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„Die Stadt steht unter Druck“

21.11.2025
Ulrich Cyprian, Kämmerer der Stadt Krefeld, machte aus der dramatischen kommunalen Haushaltssituation keinen Hehl.
Ulrich Cyprian, Kämmerer der Stadt Krefeld, machte aus der dramatischen kommunalen Haushaltssituation keinen Hehl.

„Sie haben es schwer.“ Mit diesen Worten begrüßte Elmar te Neues, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlere Niederrhein, den Kämmerer der Stadt Krefeld, Ulrich Cyprian, zum IHK Regionalforum. Sogleich verdeutlichte der Präsident seine Sorgen um den Wirtschaftsstandort. Unternehmen, die darüber nachdenken, umzuziehen oder eine weitere Betriebsstätte zu realisieren, schauen sich auch an, wie potenzielle Standorte finanziell dastehen. „Dabei geht es um die Themen Steuern und Abgaben, aber auch darum, was die Städte zu bieten haben und sich auch künftig leisten können“, erklärte te Neues. Als Stadt mit einem dreistelligen Millionendefizit habe Krefeld im Standortwettbewerb keine gute Position. „Das ist für den Wirtschaftsstandort und die hier ansässigen Unternehmen besorgniserregend.“

Cyprian machte aus der dramatischen Situation keinen Hehl. „Die Stadt steht unter Druck und vor erheblichen finanziellen Herausforderungen“, sagte er und erläuterte die „nackten“ Zahlen. Bei einem Haushaltsvolumen von 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro liegt das für die kommenden Jahre prognostizierte jährliche Defizit bei mehr als 100 Millionen Euro – für 2025 liegt es bei 150 Millionen Euro. Die Kassenkredite, die ursprünglich für kurzfristige Liquiditätsengpässe gedacht waren, belaufen sich auf 492 Millionen Euro und sind damit laut Kämmerer zu einem strukturellen Problem geworden. Als Hauptgründe nannte Cyprian die steigenden Sozial- und Transferausgaben, die 48 Prozent des Haushalts 2025 ausmachen und die Personal- und Versorgungskosten, die 28 Prozent ausmachen. „Das sind Kosten, die nicht mal eben abgebaut werden können, weil sie mit gesetzlichen Aufgaben verbunden sind“, erklärte der Kämmerer. Hinzu kämen externe Faktoren wie zum Beispiel die Inflation, Tariferhöhungen und steigende Zinsen.

„Der Spielraum für freiwillige Leistungen wird immer kleiner“, betonte er und wies darauf hin, dass Krefeld mit dem Problem nicht alleine dastehe. „Die Haushaltskrise darf nicht allein auf lokales Versagen zurückgeführt werden, sondern ist in großem Maße Folge struktureller Fehlentwicklungen in der Finanzarchitektur zwischen Bund, Ländern und Kommunen.“ So werde das Konnexitätsprinzip verletzt, indem Bund und Länder den Kommunen Aufgaben übertragen, die Kosten dafür aber nicht übernehmen, Zudem würden die kommunalen Zuweisungen nicht in dem Maße steigen wie die Aufgaben und Kosten. Schließlich lähmten die Kassenkredite die Handlungsfähigkeit, so dass dringend eine Altschuldenlösung gefunden werden müsse. „Wir brauchen einen ehrlichen Neustart in der kommunalen Finanzordnung“, forderte er.

Der defizitäre Haushalt hat Konsequenzen für die Wirtschaft: Investitionsstau, verlängerte Verfahren, Standortnachteil. „Ein defizitärer Haushalt bedeutet auch: längere Wege für die Wirtschaft“, betonte Cyprian. Nun müsse eine sachliche Bestandsaufnahme gemacht werden. Jeder Bereich müsse hinterfragt werden. Dabei ginge es unter anderem um folgende, auch unangenehme Fragen: Gibt es effizientere Organisationsformen? Wären Kooperationen mit Nachbarkommunen sinnvoll? Sollten bestimmte Leistungen anders erbracht werden? Welche städtischen Gesellschaften sind strategisch notwendig? Wo ließen sich Synergien heben? „Eine solche Prüfung bedeutet nicht automatisch Abbau“, betonte Cyprian. „Es geht um kluge Prioritäten und effiziente Strukturen – im Interesse der Bürger und der Wirtschaft.“

Zudem wies der Kämmerer auf die Eckpunkte hin, auf die sich die CDU- und SPD-Fraktion unter dem Titel „Krefeld entwickeln, die Wirtschaft stärken“ geeinigt hätten. Dazu gehören die Gründung einer Investitionsagentur (One Stop Agency), die Zertifizierung „Mittelstandsfreundliche Kommunalverwaltung“ und die Aussetzung der Terrassengebühr für Außengastronomie. Auch die Entwicklung von Gewerbegebieten dürfte zumindest mittelfristig die Ertragsbasis stärken.

Schließlich sieht der Kämmerer Chancen durch neue Förderinstrumente wie den Investitionsbooster der Bundesregierung, Mittel aus dem Digitalpakt oder Infrastrukturfonds.  „Für Krefeld bedeutet das: Handlungsspielräume trotz enger Haushaltslage, beschleunigte Investitionen und die Möglichkeit, Zukunftsvorhaben zu realisieren, die ohne diese Unterstützung verschoben oder gestrichen werden müssten.“ Unterm Strich sei die Lage „ernst, aber nicht hoffnungslos“. „Mit kluger Priorisierung, konsequenter Nutzung von Fördermitteln und enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und Wirtschaft lassen sich auch in schwierigen Zeiten Erfolge erzielen. Die Bereitschaft zur Veränderung ist da – auf allen Seiten“, betonte Cyprian und schloss seinen Vortrag mit der Feststellung: „Was Krefeld jetzt braucht: Planungssicherheit und die weitere Unterstützung durch Bund und Land, insbesondere die Sicherstellung der realen Umsetzung der Konnexität, die in der Landesverfassung festgeschrieben ist.“

In der anschließenden Diskussion zeigte sich die Sorge der Unternehmen deutlich. So stellte ein Unternehmer fest: „Wäre die Stadt ein Unternehmen, dann wäre sie ein Restrukturierungs- und Sanierungsfall.“ Man müsse bei den Sozial- und Transferausgaben sowie Personal- und Versorgungskosten, die insgesamt 76 Prozent des Haushalts ausmachen, ansetzen. „Sonst geht nichts vorwärts.“ Ähnlich äußerte sich ein Unternehmer, der sich über den immensen Personalzuwachs in den vergangenen Jahren wunderte. Cyprian erwiderte, dass diese Bereiche Stellschrauben sein können, aber viele Ausgaben und die neuen Stellen mit gesetzlichen Aufgaben verbunden seien. Eine andere Sorge trieb eine Unternehmerin um. Sie befürchtet, dass Bundesmittel nicht für künftige Investitionen genutzt, sondern Haushaltslöcher damit gestopft würden. „Das bringt nichts. Wir brauchen Investitionen in unseren Wirtschaftsstandort.“ Schließlich erkundigte sich ein Unternehmer, ob es in der Stadtverwaltung ein Team gebe, das die „Restrukturierung“ angehe. Der Kämmerer bejahte, dass es ein Projekt(-team) geben werde – ob in Form einer Task-Force oder in einer anderen Form, sei noch nicht festgelegt. Es müssten in den kommenden Monaten ein Haushaltssicherungskonzept und Strategien entwickelt werden. „Es ist Zeit, diesbezüglich andere und/oder neue Wege zu gehen.“, erklärte Cyprian.

Am Schluss appellierte te Neues an Verwaltung und Politik: „Sie müssen sich anstrengen. Es geht um unseren Wirtschaftsstandort, um Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“​​​

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