Bürokratieabbau: Unsere Positionen

Bürokratieabbau: Unsere Positionen
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Die überbordende Bürokratie ist für einen Großteil der Betriebe am Mittleren Niederrhein und auch darüber hinaus eine enorme Belastung.

WIR FÜR SIE:

Wir möchten Ihre Interessen vertreten. Dazu brauchen wir Ihren Beitrag.

Wo sehen Sie unnötige Bürokratie? Welche Prozesse laufen zu kompliziert ab? Wo wünschen Sie sich einen höheren Digitalisierungsgrad? Sagen Sie uns, welche unnötige Vorschrift oder welcher umständliche Workflow Sie belastet. Melden Sie Ihr Beispiel – egal, ob Ihre Kommune, der Bund, das Land oder die EU verantwortlich ist – unter:

wirtschaftspolitik@mittlerer-niederrhein.ihk.de

Wir werden regelmäßig mit Ihren Beispielen auf die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf allen Ebenen zugehen.

Positionspapier

In unserem Positionspapier skizzieren wir unsere Überzeugungen und Leitlinien für den Bürokratieabbau aus Sicht der Wirtschaft:

Unsere Leitlinien:

Effiziente Verwaltung: Eine effiziente, serviceorientierte und kostensparende Verwaltung ist von grundlegender Bedeutung. Bürokratische Prozesse sollten auf das notwendige Maß beschränkt sein und die Wirtschaftstätigkeit nicht unnötig behindern. Grundpfeiler einer effizienten Verwaltung ist ein hohes Maß an Serviceorientierung, schnelle Entscheidungsfindung, die Vermeidung von Redundanzen, Digitalisierung aller wiederholenden Prozesse und eine transparente und lösungsorientierte Kommunikation. Zudem: Auch die Verwaltungen leiden unter Fachkräftemangel. Immer neue Regelungen führen zu einem Exekutivproblem. Das gilt auch für Bewilligungsbehörden bei Fördermitteln. Ein Staat, der Regeln nicht kontrollieren oder Fördermittelanträge nicht bearbeiten kann, ist kein funktionierender Staat. Deswegen müssen bei neuen Regelungen und bürokratischen Auflagen auch die Grenzen der staatlichen Organe berücksichtigt werden.

Konzentration auf den Mittelstand: Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat unserer regionalen Wirtschaft. Daher sollte der Bürokratieabbau vorrangig auf die Bedürfnisse dieser Unternehmen zugeschnitten sein. Insbesondere KMU verfügen oft nur über begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen. Die Bewältigung komplexer bürokratischer Anforderungen erfordert Zeit und Geld. Zudem fehlt KMU häufig der Zugang zu spezialisierten Beratungsunternehmen, um komplexe rechtliche und bürokratische Bedarfe zu verstehen und zu erfüllen. Hohe und immer höhere Bürokratiekosten können entscheidende Punkte im internationalen Wettbewerb sein, das Geschäft aufgeben zu müssen. Wir möchten, dass sich Geschäftsführer im Mittelstand wieder mehr mit Zukunftsstrategien, Beschäftigungsaufbau, Strukturwandel und Transmission und weniger mit immer neuer Bürokratie beschäftigen können.

Digitalisierung fördern: Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen, der Einsatz von künstlicher Intelligenz und die bessere Vernetzung der unterschiedlichen Behörden sind zentrale Hebel für den Bürokratieabbau oder -vereinfachung. Es müssen Schnittstellen auf Plattformen entwickelt werden. Das erleichtert die Kommunikation zwischen Unternehmen und Behörden. Zudem erhoffen wir uns dadurch eine erhebliche Beschleunigung der Abläufe der Verwaltung, aber auch bei der Wirtschaft selbst und damit kürzere Bearbeitungszeiten für alle. Durch die bessere Nachverfolgbarkeit erhöht sich auch die Transparenz. Zudem spart dies langfristig Kosten sowohl bei der Verwaltung als auch bei den Unternehmen.

Klare Regelungen und Planungssicherheit schaffen: Gesetze, Verordnungen und Vorschriften sollten klar und verständlich formuliert sein, um Missverständnisse und unnötige bürokratische Hemmnisse zu vermeiden. Dazu gehören verständliche Formulierungen, die Vermeidung von Widersprüchen und die regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung von Vorschriften. Bei der Formulierung neuer Regelungen ist es ratsam, mit den betroffenen Stakeholdern einen Konsens zu erzielen, insbesondere die Wirtschaft und Unternehmen. Zudem benötigen die Unternehmen langfristige Planungssicherheit. Sich ständig ändernde Regelungen, z.B. nach Wahlen, verunsichern die Wirtschaft und sorgen für Investitionszurückhaltung. Dies gilt gleichermaßen auch für die Bürokratie bei staatlichen Fördermitteln. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen werden durch die kurze Frist zwischen dem Beschluss und dem Inkrafttreten von Gesetzen, die für sie relevant sind, stark belastet. Außer in absoluten Notlagen sollte es hier Fristen von mindestens sechs Monaten geben, damit die Unternehmerinnen und Unternehmer die Strukturen in ihren Unternehmen tatsächlich schaffen können und die neuen Gesetze mit dem notwendigen Vorlauf umsetzen können.

 „One in, one out“ als Mindeststandard konsequent anwenden: Angesichts des aktuellen hohen Bestands an bürokratischen Auflagen ist zunächst eine deutliche Reduzierung anzustreben. Anschließend sollte das „One-in, one-out“-Prinzip konsequent angewendet werden. „One in, one out” (Oioo) wirkt nur zum Teil: Beschließt die Bundesregierung eine Regelung, die die Wirtschaft belastet, muss sie, um die Oioo-Regel einzuhalten, an anderer Stelle eine gleich hohe Entlastung schaffen. Dieses Verfahren wird von der Bundesregierung grundsätzlich so eingesetzt, dass punktuell die Zunahme von Bürokratie gebremst werden kann. Allerdings kann nicht verhindert werden, dass die Regulierungen in bestimmten Branchen noch zunehmen und dass die wachsende Gesamtbelastungen der Unternehmen mit Bürokratie noch immer eines der drängendsten Probleme der Unternehmen darstellt. Die in den Ministerien durchgeführten Schätzungen von Be- und Entlastungen spiegeln dabei die tatsächlich anfallenden Kosten oftmals nicht angemessen wider. Auch die Ausnahmen von „One in, one out“ für die Umsetzung von EU-Recht und die Nichtberücksichtigung von einmaligem Erfüllungsaufwand führen zu realitätsfernen und damit nicht berücksichtigten Belastungsschätzungen. Die Bundesregierung sollte „One in, one out“ konsequent und umfassend anwenden. Die „One in, one out“-Regel ist nur wirkungsvoll, wenn die tatsächlichen unternehmerischen Kosten vollständig und realistisch geschätzt, EU-Recht einbezogen und belastende Verwaltungsvorschriften sowie der einmalige Erfüllungsaufwand berücksichtigt. 

EU-Richtlinien bei Umsetzung in deutsches Recht nicht weiter verschärfen: Wir fordern, dass EU-Richtlinien im Rahmen der Umsetzung in deutsches Recht möglichst eins zu eins übernommen werden. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine weitere Verschärfung der Anforderungen an Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb des EU-Binnenmarktes gefährdet. Das schwächt den Wirtschaftsstandort.

Wir unterstützen u.a. folgende konkrete Maßnahmen:

Erleichterung der Photovoltaik-Anmeldung bei der Bundesnetzagentur: Gerade für mittelständische Unternehmen liegt in der Nutzung selbst erzeugter Energien ein großes Potenzial, um von fossilen Energieträgern unabhängig zu werden und die eigene Energieversorgung nachhaltig zu sichern. Bei der Installation eigener Energieversorgungsanlagen stoßen viele Betriebe jedoch auf bürokratische Hindernisse. Ein Beispiel ist die Photovoltaik-Anmeldung bei der Bundesnetzagentur. Daten, die bereits beim Stromnetzbetreiber vorliegen, werden vom Erbauer einer Photovoltaik-Anlage erneut abgefragt. Wie die Praxis zeigt, wird der Anmeldeprozess hierdurch nicht nur aufwendig, sondern auch fehleranfällig. Um beides zu vermeiden und Unternehmen sowie die Bundesnetzagentur zu entlasten, sollte der Netzbetreiber die notwendigen Daten direkt an die Bundesnetzagentur melden.

Entschlackung des Genehmigungsrechts bei Investitionen in Elektrolyseure und Produktions- oder Feuerungsanlagen, die Wasserstoff einsetzen: Neben dem Ausbau der Solar- oder Windkraftenergieerzeugung ist es ebenfalls wichtig, die Produktion und Nutzung von Wasserstoff zu entbürokratisieren. Derzeit bestehen Hürden im Genehmigungsrecht bei Investitionen in Elektrolyseure und Produktions- oder Feuerungsanlagen, die Wasserstoff einsetzen. So klagen die Unternehmen über Rechtsunsicherheit aufgrund fehlender Verwaltungsvorschriften, insbesondere im Störfallrecht. Dies verzögert in vielen Fällen die Genehmigungsverfahren. Damit kleinere Anlagen von langwierigen Genehmigungsverfahren befreit werden und Betreiber großer sowie kleiner Anlagen mehr Rechtssicherheit erhalten, sollten unter anderem Schwellen zur Genehmigung und Umweltprüfung definiert werden.

Beschleunigung von Baugenehmigungs- und Anlageverfahren: Damit Unternehmen schneller bauen können und so an neuen oder erweiterten Standorten zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, sind Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Möglich wird dies beispielsweise, indem für alle Antragsverfahren Fristen zur Entscheidung der Behörden eingeführt werden oder indem ein Nachreichen von Unterlagen ermöglicht wird. Oder die Einführung eines automatischen Eingangsbelegs zusammen mit der Information, bis wann die Angelegenheit erledigt sein wird. Die Anzahl an Nachforderungen durch die genehmigende Behörde ist zu begrenzen.

Vereinfachung der Einnahme-Überschuss-Rechnung: Im Steuerrecht belastet beispielsweise die "Einnahme-Überschuss-Rechnung" (EÜR) die Betriebe. Mit der EÜR können Kleinstunternehmen (Gewinn weniger als 60.000 Euro und Umsatz weniger als 600.000 Euro jährlich) ihren Gewinn ermitteln. Für steuerliche Zwecke müssen sie jedoch ein standardisiertes Formular (Anlage EÜR) verwenden, das so komplex ist, dass es ohne externe Expertenhilfe meist nicht ausfüllbar ist. Vereinfachungen können beispielsweise erreicht werden, wenn spezielle Daten in einer Anlage beziehungsweise per elektronischer Verlinkung abgefragt werden. Gleichzeitig profitieren auch die Finanzverwaltungen von einer einfacheren EÜR. Zudem sollte geprüft werden, ob die Grenzwerte für die EÜR erhöht werden können.

Optimierung der Einfuhrumsatzsteuer: Die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer sollte beispielsweise mit der "Verrechnungsmethode" optimiert werden. Bislang entrichten Importeure zunächst die Steuer und erhalten die Erstattung im Rahmen der Umsatzsteueranmeldung teilweise erst Wochen später. Hier sollten europäische Möglichkeiten so genutzt werden können, dass die Einfuhrumsatzsteuer erst im Zuge der Umsatzsteuer-Voranmeldung verrechnet wird. Ergänzend sollte kurzfristig auf die Verknüpfung mit einem notwendigen "Aufschubkonto" verzichtet werden, da viele Unternehmen nicht über ein solches Konto verfügen.

Reduzierung des Berichtsaufwands beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Die Umsetzung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ist eine große Hürde für die deutschen Unternehmen. Es gilt seit dem 1. Januar 2023 für Betriebe mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ab 2024 betrifft das Gesetz dann auch Unternehmen mit über 1.000 Angestellten. Laut Gesetz müssen die Unternehmen jährlich einen Bericht erstellen und diesen auf ihrer Website veröffentlichen. Die Art und Weise ist ihnen zwar freigestellt, die umsetzende Behörde verlangt jedoch eine digitale Eingabe auf der Seite des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Gleichzeitig dürfen die Betriebe keine eigenen Berichte erstellen, wodurch bei vielen Unternehmen doppelte Arbeit entsteht. Bereits mit der Möglichkeit, zwischen einer digitalen Eingabe oder dem Einsenden bestehender Nachhaltigkeits- oder Lageberichte zu wählen, würde sich der Berichtsaufwand bei den Unternehmen merklich verringern. Gleichzeitig sind es die bürokratischen Forderungen, die auch auf der Herkunftsseite Folgen haben werden, da zur Reduzierung der Bürokratie bei uns die Lieferanten gewechselt werden, allein aus Vereinfachungsgründen.

Ermöglichung einer digitalen Kommunikation in der Ausbildung: Auch wenn die digitale Kommunikation Alltag für viele Menschen ist, erlaubt das Berufsbildungsgesetz (BBiG) die rein digitale Kommunikation zwischen Betrieben, Auszubildenden und IHKs nur sehr eingeschränkt. Diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme ist beispielsweise nicht im § 34 Abs. 2 BBiG vorgesehen, wodurch der Briefverkehr notwendig wird. Eine pragmatische Änderung könnte Abhilfe schaffen: Dazu müssten im § 34 Abs. 2 BBiG die E-Mail-Adresse sowie die Handynummer zu Pflichtangaben bei der Eintragung für jedes Berufsausbildungsverhältnis gemacht werden. In der Handwerksordnung (HwO) ist diese Art der Angabe elektronischer Kontaktdaten bereits geregelt.

Abschaffung mehrerer Schriftformerzeugnisse im Berufsbildungsgesetz: Nach wie vor gilt bundesweit, dass in der beruflichen Ausbildung Dokumente oftmals in schriftlicher Form vorzulegen beziehungsweise einzureichen sind. So ist beispielsweise ein elektronischer Vertragsschluss in der Ausbildung ausgeschlossen, Umschulende müssen die Durchführung der beruflichen Umschulung der zuständigen Stelle vor Beginn der Maßnahme schriftlich anzeigen. Außerdem hat die Ergebnismitteilung im ersten Teil einer geteilten Abschlussprüfung schriftlich zu erfolgen. Bei einer Abschlussprüfung, die nicht in zwei zeitlich auseinanderfallenden Teilen durchgeführt wird, besteht hingegen kein Schriftformerfordernis. Um die Prozesse für alle Beteiligten zu vereinfachen und zu beschleunigen, sollten unter anderem eine digitale Ergebnismitteilung auch bei zeitlich auseinanderfallenden Teilen der Abschlussprüfung, eine elektronische Anzeige der Umschulungsmaßnahmen oder die elektronische Form der Vertragsniederschrift ermöglicht werden.

Reduzierung der Registrierungspflichten im Verpackungsregister LUCID: Das deutsche Verpackungsgesetz soll helfen, die Auswirkungen von Verpackungsabfällen auf die Umwelt zu vermeiden beziehungsweise zu verringern. Aufgrund einer Novelle im Jahr 2021 wurde die Registrierungspflicht im Verpackungsregister „LUCID“ auf alle Unternehmen ausgeweitet, die verpackte Waren erstmalig in Verkehr bringen. Hierunter fallen beispielsweise Hersteller, Importeure, Handelsunternehmen sowie Online- und Versandhändler. So kann eine Registrierung bei „LUCID“ für die gesamte Wirtschaftskette erforderlich sein. Die in LUCID zu tätigenden Eingaben zum Unternehmen, zu den Verpackungsarten und zu Marken sowie die regelmäßigen Mengenmeldungen binden beträchtliche zeitliche und personelle Kapazitäten. Um die Unternehmen und insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten, sollte wieder die vorherige Regelung gelten, nach der nur der Hersteller der Ware im Register gelistet war. Im Zuge der Entwicklung einer EU-Verpackungsverordnung sollte außerdem ein „One Stop Shop“-Konzept Anwendung finden, bei dem eine Anmeldung in weiteren EU-Staaten entfallen könnte.

Datenschutzgrundverordnung (DSGVO): Verpflichtungen besser erklären, vor allem im KMU-Bereich: Neben der Zeit und den Kosten werden von Unternehmen die Komplexität und Unklarheiten bei Datenschutzvorschriften beklagt. Den Unternehmen ist bei einigen Vorschriften nicht klar, wie sie zu erfüllen sind. Folge ist eine Übererfüllung von Vorschriften oder das Beauftragen externer Berater – verbunden mit entsprechenden Kosten.

Bereitschaft zum Dialog

Die Unternehmen am Mittleren Niederrhein sind gerne bereit, mit den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, in Düsseldorf, Berlin oder Brüssel, in einen konstruktiven Dialog zu treten, um die bürokratischen Regelungen möglichst abzuschaffen oder, wenn das nicht geht, sie zu reduzieren und praxisnäher zu gestalten. Unser Ziel ist es, praxisnahe, elektronische Lösungen zu entwickeln, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen in Europa und der Welt stärken und Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Region sichern. Wir sind davon überzeugt, dass durch eine engere Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und der Politik bürokratische Barrieren abgebaut werden können, ohne die notwendige Kontrolle und die Interessen der Gesellschaft aus den Augen zu verlieren.