Pauschalreiserichtlinie – Für Vermittler
Um was geht es?
Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie
Das "neue" Reiserecht ist ab dem 1. Juli 2018 in Deutschland anzuwenden. Die Vorschriften zum Pauschalreiserecht sind in den §§ 651 a-y BGB und Art. 250 ff. EGBGB geregelt. Sie sind zwingend, das heißt zum Nachteil des Reisenden darf nicht davon abgewichen werden. Hier werden die Rechte und Pflichten der Vertragspartner, angefangen von dem Vertragsschluss über Haftung und Gewährleistung, Leistungs- und Preisänderungen, Insolvenzschutz und Informationspflichten, geregelt. Das seit 2018 geltende Reiserecht beinhaltet darüber hinaus Vorschriften zu Online-Angeboten (verbundene Online-Buchungsverfahren, § 651 c BGB) und Regelungen zur Vermittlung von verbundenen Reiseleistungen (§ 651 w BGB). Das Reiserecht soll insgesamt z.B. durch erweiterte Informationspflichten den Verbraucherschutz stärken und dient der „Vollharmonisierung“, das heißt der Erstellung einheitlicher Reglungen in den EU-Mitgliedstaaten. Im Zusammenhang mit der durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 11.03.2020 abgegebenen Erklärung zur COVID-19-Pandemie ist insbesondere die Auslegung der Vorschrift des § 651 h BGB und die damit verknüpfte Frage, wann man von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe ausgehen darf, in den Fokus der Veranstalter, der Reisenden und von gerichtlichen Entscheidungen gerückt. Folge kann ein entschädigungsloses Rücktrittsrecht des Reisenden (§ 651 h III BGB) sein. Schließlich wurde im Zuge der COVID-19-Pandemie ersichtlich, dass die bestehenden Regelungen zur Insolvenzsicherung im Pauschalreiserecht ungenügend sind. Mithilfe des neuen Reisesicherungsfondsgesetz, das von der Bundesregierung im Juni 2020 beschlossen wurde und im Juni 2021 verabschiedet wurde, soll diese zulasten der Pauschalreisenden existierende Lücke geschlossen werden.
Wer ist betroffen?
Reisevermittler sind von den Regelungen des seit dem 01.07.2018 geltenden Reiserechts star betroffen
Die Vorschriften der §§ 651 a ff. BGB betreffen die Anbieter von Pauschalreisen, die Reisevermittler, § 651 V BGB sowie die Vermittler von verschiedenen Arten von Reiseleistungen als verbundene Reiseleistung, § 651 w BGB. Bislang wurde im Reisevertrieb nur zwischen der Vermittlung einer Pauschalreise und der Vermittlung von einzelnen Reiseleistungen unterschieden.
Vermittler werden selbst zum Reiseveranstalter, wenn sie mehrere Leistungsbestandteile eigenständig kombinieren und als „Paket“ zu einem Gesamtpreis anbieten („Eigenveranstaltung“). Vermittler können auch unbeabsichtigt wie ein „Quasi-Veranstalter“ zur Haftung herangezogen werden, wenn sie bei der Vermittlung mehrerer verschiedener Reiseleistungen (sog. verbundene Reiseleistungen) nicht ihren Verpflichtungen aus §§ 651 w II, III BGB nachkommen. Bei der Vermittlung von nur einer Leistung (z.B. der Vermittlung einer Übernachtung) ändert sich nichts. Im Internet-Vertrieb mit den verbundenen Online-Verfahren, § 651 c BGB (sog. Click-through-Buchung) gibt es eine Erweiterung des Begriffs der Pauschalreise.
Der Vermittler einer Pauschalreise, § 651 v BGB ist neben dem Reiseveranstalter zur Beachtung vorvertraglicher Informationspflichten verantwortlich. Veranstalter und Vermittler haften gesamtschuldnerisch bei Verletzung dieser Informationspflichten. Der Vermittler von verbundenen Reiseleistungen benötigt eine eigene Insolvenzabsicherung, wenn Zahlungen vom Kunden an den Vermittler fließen.
Grundbegriffe
Vermittlung von Pauschalreisen und verbundenen Reiseleistungen
Die Vorschriften des Pauschalreiserechts finden Anwendung, wenn mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise gebündelt werden. Gemäß § 651 a III 1 BGB gibt es folgende Reiseleistungen:
Die Vorschriften des Pauschalreiserechts finden Anwendung, wenn mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise gebündelt werden. Gemäß § 651 a III 1 BGB gibt es folgende Reiseleistungen:
- Beförderung von Personen (Flug, Schiff, Bus, Bahn). Ausnahme hier: Durch den Unternehmer angebotene kürzere Transfers im Rahmen einer Hotelübernachtung fallen nicht darunter, denn es handelt sich hierbei um eine unbedeutende Nebenleistung)
- Beherbergung
- Vermietung von bestimmten Kraftfahrzeugen sowie von Krafträdern
- Jede sonstige touristische Leistung, die nicht unter (1) bis (3) erfasst ist und die kein Bestandteil einer anderen Reiseleistung ist. Dazu gehören z.B. Stadtführungen, Skipässen, Eintrittskarten in Theater oder Wellnessbehandlungen.
Ausnahmeregelung hier: Es handelt sich nicht um eine Pauschalreise, wenn nur eine der Reiseleistung der Nummern (1) bis (3) (also Personenbeförderung, Beherbergung, Vermietung von Kraftfahrzeugen bzw. Krafträdern) mit einer oder mehreren touristischen Leistungen (4) zusammengestellt wird und die touristischen Leistungen keinen erheblichen Anteil am Gesamtwert der Zusammenstellung (weniger als 25 Prozent) ausmachen und auch kein wesentliches Merkmal der Zusammenstellung darstellen oder als solches beworben werden.
Werden Begriffe wie z.B. „Musicalreise“ oder Wellnessarrangement“ in der werblichen Kommunikation mit dem Kunden verwendet, wird das Angebot automatisch zur Pauschalreise und auch so behandelt, da die touristische Leistung als wesentliches Merkmal beworben wurde.
Bucht der Gast die touristische Leistung erst nachdem die Reiseleistung erbracht wird (z.B. nach Ankunft im Hotel wird eine Wellnessbehandlung dazu gebucht) führt dies nicht zur Anwendung des Reiserechts (§ 651 a IV 1 Nr. 2 BGB).
Der Reisende ist der Vertragspartner des Reiseveranstalters. Er kann die Reiseleistungen selbst in Anspruch nehmen, er kann den Vertrag aber auch für andere Teilnehmer abschließen.
Der Reisende muss keine Privatperson sein, vielmehr ist nach den neuen Regelungen auch der Unternehmer im Sinne des § 14 BGB vom Anwendungsbereich des Reiserechts erfasst (Geschäftsreisen), sofern er nicht über einen Rahmenvertrag bucht. Auch „Incentive-Reisen“ fallen unter das Reiserecht, es sei denn es existiert ein zuvor geschlossener Rahmenvertrag zwischen Veranstalter und Unternehmer.
§ 651 a II 1 Nr.1 BGB stellt klar, dass es egal ist, ob der Reisende ein schon „fertiges“ Paket bucht oder aber die Reiseleistungen auf Wunsch des Reisenden zusammengestellt werden.
Nicht unter das Reiserecht fallen Anbieter von Tagesreisen (weniger als 24 h / keine Übernachtung), außer der Reisepreis pro Person ist höher als 500 Euro (z.B. Tagesbusreise inklusive Eintritt für Museum). Außerdem sind Veranstalter, welche Reisen nur gelegentlich, nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung durchführen und nur einem begrenzten Teilnehmerkreis anbieten, ausgenommen (z. B. die einmal im Jahr organisierte Vereinsreise für dessen Mitglieder). Die gewerbliche Vermarktung von Ferienwohnungen oder Ferienhäusern als Einzelleistung fällt ebenfalls nicht mehr unter das Reiserecht. Hier gilt dann das klassische Mietrecht (§ 535 BGB).
Seit dem 01.07.2018 neu ist die Kategorie der verbundenen Reiseleistungen. Vermittler verbundener Reiseleistungen wird der Unternehmer dann, wenn er für den Zweck derselben Reise dem Reisenden zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen vermittelt. Die unterschiedlichen Arten von Reiseleistungen werden unter § 651 a III BGB (s.o.) aufgeführt.
§ 651 w BGB nennt dabei zwei Konstellationen: § 651 w I 1 Nr.1 BGB setzt voraus, dass die Buchung der verschiedenen Reiseleistungen im Rahmen eines einzigen Besuchs in der Vertriebsstelle des Unternehmers oder bei einem alleinigen Kontakt mit einer solchen Stelle erfolgt. Wichtig dabei ist, dass der Vermittler nachweisen kann, dass der Reisende die Leistungen getrennt ausgewählt und sich zur Zahlung verpflichtet hat. Deshalb sollte für jede einzelne vermittelte Leistung eine separate Bestätigung und Rechnung erstellt werden.
Der Bezahlvorgang kann nach deutschem Recht aber einheitlich erfolgen, d.h. der Kunde muss nur einen Gesamtbetrag überweisen oder nur einmal eine EC-Zahlung autorisieren.
§ 651 w I 1 Nr. 2 BGB erläutert die zweite Konstellation der Vermittlung von verbundenen Reiseleistungen. Hier ist es so, dass nach der Buchung einer Einzelleistung die andere Art von Reiseleistung innerhalb von 24 Stunden nach Bestätigung des ersten Vertragsschlusses gezielt vermittelt wird. Eine Vermittlung in gezielter Weise liegt dann nicht vor, wenn der Unternehmer den Reisenden lediglich mit einem anderen Reisenden in Kontakt bringt.
Beispiele
Vermittler wird zum Veranstalter
Der Vermittler wird selbst zum Reiseveranstalter, wenn er die Übernachtung mit einem weiteren eigenständigen Leistungsbestandteil kombiniert und als Paket anbietet. Für ihn gilt dann das Pauschalreiserecht. "Wunschgemäß bieten wir Ihnen die Übernachtung im Einzel- oder Doppelzimmer pro Person und den Mietwagen zum Preis von xx Euro an."
Vermittler verbundener Reiseleistungen, § 651 w l 1 Nr. 1 BGB
Im Zusammenhang eines einzigen Kontakts mit der Buchungsstelle (persönlich, telefonisch oder per E-Mail) fragt der Kunde die Vermittlung von zwei Leistungen für den Zweck derselben Reise an (z. B. die Hotelreservierung und einen Mietwagen vor Ort). Der Vermittler bestätigt beide Leistungen gesondert:
„Wunschgemäß bestätigen wir Ihnen die vermittelte Übernachtung im Hotel (genaue Bezeichnung und Anschrift) zum Preis von….xx Euro.“
Dann folgt als gesondertes Schreiben:
„Wunschgemäß bestätigen wir Ihnen die Vermittlung des Mietwagens, Marke … bei dem Anbieter (genaue Bezeichnung und Anschrift) zum Preis von xx EUR.“
Er ist damit zum Vermittler „verbundener Reiseleistungen“ im Sinne von § 651 w i ! Nr. 1 BGB geworden.
Vermittler verbundener Reiseleistungen, § 651 w I 1 Nr. 2 BGB
Dem Kunden wird eine Flugbuchung vermittelt. In diesem Zusammenhang wird der Kunde durch das Reisebüro auf Ferienunterkünfte vor Ort durch Übergabe eines Katalogs aufmerksam gemacht. Der Kunde meldet sich kurz darauf später per Mail beim Reisebüro und bittet um Buchung einer Unterkunft. Die Buchung wird noch am gleichen Tag durch E-Mail vom Reisebüro bestätigt. Der Unternehmer ist damit zum Vermittler „verbundener Reiseleistungen“ im Sinne des § 651 w I 1 Nr.2 BGB geworden.
Wenn der Vermittler die zweite Leistung, wie etwa den Mietwagen, die Unterkunft oder die Konzertkarten anlässlich eines späteren, weiteren Kontaktes mit dem Kunden vermittelt, so entsteht weder eine Pauschalreise und noch eine verbundene Reiseleistung, sondern es handelt sich um die Vermittlung von zwei Einzelleistungen.
In Abgrenzung zu der Vermittlung von verbundenen Reiseleistungen im Sinne des § 651 w BGB, die auch über Online-Portale stattfinden kann ist die Vorschrift des § 651 c BGB (Verbundenen Online Buchungsverfahren) zu beachten. Hier wird der Kunde von einem Onlineanbieter zum nächsten weitergereicht. (Z.B. ein Link auf der Web-Seite eines Anbieters, wo der Kunde eine Leistung bucht, verweist auf die Web-Seite eines weiteren Anbieters, z.B. von einem Beförderungsunternehmen (Bahn, Flug) zu einer Mietwagengesellschaft. Wenn innerhalb von 24 Stunden nach Buchungsbestätigung der ersten Reiseleistung ein weiterer Vertrag zwischen dem Reisenden und dem anderen Unternehmen bestätigt wird, wobei der erste Unternehmer den Namen, die Zahlungsdaten und die E-Mail-Adresse an den anderen Unternehmer weitergeleitet hat, ist ebenfalls von einer Pauschalreise auszugehen. Der erste Unternehmer wird dann zum Reiseveranstalter und trägt das Haftungsrisiko. Die einzelnen Leistungen werden zu einer Pauschalreise zusammengefasst.
In diesem Fall hat der Anbieter der ersten Leistung das Formblatt nach Art. 250 § 4 EGBGB Anlage 13 auszuhändigen und eine Vertragsbestätigung mit den Pflichtangaben nach Art. 250 § 6 i 2 EGBGB.
Konsequenzen
Was bedeutet dies in der Praxis für den Vermittler von Pauschalreisen und den Vermittler verbunder Reiseleistungen?
Bei der Vermittlung verbundener Reiseleistungen ist eine eigene Insolvenzversicherung notwendig, wenn für die vermittelten Leistungen Zahlungen vom Kunden entgegengenommen werden oder der Vermittler eine Art von Reiseleistung selbst zu erbringen verspricht. Möchte der Vermittler verbundener Reiseleistungen also keinen eigenen Insolvenzschutz anbieten, darf der Vermittler selbst keine vertragliche Verpflichtung selbst übernehmen und es dürfen die Leistungen der vermittelten Unternehmer nur im Direktinkasso bezahlt werden, also vom Kunden direkt an den Leistungsträger. Außerdem sind bei der Vermittlung verbundener Reiseleistungen die Informationspflichten (§ 651w Absatz 2 BGB, Artikel 251 EGBGB) zu berücksichtigen: Der Kunde muss vor Vertragsabschluss über die vermittelte Leistung(en) das zutreffende Formblatt erhalten. Dem Kunden soll deutlich gemacht werden, dass er gerade keine Pauschalreise gebucht hat (Warnfunktion!).
Vermittler von Pauschalreisen haben die gleichen Informationspflichten gegenüber dem Kunden wie der Reiseveranstalter. Da die Informationen bezüglich der zu vermittelnden Reise in der Regel nur dem Veranstalter vorliegen, muss der Ver-mittler darauf achten die entsprechenden Informationen vom Veranstalter zu erhalten. Wer welche Informationen an den Reisenden übermittelt, sollte zwischen Reiseveranstalter und Reisevermittler geklärt sein.
Zusätzlich zu den Informationspflichten über Zielort, Anzahl der Übernachtungen, Reiseroute, Transportmittel, Unterkunft, Mahlzeiten etc. ist auch zu informieren über die Sprache, in der Leistungen erbracht werden, wenn dies für die Reise von Belang ist (z.B. Führungen, Ausflüge, Besichtigungen) oder auch darüber, inwieweit die Reise für Menschen mit eingeschränkter Mobilität geeignet ist. Außerdem ist der Kunde (jeglicher Nationalität!) vor der Buchungsannahme über die gültigen Einreisebestimmungen und die ungefähren Fristen zur Visumserlangung zu unterrichten.
Schließlich muss der Vermittler von Pauschalreisen sicherstellen, dass dem Kunden das richtige Formblatt (Anlage 11 zu Artikel 250 § 2 I EGBGB) übergeben wird, welches den Kunden über seine Rechte als Verbraucher bei der Buchung einer Pauschalreise informiert.
Zahlungen auf den Reisepreis darf der Vermittler einer Pauschalreise nur entgegennehmen, wenn sichergestellt ist, dass dem Kunden der Sicherungsschein übergeben wurde.
Der Vermittler von einzelnen Reiseleistungen, die nicht als verbundene Reiseleistungen gelten, muss darauf achten, seinen Vermittlerstatus deutlich zu kenn-zeichnen und die Identität des vermittelten Leistungsträgers (vollständiger Name, Anschrift) bereits in der Bewerbung seiner Angebote kenntlich zu machen. Nimmt der Vermittler Zahlungen entgegen, muss dem Kunden unmissverständlich klar sein, dass dies für den vermittelten Leistungsträger geschieht. Eine eigene Insolvenzabsicherungspflicht trifft ihn nicht.
Zum 01. Juli 2021 ist das Reisesicherungsfondsgesetz (RSG) zur Neustrukturierung der Insolvenzsicherung für Reiseveranstalter und Vermittler verbundener Reiseveranstalter (nachfolgend: Reiseveranstalter) im Rahmen des Pauschalreiserechts (§ 651r BGB) in Kraft getreten. Die Neuregelung wurde notwendig, da die Insolvenz der Thomas Cook-Tochtergesellschaften als auch der Rückzug der Insolvenzversicherungen aus dem Markt aufgrund der COVID-19- Pandemie vor Augen führten, dass die Haftungsbegrenzung von 110 Millionen Euro zulasten der Reisenden geht. Ab dem 01. November 2021 soll grundsätzlich ein Fond die Insolvenzsicherung für Reiseveranstalter für das darauffolgende Geschäftsjahr übernehmen, sofern ein Reiseveranstalter im letzten Geschäftsjahr über 10 Millionen Euro Umsatz aus Pauschalreisen generiert hat. Hierzu muss als „Eintrittskarte“ ein Entgelt an den Reisesicherungsfonds (bis 2027 mind. ein Prozent des Jahresumsatzes) entrichtet werden und zusätzlich über Kundengeldabsicherer ein Teil des Umsatzes (mind. 5 Prozent des Jahresumsatzes) individuell abgesichert werden. Reiseveranstalter, die im letzten Geschäftsjahr unter 10 Millionen Euro Umsatz aus Pauschalreisen generiert haben, können für das darauffolgende Geschäftsjahr wie bisher individuell über Absicherer (Versicherungen; Kreditinstitute) die Kundengelder absichern. Der Verzicht auf eine Anzahlung entbindet nicht per se von der Pflicht zum Abschluss einer Insolvenzsicherung. Sofern eine Rückbeförderung enthalten ist, ist eine Insolvenzsicherung auch hier Pflicht.
Vor Reiseantritt können sowohl der Reiseveranstalter (§ 651 h IV, Nr. 2 BGB), als auch der Reisende (§ 651 h I BGB) wegen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen kündigen. Nach Reiseantritt kann nur noch der Reisende nach der allgemeinen Vorschrift § 651 l III BGB kündigen. Im Zuge der COVID-19-Pandemie und der Vielzahl an erklärten Rücktritten von Reiseverträgen, sowohl kunden- aber auch veranstalterseits, lag ein großer Schwerpunkt auf den Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Vorschrift. Grundsätzlich steht dem Reiseveranstalter gemäß § 651 h I 3 BGB im Fall des Rücktritts vor Reisebeginn eine angemessene Entschädigung zu. Lediglich ausnahmsweise dann, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe außergewöhnliche unvermeidbare Umstände auftreten, die die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen, entfällt gemäß § 651 h III 1 BGB der Entschädigungsanspruch. Die Beweislast für diesen Ausnahmefall trägt in diesem Fall der Reisende, wenn er sich hierauf berufen möchte. Ob mithin von außergewöhnlichen unvermeidbaren Umständen am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe auszugehen ist, die einen kostenlosen Rücktritt ermöglichen, bestimmt sich anhand der objektiven Lage im Zeitpunkt der Rücktritts- oder einer etwaigen Kündigungserklärung. Eine amtliche Reisewarnung entfaltet regelmäßig eine Indizwirkung für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes. Ansonsten bedarf es einer gewissen Wahrscheinlichkeit für eine höhere Gesundheitsgefährdung am Bestimmungsort. Hinweis Neuregelung der Insolvenzsicherung: Reisesicherungsfondsgesetz (RSG) Hinweis Keine direkten Auswirkungen für den Vermittler verbundener Reiseleistungen Keine Teilnahmepflicht am Fond Hinweis Kostenloses Rücktrittsrecht des Reisenden im Zeitalter von COVID-19 kontrovers Hinweis Kostenloses Rücktrittsrecht lässt den Provisionsanspruch des Vermittlers entfallen.
Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass im Falle eines „übereilten“ Rücktritts in aller Regel eine Entschädigung gemäß § 651 h I 3 BGB anfällt. Daran ändert sich auch nichts, wenn sich im Nachhinein eine Betroffenheit der späteren Reise von außergewöhnlichen Ereignissen ergibt und sich der Rücktritt ex-post darauf stützen ließe. Die entrichteten Stornogebühren könnte der Kunde nicht zurückverlangen. Auch sogenannte vorsorgliche „Angststornos“ sollen nach der überwiegenden Rechtsauffassung nicht zum kostenlosen Rücktrittsrecht des Reisenden führen. Ist also weder eine Reisewarnung ausgesprochen noch das Zielgebiet von der Epidemie betroffen und mangelt es auch an einer gewissen Wahrscheinlichkeit, so stellen rein subjektive Unwohl- und Angstgefühle des Reisenden vor einer Krankheit keinen außergewöhnlichen Umstand nach § 651 h III BGB dar.
Der Reiseveranstalter kann dann wie üblich Stornogebühren bei einem Reiserücktritt verlangen. Er muss aber die Höhe der Entschädigung auf Nachfragen des Reisenden begründen. Die Stornosätze sollen den konkreten individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Reiseveranstalters und dessen Reisearten angepasst sein.
In der Praxis
Selbsttest zur Überprüfung der richtigen Anwendung des Reiserechts als Reisevermittler
- Sind Sie mit Ihren Angeboten oder Teilen Ihrer Angebote selbst als Pauschalreiseveranstalter oder Vermittler verbundener Reiseleistungen einzustufen oder gelten Sie als reiner Vermittler von Pauschalreisen und Einzelleistungen?
- Möchten Sie sich selbst nicht in die Veranstalterrolle begeben, achten Sie darauf, dass Sie weder online noch im Reisebüro stationär einen „Warenkorb“ anbieten.
- Stellen Sie als Vermittler verbundener Reiseleistungen immer getrennte Bestätigungen und Rechnungen aus. Der Bezahlvorgang kann einheitlich erfolgen. Überprüfen Sie den Buchungsprozess am Counter, am Telefon, auf Ihrer Homepage, also überall dort, wo Verträge abgeschlossen werden. Trennen Sie die Buchungsschritte so, dass dem Gast unmissverständlich klar ist, dass er mehrere Verträge mit verschiedenen Leistungsträgern abschließt.
- Bei der Vermittlung verbundener Reiseleistungen sind die Informationspflichten nach § 651w Absatz 2 BGB, Artikel 251 EGBGB zu beachten. Informieren Sie sich, welche Formblätter Sie bei der Vermittlung von verbunden Reiseleistungen dem Vertragsschluss zu Grunde legen müssen.
- Schließen Sie eine Insolvenzversicherung ab, falls Sie als Vermittler verbundener Reiseleistungen Zahlungen für die vermittelten Leistungsträger entgegennehmen.
- Wenn Sie Vermittler von Pauschalreisen sind, überprüfen sie, ob die Produktbeschreibung der betroffenen Angebote den erweiterten Informationspflichten nach Art. 250 EGBGB gerecht wird! Die Angebotsbeschreibung muss in sämtlichen Medien, wo abschließende Buchungen durch den Kunden möglich sind (Print, Online) den Informationspflichten entsprechen.
- Klären Sie mit den Reiseveranstaltern, wer den Kunden über die Reise umfassend informiert und wer das Formblatt Anlage 11 zu Artikel 250 § 2 I EGBGB übergibt.
- Prüfen Sie: Sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Reiseveranstalter ausreichend und entsprechen dem aktuellen Recht? Das Gleiche gilt für den Inhalt der Buchungsbestätigung.
- Dokumentieren Sie die Buchungsverläufe. Sie haben später die Nachweispflicht, dass Sie sowohl die AGB als auch die entsprechenden Formblätter dem Vertragsschluss wirksam zu Grunde gelegt haben.
Zusammenfassung
Vermittler können nach den neuen Vorschriften nicht in die Rolle des Reiseveranstalters gezwungen werden. Wichtig ist eine klare strategische Abgrenzung der eigenen Vermittlungstätigkeit und ein korrektes Vorgehen. Zur Erfüllung der neuen Vorgaben ist eine umfassende Einarbeitung in die komplexe Materie notwendig. Die Unternehmen der Tourismuswirtschaft müssen sich rechtzeitig mit dem neuen Recht befassen, da es für alle Verträge, die ab dem 01.07.2018 geschlossen werden, gilt. Die Einführung des neuen Reiserechts ist insofern gleichzeitig auch eine Chance, sich am Markt neu zu positionieren, seine Unterlagen eingehend zu prüfen und ggf. den aktuellen Gegebenheiten anzupassen.