Vergütung bei Mehrarbeit und Überstunden
Mehrarbeit und Überstunden - was ist der Unterschied?
Von Mehrarbeit (im arbeitsrechtlichen Sinn) spricht man, wenn die gesetzliche oder tarifliche Höchstarbeit überschritten werden.
Überstunden hingegen sind die Überschreitung der für den Arbeitnehmer (aufgrund Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag) geltenden regelmäßigen Arbeitszeit. Sie ergeben sich, wenn der Arbeitgeber anordnet, dass im Anschluss an die regelmäßige Arbeitszeit die Arbeit fortzusetzen ist, oder wenn der Arbeitgeber vorgeschriebene Pausen sind nicht gewährt.
Mehrarbeitsverbote und -grenzen
- Jugendliche sind Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ausgenommen. Für sie gilt das Jugenarbeitsschutzgesetz.
Eine Leistung von Mehrarbeit ist bei ihnen grundsätzlich unzulässig. Wird ein Jugendlicher ausnahmsweise im Notfall zur Mehrarbeit herangezogen, so ist diese durch entsprechende Verkürzungen der Arbeitszeit innerhalb von drei Wochen auszugleichen (§ 21 Abs. 2 JArbSchG). - Schwerbehinderte Menschen oder ihnen Gleichgestellte können nach § 124 Sozialgesetzbuch 9. Buch der Freistellung von Mehrarbeit verlangen. Unter Mehrarbeit im sozialrechtlichen Sinn ist jede über acht Stunden werktäglich hinausgehende Arbeitszeit zu verstehen.
- Werdende oder stillende Mütter dürfen nach § 8 Mutterschutzgesetz nicht mit Mehrarbeit belastet werden.
Die Anordnung von Überstunden findet ihre Grenzen in den zwingenden Bestimmungen des ArbZG. Dieses geht von einer maximalen täglichen Arbeitszeit von acht Stunden aus. Die Arbeitszeit darf auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Monaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden täglich nicht überschritten werden. Da der Samstag nach wie vor normaler Werktag ist, liegt dem Gesetz also eine 48-Stunden-Woche zu Grunde.
Die Einhaltung des Arbeitszeitrechtes durch den Arbeitgeber wird durch Bußgeldandrohung bis zu 15.000 € und die Lohnkostenerhöhung gesichert.
Anordnung von Überstunden
Überstunden müssen grundsätzlich nur dann geleistet werden, wenn diese zuvor vereinbart worden sind. Alleine aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers lässt sich keine Befugnis zur Befugnis zur Anordnung von Überstunden ableiten.
Ausnahme: In Notfällen, d. h. wenn die Überstunden im Interesse des Betriebes dringend erforderlich sind. Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn es sich um ein ungewöhnliches, nicht vorhersehbares Ereignis handelt.
Kapazitätsengpässe oder vermehrter Arbeitsanfall reihen als Begründung nicht aus und gehen als Organisationsverschulden zu Lasten des Arbeitgebers.
Zulässig ist es, eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag einzubauen, wonach sich die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers auch auf die (mündliche) Anordnung von Überstunden erstrecken soll.
Mustertext
"Der Arbeitgeber behält sich vor, monatlich bis zu ... Überstunden anzuordnen. Bei der Anordnung der Überstunden berücksichtigt der Arbeitgeber die betriebliche Notwendigkeit und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers".
Eine Anordnung kann trotz tariflicher Verpflichtung unzulässig sein, wenn im Einzelfall ein Ausschluss vereinbart wurde (Günstigkeitsprinzip).
Die einseitige Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber kann auch konkludent erfolgen, indem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeit zuweist, die nur unter Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden kann und die Erwartung ihrer baldigen Erledigung zum Ausdruck bringt. Hat die Anordnung nach tariflichen Vereinbarungen zu erfolgen, so besteht der Anspruch auch dann, wenn die schriftliche Anordnung unterblieben ist.
Wird ein Arbeitnehmer verpflichtet, über die gesetzlich zulässige Arbeitszeit (d. h. mehr als die verlängerte Höchstarbeitszeit von 10 Stunden) hinaus Mehrarbeit zu leisten, so ist insoweit die Verpflichtung unwirksam.
Vergütung
In gesetzlichen Vorschriften finden sich keine Vergütungsregelungen für geleistete Überstunden. Auch das ArbZG regelt nur die Frage, bis zu welcher Obergrenze Mehrarbeit zulässig ist, nicht jedoch, ob und in welchem Umfang diese zu vergüten ist.
Eine Ausnahme macht das BBiG für zu ihrer Berufsausbildung beschäftigte Personen (§ 17 Abs. 3 BBiG). Darin wird festgelegt, dass eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen ist. Der Auszubildende hat dabei grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen Vergütung und Freizeitausgleich. Die Höhe der Mehrarbeitsvergütung muss angemessen sein. Das ist sie aber auch dann, wenn sie nur in Höhe des normalen Stundensatzes, das heißt, ohne besonderen Zuschlag, erfolgt.
Beachte: Zum 1. Januar 2015 wurde in Deutschland mit dem Mindestlohngesetz der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn von 8,50 € pro Stunden eingeführt, welcher seit dem 1. Januar 2017 8,84 € beträgt. Abweichungen von diesem gesetzlichen Mindestlohn sind nur zulässig, soweit sie im Gesetz zugelassen sind.
Gezahlte Vergütungszuschläge sind dabei nicht als Bestandteil des Mindestlohns anzurechnen, sondern müssen zusätzlich gezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer sie als Ausgleich für über die "Normalleistung" hinausgehende Leistungen erhält. Das betrifft Überstundenzuschläge ebenso wie Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, Nachtarbeit und Schichtarbeit.
Grundvergütung
Die Vergütung ist in der Regel Gegenstand freier Vereinbarung im Einzelarbeitsvertrag, Betriebsbestimmungen oder Tarifverträgen.
Dabei ist zwischen der anfallenden Grundvergütung und eventuellen Vergütungszuschlägen zu unterscheiden.
Vereinbarungen im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung
Bei tarifgebundenen Arbeitsvrhältnisses enthalten die Tarifverträge im Allgemeinen detaillierte Bestimmungen über die Bezahlung von Überstunden bzw. Mehrarbeit. Neben der Grundvergütung wird dabei oft ein besonderer Zuschlag gezahlt, der häufig nach der Zahl der geleisteten Überstunden gestaffelt wird.
In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung kann zugelassen sein, dass abweichend von § 3 ArbZG die Höchstarbeitszeit überschritten wird. Sind derartige Arbeitszeiten geregelt, so werden sich auch die Vergütungsverpflichtungen aus den kollektivrechtlichen Regelungen ergeben.
Tarifverträge sehen gelegentlich auch vor, dass Überstunde durch Freizeit auszugleichen sind. In diesen Fällen besteht ein Vergütungsanspruch nur in besonderen Fällen. Die Anordnung des Freitzeitausgleichs erfolgt nach billigem Ermessen des Arbeitgebers.
Erkrankt der Arbeitnehmer am Tag des Freitzeitausgleiches, gilt sein Anspruch auf Freizeitausgleich dennoch als erfüllt, wenn die Freistellung schon vor der Erkrankung bindend festgelegt war. Der Arbeitnehmer hat nur dann Anspruch auf Nachgewährung, wenn ausdrücklich vereinbart wurde, dass der Ausgleich nur nur "bewilligt sondern auch gewährt werden muss".
Vereinbarung im Einzelvertrag
Fehlt eine kollektivrechtliche Regelung der Vergütung von Mehrarbeit oder Überstunden oder ist diese mangels Tarifbindung nicht anzuwenden, so bedarf es einer einzelvertraglichen Regelung.
Vorformulierte Vertragsgestaltungen, die den Anspruch auf Mehrarbeits- oder Überstundenvergütung einseitig beschneiden, können zu einer unangemessenen und sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung des Arbeitnehmers führen. Deshalb ist eine Inhaltsprüfung immer erforderlich.
Einzelvertragliche Klauseln, wonach Überstunden mit dem Grundgehalt als abgegolten gelten, sind nur wirksam, wenn sie transparent und verständlich formuliert sind. Aus der Formulierung muss insbesondere klar hervorgehen, wie viele Überstunden mit dem Grundgehalt abgedeckt sein sollen.
Zulässig ist eine solche Klausel, soweit eine zumindest durchschnittlich nur geringfügige - unter der gesetzlichen Höchstarbeitszeit liegende - Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten ist. Mit einer Überstundenabgeltung von 10 % der Arbeitszeit dürfte eine angemessene Regelung vorliegen (vgl. LAG Hamm vom 16.11.2004, AZ: 19 Sa 1424/05; bestätigt durch BAG vom 16.05.2012, AZ: 5 AZR 331/11).
Mustertext
"Mit dem vereinbarten Gehalt sind bis zu vier Überstunden pro Woche abgegolten. Darüber hinaus gehende Überstunden werden in Freizeit ausgeglichen oder bezahlt".
Bei leitenden Angestellten wird im Hinblick auf die gesteigerte Interessenwahrungspflicht und das regelmäßige hohe Gehalt allgemein eine Verpflichtung zur Ableistung betriebsnotwendiger Überstunden ohne zusätzlichen Arbeitsentgeltanspruch angenommen.
Ist im Einzelarbeitsvertrag keine Regelung vorgesehen, ist unter Berücksichtigung betrieblicher Handhabung und Branchenüblichkeit im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob für Überstunden der Grundlohn zuzüglich eines Zuschlags zu zahlen ist.
Überstunden unter Überschreitung der Höchstarbeitszeitgrenzen des ArbZG sind auch bei entgegenstender Vertragsgestaltung nach § 612 BGB zu vergüten.
Bei Arbeiten im Stundenlohn erfolgt die Vergütung der Überstunde mit dem Grundlohn.
Bei Vereinbarung eines Monatslohns bei gleichzeitiger Festlegung der Höhe der Arbeitszeit sind Überstunden mit dem auf eine Arbeitsstunde entfallenden Anteil des Monatsentgelts zu vergüten.
Zu vergüten sind Überstunden allerdings nur, wenn sie entweder angeordnet oder mit Wissen des Arbeitgebers geleistet worden sind. Eine Duldung durch den Arbeitgeber ist allenfalls dann anzunehmen, wenn er von den Überstunden Kenntnis hatte.
Vergütungszuschlag
In gesetzlichen Vorschriften finden sich keine Regelungen bezüglich Zuschläge für geleistete Überstunden. Eine Ausnahme macht das ArbZG für Nachtarbeit.
Ein besonderer Zuschlag ist grundsätzlich nur dann zu zahlen, wenn dieser nach Grund und Höhe vertraglich (insbesondere durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und Arbeitsvertrag) vereinbart, oder wenn er betriebs- bzw. branchenüblich ist.
- Im Tarifvertrag
Die Berechnung von Überstundenvergütungen einschließlich der Zuschläge ist im Allgemeinen in den einzelnen Tarifverträgen eingehend geregelt. Oft finden sich Vereinbarungen, welche an üblichen Arbeitstagen einen Zuschlag von 25 % und an Sonn- und Feiertagen von 50 % oder eine entsprechende Staffelung vorsehen. - Im Einzelvertrag
Auch im Einzelvertrag können Zuschläge zur Grundvergütung für geleistete Überstunden vereinbart werden.
Fehlt es allerdings an einer solchen Regelung, sind zusätzliche Zuschläge nur dann zu bezahlen, wenn sie betriebs- oder branchenüblich sind (§ 612 BGB). - Gesetzliche Regelungen für die Nachtarbeit
Der Arbeitgeber hat dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren (§ 6 Abs. 5 ArbZG), soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen. Das Gesetz macht außer den Worten "Ausgleichsregelung" und "angemessen" keine weiteren Vorgaben zum Umfang des Ausgleichs. Die Höhe des Nachtzuschlags wird als angemessen erachtet, wenn sie der besonderen Belastung durch die ungünstige Arbeitszeit Rechnung trägt. Dabei wird u. a. berücksichtigt, ob in der Nachtarbeit Arbeitsbereitschaft, also Zeiten der Entspannung, anfällt oder die Arbeit aufgrund der jeweiligen Umstände erschwert ist. Regelmäßig wird sowohl für den Nachtzuschlag als auch für den Freitzeitausgleich ein Zuschlag von 25 % als angemessen angesehen (BAG vom 01.02.2006, AZ: 5 AZR 422/04). - Sonn- und Feiertagsarbeit
Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. Die Grenzen und Ausnahmen von diesem Beschäftigungsverbot sind in §§ 9, 10 ArbZG geregelt.
Für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen haben Arbeitnehmer prinzipiell keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Lohnzuschlag. Etwas anderen gilt nur, wenn an Sonn- und Feiertagen Nachtarbeit geleistet wird. Zuschläge werden nur bei entsprechender Vereinbarung gewährt. - Teilzeitbeschäftige
Ohne eine besondere Vereinbarung hat auch ein Teilzeitbeschäftigter keinen Anspruch auf Überstundenzuschlag, wenn er über die für ihn geltende Teilzeit hinaus Überstunden leistet. Er hat erst dann einen solchen Anspruch, wenn er die gesetzliche bzw. die Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers im Betrieb überschreitet. - Geltendmachung
Für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen gilt die dreijährige Verjährungsfrist. Diese Frist beginnt mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Tarifverträge sehen oftmals kürzere Fristen vor. Wesentlich hilfreicher sind arbeitsvertraglich vereinbarte Verfall-/Ausschlussfristen, die schneller für Rechtssicherheit sorgen. - Mustertext für Verfall-/Ausschlussfristen
"Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht und im Falle der Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden. Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen.
Die Ausschlussfrist gilt nicht für den Anspruch eines Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist."
Im Streitfall muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass er
- über gesetzlich oder tariflich zulässige Arbeitszeit gearbeitet hat und
- die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder geduldet worden sind.
Ein Arbeitgeber, der widerrechtlich die Zahlung einer dem Arbeitnehmer zustehenden Vergütung unterlässt, verletzt nicht nur seine Leistungspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer (Nachzahlungsanspruch!), sondern auch seine Abgabepflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger und macht sich nach § 266 a Strafgesetzbuch strafbar. Unterlässt der Arbeitgeber zudem vorsätzlich die Einbehaltung von entsprechenden Lohnsteuern, so macht er sich auch wegen Steuerhinterziehung strafbar.