk hat nur der Handelsstandort Kaarst eine höhere Zentralitätskennziffer“, betonte Werkle.

Nur unterdurchschnittlich ist in Grevenbroich die Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer je Einwohner. „Die Gewerbesteuereinnahmen waren in der Stadt schon immer sehr volatil, allerdings lag die Gewerbesteueraufbringungskraft je Einwohner zuletzt viermal in Folge unter dem NRW-Schnitt“, erläuterte Werkle „Früher war Grevenbroich dagegen eher gewerbesteuerstark. Es ist eine Herausforderung für die Stadt, diesen Trend umzukehren.“

Ähnlich ambivalent wie die Ergebnisse aus der amtlichen Statistik sind die Resultate der Unternehmensbefragung. Dabei haben rund 140 Grevenbroicher Unternehmen den Standort insgesamt sowie mehr als 40 Standortfaktoren mit einer Schulnote zwischen 1 und 6 bewertet. „Das Urteil für den Standort insgesamt fällt mit einer Bewertung von 2,98 etwas schwächer aus als der Durchschnitt der Wirtschaftsstandorte am Mittleren Niederrhein in den vergangenen Jahren“, erklärte Steinmetz. Die verschiedenen Standortfaktoren wurden in Themengebiete gegliedert: Harte Standortfaktoren, Kommunale Kosten und Leistungen, Innerstädtische Standortfaktoren und Arbeitsmarktfaktoren. „Das Themengebiet der harten Standortfaktoren, bei denen es um Infrastruktur sowie Miet- und Grundstückskosten geht, wird in Grevenbroich besser bewertet. Das ist für den Strukturwandelprozess erst einmal eine sehr gute Voraussetzung“, betonte Steinmetz.

Der wichtigste Standortfaktor ist die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (IuK). Sie umfasst die Breitbandinfrastruktur und den Mobilfunkempfang. Diesem Faktor geben die Unternehmen in Grevenbroich die Note 2,90. Das ist eine bessere Bewertung als am Mittleren Niederrhein im Schnitt und auch deutlich besser als bei der vergangenen Umfrage im Jahr 2019. „Hier hat die Stadtverwaltung einen guten Job gemacht“, erklärte Steinmetz. Auch die Verkehrsanbindung an das Straßen- und Autobahnnetz ist für die Unternehmen ein sehr wichtiger Standortfaktor. Er wird mit der Note 2,04 bewertet.

Weniger als Standortstärke werden von den Unternehmen die Innenstadt beziehungsweise die innerörtlichen Standortfaktoren gesehen. In diesem Themenfeld werden alle Faktoren schwächer bewertet als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. „Die Innenstadt ist so etwas wie die Visitenkarte eines Wirtschaftsstandorts. Dank seiner Lage hat Grevenbroich das Potenzial, noch wesentlich stärker Kaufkraft aus dem Umland zu ziehen als es die Daten zeigen“, so Steinmetz. Das Stadtbild erhält die Note 3,47.Die Sicherheit in der Innenstadt wird mit einer 3,39 bewertet – und damit spürbar schlechter als bei der Vorumfrage.

Darüber hinaus sind viele Unternehmen mit den kommunalen Kosten und Leistungen unzufrieden. In den vergangenen Jahren wurde der Grundsteuerhebesatz stark angehoben, sodass er inzwischen zu den höchsten in der Region gehört. Auch mit dem Gewerbesteuerhebesatz sind die Unternehmen unzufrieden. „Das hängt auch damit zusammen, dass sie mit den Leistungen immer unzufriedener werden“, sagte Steinmetz. Die Bestandspflege, die Erreichbarkeit, die behördlichen Reaktionszeiten und die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren werden kritisch und deutlich schwächer bewertet als bei der Vorumfrage. Der IHK-Hauptgeschäftsführer empfiehlt der Kommune, sich dem zertifizierten RAL-Prozess „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ zu stellen. „Das gibt der Kommune die Möglichkeit, zu erfassen, welche Bereiche weitere Potenziale haben, um die Wirtschaftsfreundlichkeit weiter zu erhöhen. Gerade mit Blick auf die Herausforderungen des anstehenden Strukturwandels sollte man diese Chancen nutzen“, so Steinmetz.

Mit Blick auf die Arbeitsmarktfaktoren stellte Steinmetz heraus, dass die Mehrheit der Unternehmen davon ausgeht, dass Grevenbroich das Potenzial für ein ansprechendes Wohnumfeld hat. Das ist für die Mitarbeitenden bei der Arbeitgeberwahl ein wichtiger Faktor. Dennoch ist der Fachkräftemangel – abzulesen an der lokalen Verfügbarkeit von Fachkräften – stärker als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. „Das bereitet mir Sorgen“, betonte er. Gut ausgebildete Fachkräfte sind grundlegend für einen gelingenden Strukturwandel.“

In der anschließenden Diskussion bedankte sich Bürgermeister Klaus Krützen herzlich für die wertvollen Hinweise auf Verbesserungspotenziale: „Ich schätze die Anregungen sehr und werde sie sorgfältig prüfen. Wir sind bestrebt, unsere Stadt in sämtlichen Bereichen immer weiter zu verbessern.“ Der Unternehmer Lars Burmester (bm Hörtechnik) betonte auch Pluspunkte des Standorts: „Grevenbroich ist sehr gut an die Nachbarschaft und die Natur in der Umgebung angebunden. Man kann wunderbar mit dem Fahrrad etwa von Schloss Dyck aus in die Stadt kommen.“ Gleichzeitig appellierte er an die Stadtverwaltung, die Weiterentwicklung der Innenstadt strategischer und vor allem gemeinsam mit den ansässigen Einzelhändlern und Dienstleistern voranzutreiben: „Mehr Kommunikation und mehr Miteinander wären schön.“ Krützen betonte die Bedeutung der Innenstadtentwicklung für das gesamte Stadtbild: „Die Entwicklung unserer Innenstadt ist ein wesentlicher Bestandteil, um auf den gesellschaftlichen Wandel zu reagieren. Wir steigern die Aufenthaltsqualität und stärken das Sicherheitsgefühl unserer Bürger, um den lokalen Handel zu unterstützen und attraktiv zu gestalten. Und das können auch die Bürgerinnen und Bürger tun, indem sie weniger im Internet und mehr vor Ort einkaufen.“

Mit Blick auf den Strukturwandel betonte der IHK-Hauptgeschäftsführer, wie wichtig es sei, dass im Regionalplan vorgesehene Gewerbeflächen vor Ort auch tatsächlich realisiert werden – auch gegen Widerstände. „Nur so können sich neue Unternehmen ansiedeln und vorhandene Betriebe entwickeln.“ Krützen sagte dazu: „Die Realisierung der im Regionalplan vorgesehenen Gewerbeflächen ist entscheidend für die Ansiedlung neuer Unternehmen und die Weiterentwicklung bestehender Betriebe. Durch die vielen Herausforderungen bleiben wir engagiert und entschlossen, diese Ziele zu erreichen.“ In diesem Zusammenhang wurden von Seiten der Unternehmen schnellere Reaktionszeiten und eine ausgeprägtere Dienstleistungsmentalität der Bauverwaltung eingefordert.

Die mögliche Ansiedlung eines Microsoft-Rechenzentrums in Grevenbroich nannte Steinmetz eine „große Chance“. Krützen äußerte sich optimistisch: „Die Verhandlungen laufen vielversprechend und wir erwarten in den nächsten Monaten konkrete Ergebnisse. Die Umstellung von Kohle auf Digitalisierung bietet uns eine enorme Chance, die sich auch auf den Wohnraumbedarf bis 2029 auswirkt. Wir benötigen 4000 Wohnungen. Dazu kommen Straßen und andere Infrastruktur. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam diese Herausforderung meistern.“

Bildtext: Sie diskutierten die Ergebnisse der Standortanalyse Grevenbroich (v.l.): Bürgermeister Klaus Krützen, Moderatorin Beate Kowollik, IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz und der Unternehmer Lars Burmester.               Foto: IHK