Hilfslieferungen in die Türkei: Zollabwicklung
Unternehmen und Organisationen, die Hilfslieferungen in die Erdbebengebiete senden möchten, haben zoll- und transportrechtliche Vorschriften zu beachten. Für die zollrechtliche Abwicklung können verschiedene Verfahrensvereinfachungen genutzt werden.
Zollrechtliche Formalitäten
Ausfuhr von Hilfsgütern aus der EU
Vor der Versendung von Hilfslieferungen mit Unionswaren (Waren, die sich in der EU zollrechtlich im freien Verkehr befinden) ist zu prüfen, ob es sich bei den Hilfsgütern um Waren handelt, die Verboten oder Beschränkungen. Unter anderem gehören dazu bestimmte Arzneimittel, die Betäubungsmittel sind.
Waren sind genehmigungspflichtig
Soweit die Waren oder Teile der Sendung genehmigungspflichtig sind, ist zwingend eine Zollanmeldung für das zweistufige Ausfuhrverfahren in Deutschland zu nutzen.
Erläuterungen zur Ausfuhr in einen Nicht-EU-Staat:
Alle Waren sind vor der Ausfuhr bei der örtlich zuständigen deutschen Ausfuhrzollstelle elektronisch in das zweistufige Ausfuhrverfahren zu überführen (1. Stufe). Anschließend sind die Waren bei den Ausgangszollstellen an den EU-Außengrenzen zum Ausgang zu gestellen und die Ausfuhrdokumente (z.B. das Ausfuhrbegleitdokument) bzw. die Registriernummer (MRN = Movement Reference Number) sind vorzulegen (2. Stufe).
Für die Abgabe einer elektronischen Zollanmeldung ist eine EORI-Nummer erforderlich. Diese dient der Registrierung und Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten. Eine EORI-Nummer ist bei genehmigungspflichtigen Ausfuhren immer erforderlich, sofern eine Ausfuhrgenehmigung beim BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) beantragt beziehungsweise in Anspruch genommen wird. Bereits ab Antragstellung auf Erteilung einer EORI-Nummer ist die Abfertigung möglich.
Sofern Unternehmen nicht selbst über die Möglichkeit verfügen, eine elektronische Anmeldung in ATLAS abzugeben, können sie damit zum Beispiel auch eine im Außenhandel tätige Person (z.B. Spediteur, Zolldeklarant) beauftragen. Sie kennt die Verfahrensregelungen zum zollrechtlichen Ausfuhrverfahren und die technischen Voraussetzungen für das Senden und Empfangen von Nachrichten im IT-System ATLAS-Ausfuhr.
Vereinfachung Sammelnummern
Hilfslieferungen umfassen in der Regel unterschiedlichste Warenarten, für die normalerweise die jeweils einschlägigen, unterschiedlichen Zolltarifnummern in die Zollanmeldungen einzutragen sind. Um diesen Prozess zu vereinfachen, können Unternehmen in der Zollanmeldung verschiedene Güter (z.B. Nahrungsmittel, Hygieneartikel, Medikamente) in einer gemeinsamen Zolltarifnummer (sogenannte Sammelnummer) zusammenfassen.
Die entsprechende Zolltarif-Sammelnummer lautet 9919 0000 und umfasst „für Organisationen der Wohlfahrtspflege bestimmte Waren und für Katastrophenopfer bestimmte Waren“. Eine Genehmigung durch das Statistische Bundesamt ist für die Verwendung dieser Sammelnummer nicht erforderlich. Waren, die Verboten und Beschränkungen unterliegen, sind hiervon ausgenommen.
Bei nicht kommerziellen Hilfslieferungen, die kommerziellen Lieferungen beilgelegt werden („Mischsendungen“), wird empfohlen, im zweistufigen Ausfuhrverfahren zwei getrennte Zollanmeldungen abzugeben. Zudem empfehlen wir, getrennte Packstücke zu verwenden, einmal für den kommerziellen Teil der Sendung und einmal für den nicht kommerziellen Hilfsgüterteil der Sendung. Dies hilft dem Zoll sowohl bei der Anmeldung bei der Ausfuhrzollstelle in Deutschland als auch bei der Abfertigung an der Ausgangszollstelle an der EU-Außengrenze, die Waren schneller zu identifizieren und zuzuordnen.
Waren sind nicht genehmigungspflichtig
Nichtkommerzielle Hilfslieferungen und auch Sendungen von kommerziellen Gütern, einschließlich solcher mit hoher humanitärer Priorität (beispielsweise zum Verkauf bestimmte Medikamente), bis 1.000 Euro beziehungsweise bis 1.000 Kilogramm können grundsätzlich auch im einstufigen Ausfuhrverfahren direkt an der Ausgangszollstelle mündlich zur Ausfuhr angemeldet und gestellt werden. Damit die mündliche Ausfuhranmeldung an den Ausgangszollstellen der EU-Grenzen möglichst reibungslos abgewickelt werden kann, ist eine Aufstellung der enthaltenen zu versendenden Waren vorzulegen. Laut Information der deutschen Zollverwaltung können Waren, die unmittelbar aus Deutschland ausgeführt werden (z. B. im Flugverkehr), unabhängig vom Wert mündlich bei der deutschen Ausgangszollstelle (Flughafenzollstelle) angemeldet werden.
Achtung: Güter, die Verboten und Beschränkungen unterliegen, sind von der mündlichen Zollanmeldung ausgenommen.
Transport
Internationaler Straßengüterverkehr: CEMT-Genehmigungen
Unternehmen, die auf eigene Rechnung einen Hilfstransport in die Krisenregion organisieren wollen, müssen (auch wenn es sich um Hilfsgüter handelt) das CEMT-Genehmigungsverfahren beachten. Das Kapitel „Türkei“ aus dem „Handbuch des internationalen Güterkraftverkehrs“ des DSLV ist als Anlage beigefügt. CEMT-Genehmigungen für Hilfstransporte in die Türkei sind nach § 2 Abs. 1 GüKKostV kostenfrei. Vgl. GüKKostV 1998 - Kostenverordnung für den Güterkraftverkehr (gesetze-im-internet.de)
Aufgrund einer Ausnahmeregelung von türkischer Seite sind für Hilfssendungen aus der EU jedoch aktuell keine türkischen Transportgenehmigungen oder CEMT-Genehmigungen erforderlich. Unternehmen können sich bei der Einreise in die Türkei auf den "Code 10" berufen, der die "Beförderung von Medikamenten, medizinischer Ausrüstung und anderen Hilfsgütern in Notfällen, insbesondere bei Naturkatastrophen" von der Genehmigungspflicht befreit. Es sollte dringend ein Nachweis mitgeführt werden, mit dem belegt werden kann, dass Hilfsgüter befördert werden.
LKW-Maut
In Deutschland besteht grundsätzlich eine Ausnahme von der Mautpflicht für Hilfsgütertransporte für Fahrzeuge, die von gemeinnützigen oder mildtätigen Organisationen zur Beförderung von humanitären Hilfsgütern, die der Linderung einer Notlage dienen, eingesetzt werden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Bundesfernstraßenmautgesetz).
Laut Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM, früher Bundesamt für Güterverkehr, BAG) kann diese Ausnahme auch auf private Initiativen zur Versorgung der Bevölkerung im Zusammenhang mit einer akuten humanitären Katastrophe angewendet werden, wenn folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Aufruf von Hilfsorganisationen, Vereinen, Städte, Gemeinden und / oder Kirchen zu Lebensmittel- und Sachspenden für die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten
- Die Lebensmittel- und Sachspenden werden an Sammel- und Verteilungsstellen geliefert, die diese im Rahmen gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke an die notleidende Bevölkerung verteilen
Empfehlung: Übergeben Sie die Sendungen in der Türkei an die genannten Koordinierungsstellen. Reisen Sie nicht selbst in die Katastrophengebiete
Versicherung
Es wird empfohlen, mit dem Versicherer oder Versicherungsmakler zu klären, ob für die jeweilige Situation ein ausreichender Versicherungsschutz besteht.
Einfuhr von Hilfsgütern in die Türkei
Das türkische Zoll- und Handelsministerium hat am 7. Februar 2023 Hinweise zum Import von Hilfsgütern in die Türkei veröffentlicht:
Güter des täglichen Bedarfs und andere Güter, die in die Türkei eingeführt werden, um kostenlos an die durch das Erdbeben geschädigten Personen verteilt zu werden, unterliegen keinen Zöllen und formalen Zollanmeldungen, wenn die Empfänger öffentliche gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen sind. Hierunter fallen unter anderem:
- AFAD
- Ankara Sosyal Yardımlaşma ve Dayanışma Vakfı
- Şanlıurfa Sosyal Yardımlaşma ve Dayanışma Vakfi
- Kahramanmaraş Sosyal Yardımlaşma ve Dayanışma Vakfı
- Adıyaman Sosyal Yardımlaşma ve Dayanışma Vakfı
- Adana Sosyal Yardımlaşma ve Dayanışma Vakfı
- Hatay Sosyal Yardımlaşma ve Dayanışma Vakfı
- Diyarbakır Sosyal Yardımlaşma ve Dayanışma Vakfı
Den türkischen Zollstellen sind die Transportdokumente (falls vorhanden) vorzulegen sowie eine Warenaufstellung wie folgt:
INFORMATIONEN ZUM VERKEHRSMITTEL/BEFÖRDERUNG |
INFORMATIONEN ÜBER EINGEHENDE LADUNG | |||||||||
Landverkehr: Herkunftsland des LKW, Nummernschild; Seeverkehr: Name des Schiffs und der Reederei Luftverkehr: Flugnummer |
Informationen zur Ware: | |||||||||
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Abwicklung der Hilfslieferungen an den türkischen Zollstellen
- Ankunft LKW/PKW (Firmen / Privatpersonen) an türkischer Grenze
- Fahrer informiert die türkische Zollstelle, dass es sich bei der Lieferung um Spenden/Hilfsgüter handelt. Die schriftliche Hilfsgüterliste muss an die türkische Zollverwaltung übergeben werden
- Die türkische Zollverwaltung begleitet die LKW/PKW zur AFAD-Einheit, die an den türkischen Zollstellen platziert sind
- Die Hilfsgüter und Spenden werden von AFAD-Team anhand der Liste kontrolliert und angenommen. Die Hilfspakete werden auf die AFAD-Transportfahrzeuge geladen und anschließend in die Katastrophengebiete transportiert. Der Weitertransport in die Katastrophengebiete mit EU-Fahrzeugen oder lokalen Fahrzeugen ist auch möglich, aber dafür sind nur LKW zur Weiterfahrt zugelassen. Das muss vor Ort mit AFAD abgesprochen bzw. koordiniert werden.
Dies gilt an allen türkischen Zollstellen
Spenden
Geldspenden
Grundsätzlich sind Geldspenden bei humanitären Katastrophen hilfreich, da die vor Ort tätigen Hilfsorganisationen am besten abschätzen können, was in welcher Menge benötigt wird.
Die AHK Türkei informiert umfassend über die Möglichkeiten, für die Erdbebenopfer in der Türkei zu spenden. Sie hat zahlreiche Informationen darüber zusammengetragen, was bei Spendenaktionen zu beachten ist. Auch das Deutsche Zentralinstituts für Soziale Fragen (DZI), das das Spendensiegel vergibt, liefert Hinweise auf besonders förderungswürdige Hilfswerke und Tipps zum sicheren Spenden.
Sachspenden
Mit Unterstützung der DIHK und der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) hat zudem der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) folgende Informationen hinsichtlich der praktischen Durchführung von Hilfslieferungen in die Türkei zusammengestellt:
Laut Botschaftsangaben vom 2. März werden inzwischen vor allem provisorische Unterkünfte, Medikamente, medizinische Geräte sowie Anlagen zur Wasseraufbereitung benötigt. Informationen darüber, welche materielle Hilfe genau gebraucht wird und wie Unternehmen gezielt helfen können, erteilen das türkische Generalkonsulat und die türkische Botschaft in Berlin. Beide Institutionen bitten um schriftliche Anfragen an konsulat.berlin@mfa.gov.tr beziehungsweise botschaft.berlin@mfa.gov.tr. Telefonische Rückfragen sind unter +49 30 27898034 möglich.
Eine Liste aller türkischen Generalkonsulate in Deutschland finden Sie auf der Website des Auswärtigen Amtes