Verkehrspolitische Positionen für den Mittleren Niederrhein
Die schnelle, flexible und effiziente Mobilität von Gütern und Personen ist essenziell für die Sicherung und Weiterentwicklung unseres Wirtschaftsstandorts. Die geografische Lage, in Verbindung mit einem starken, multimodal aufgestellten Verkehrsnetz, zählt zu den Standortvorteilen unserer Region.
Dieses Verkehrssystem ist jedoch an vielen Stellen marode beziehungsweise nicht bedarfsgerecht ausgebaut. Abgelastete Rheinbrücken werden zunehmend zur Barriere für die Wirtschaft. Engpässe im Schienen- und Straßennetz behindern zudem den Warenfluss sowie die Pendlermobilität. Knappe Kassen, personelle Engpässe und vor allem langwierige Planungs- und Genehmigungszeiten versprechen dabei keine schnelle Hilfe. Angesichts künftig weiter wachsender Verkehrsströme wird auch der Druck auf das System weiter steigen.
Parallel hierzu befinden sich der Verkehr und die Mobilität der Menschen im Wandel. Die Mobilität der Zukunft soll nachhaltiger und klimaschonender werden. Neue und sich verändernde Mobilitätsformen bieten einerseits Chancen. Andererseits ist angesichts eines beschränkten Raumangebots dieser Transformationsprozess mit einem diversifizierten Verkehrsmix bisweilen konfliktbeladen und abstimmungsbedürftig.
Das vorliegende Positionspapier zeigt die Forderungen und Positionen für eine Verkehrsentwicklung in naher Zukunft. Welcher konkreten Investitionen in die Infrastruktur bedarf es? Was ist aus Sicht der Wirtschaft wichtig, um auch künftig multimodal Warenaustausch zu betreiben und für Kunden und Mitarbeitende gleichermaßen erreichbar zu bleiben?
Unsere Kernforderungen für eine Mobilität der Zukunft
Um das absolute Verkehrswachstum bei Gütern und Personen auf der Schiene zukünftig bewältigen zu können, bedarf es am Mittleren Niederrhein eines leistungsstarken, bedarfsgerecht ausgebauten Schienennetzes.
Unsere konkreten Forderungen:
Ausbau der Strecke Köln–Mönchengladbach–Venlo durchgängig zweigleisig, elektrifiziert und frachtfähig; Bau eines weiteren Gleises im Bereich Mönchengladbach-Rheydt und einer Direktverbindung der Strecke Venlo–Viersen–Krefeld
Verlängerung der S28 bis Viersen
Revierbahn: Durch a) Elektrifizierung und zweigleisigem Ausbau zwischen Neuss und Bedburg sowie b) einen Neubau zwischen Bedburg und Aachen entsteht eine durchgehend doppeltrassige, elektrifizierte und zugleich frachtfähige Schienenverbindung zwischen Rheinschiene und Aachen.
Schieneninfrastruktur im Rheinischen Revier
Umsetzung der elektrifizierten, zweigleisigen S6 Köln - Grevenbroich - Mönchengladbach
Optimierung der S12 (Erftbahn)
Nachnutzung der RWE-Schieneninfrastruktur
Umsetzung der Weissenberger Kurve zwischen Neusser Hbf und Neusser Gbf
Umsetzung des Projekts Erftsprung zur schienenseitigen Optimierung und Sicherung der Anbindung des Neusser Hafengebiets
Bei insgesamt weiter steigenden Verkehrsmengen wird die Straße auch zukünftig – aller notwendigen Stärkung der Schiene zum Trotz – der mit Abstand wichtigste Verkehrsträger für die Mobilität von Personen und Gütern bleiben. Eine leistungsfähige (Straßen-)Infrastruktur wird dementsprechend auch künftig maßgebliche Grundlage für eine arbeitsteilige und vernetzte Wirtschaft sein.
Unsere konkreten Forderungen:
Zügige Fortführung des durchgehend sechsspurigen Ausbaus der A 57 zwischen Köln und dem Autobahnkreuz Kamp-Lintfort
Eine Kapazitätserweiterung der A 44 und der A 46 zwischen Aachen und Neuss
Die Realisierung der L 19 als Lückenschluss der A 44 im Bereich Mönchengladbach
Die Realisierung der Anschlussstelle Delrath bei Dormagen an der A 57
Leistungsfähige Brücken – insbesondere jene, die den Rhein queren – sind für den Mittleren Niederrhein systemrelevant. Sie sind sensible und zugleich neuralgische Abschnitte innerhalb eines eng verzahnten, hoch belasteten Verkehrssystems. Für den regionalen Verkehr, ebenso für den wachsenden ost-westwärts orientierten internationalen Transitverkehr sind schwerlastfähige Straßenbrücken und Brücken für den Bahnverkehr unverzichtbar.
Unsere konkreten Forderungen:
Uerdinger Rheinbrücke: Die Seitens des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen im Juli 2024 vorgeschlagene 2+2-Lösung trägt die Wirtschaft mit, wenn hierdurch eine signifikante Beschleunigung des Verfahrens erzielt wird. Der Endausbau der B 288 ist als durchgehend vierspurige Verbindung zwischen der A 57 bei Krefeld und der A 59 bei Duisburg auszuführen. Die Nutzbarkeit der historischen Bestandsbrücke gilt es bis zur Fertigstellung einer neuen Querung sicherzustellen.
Aufgrund des maroden Zustands ist die Josef-Kardinal-Frings-Brücke nicht für den Schwerlastverkehr nutzbar. Ein Ersatzneubau im Bereich der Josef-Kardinal-Frings-Brücke muss schnellstmöglich angegangen und realisiert werden. Gleichzeitig gilt es, die eingeschränkte Nutzbarkeit der Bestandsbrücke sicherzustellen.
Die Fleher Brücke ist marode. Ein sukzessiver Neubau ist ab 2029 geplant. Eine zügige, aber im Kontext der insgesamt fragilen Brückenlandschaft angemessene und abgestimmte Umsetzung der Maßnahme wird erwartet.
Theodor-Heuss-Brücke: Die Rheinquerung über die Theodor-Heuss-Brücke auf Düsseldorfer Stadtgebiet ist für Schwerlastverkehre über 30 Tonnen gesperrt. Als Verbindungsachse der A 52 erfüllt sie eine wichtige überregionale Funktion. Wir erwarten, dass der avisierte Neubau zügig und koordiniert im Kontext der insgesamt fragilen Brückenlandschaft realisiert wird.
Auch das Schienennetz erfordert leistungsfähige Brücken. Innerhalb des Mittleren Niederrheins gibt es lediglich zwei Schienenquerungen, bei Krefeld und bei Neuss, welche die Gesamtheit aller rheinquerenden Personen- und Güterverkehre abwickeln. Dieser hohen Bedeutung entsprechend, sind die Duisburg-Hochfelder Eisenbahnbrücke sowie die Hammer Eisenbahnbrücke mit höchster Sorgfalt zukunftssicher zu unterhalten.
NRW ist das Binnenschiffsland Nummer eins in Deutschland. Ein konstant nutzbarer Rhein sowie leistungsfähige Straßen- und Schienenanbindungen sind Grundvoraussetzungen für die Hafenstandorte und Chemieparks am Mittleren Niederrhein von Krefeld über Neuss/Düsseldorf bis Dormagen. Dabei sind die Hafenareale weitaus mehr als multimodale Umschlagszentren und logistische Knotenpunkte.
Unsere konkreten Forderungen:
Umsetzung der Maßnahme „Abladeoptimierung und Fahrrinnenoptimierung des Rheins zwischen Duisburg und Neuss-Stürzelberg“
Aufgrund der exponierten Stellung erfordern Hafenbereiche eine resiliente, multimodale und zudem schwerlastfähige Verkehrsanbindung. Bestehende Engpässe gilt es zu beseitigen.
Häfen sind als Wirtschaftsareal auch im Kontext starker Flächennutzungskonkurrenz zu schützen. Heranrückende Wohnbebauung – insbesondere in urbaner Nähe zum Rhein – darf die Funktionalität und Leistungsfähigkeit der Häfen ebenso wenig beeinträchtigen wie eingeschränkte Verkehrsanbindungen. Hafenflächen sind insbesondere für die Bereiche Logistik und Industrie zu sichern.
Für Neuss fordern wir:
Umsetzung des Projekts Erftsprung zur schienenseitigen Optimierung der Anbindung des Neusser Hafens und zur effizienten und gleichzeitig resilienten Abwicklung der Güterzüge im Neusser Hafen
Für Krefeld fordern wir:
Das Verkehrssystem im Bereich des Krefelder Hafens gilt es auch unter besonderer Berücksichtigung der historischen Drehbrücke zu optimieren.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind im Zulauf des Hafens stärker zu nutzen (zum Beispiel Optimierung der Lichtsignalanlage an der Düsseldorfer Straße).
Unsere Region, geprägt durch ihre starke internationale Verflechtung und Exportorientierung, benötigt eine leistungsfähige und zukunftsfähige Flughafeninfrastruktur, um ihre wirtschaftliche Stärke zu sichern und auszubauen.
Unsere konkreten Forderungen:
Kapazitätsgerechte Genehmigungen: Der Flughafen Düsseldorf benötigt dringend eine Genehmigung, die sich an der tatsächlichen Runway-Kapazität orientiert. Dies ist unerlässlich, um den steigenden Anforderungen der Wirtschaft gerecht zu werden und die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen zu sichern.
Förderung von Innovation und Dekarbonisierung: Die Flughäfen können Vorreiter in der Entwicklung neuer Antriebstechnologien und der Transformation hin zu einem dekarbonisierten Luftverkehr werden. Hierzu ist der Innovationsflughafen Mönchengladbach weiter zu unterstützen und auszubauen.
Sicherstellung einer Balance zwischen Wirtschaft und Umweltschutz: Der Einsatz lärmarmer Flugzeuge und moderner Anflugverfahren muss gefördert werden, um den berechtigten Schutzinteressen der Anwohnerinnen und Anwohner gerecht zu werden, ohne den Flugbetrieb einzuschränken.
Krefeld, Mönchengladbach und Neuss – die Oberzentren am Mittleren Niederrhein – sind Geschäftszentren für Handel, Dienstleistungen, Kultur, Wohnen, Freizeit und Beschäftigung. Eine gute Erreichbarkeit ist dabei maßgebliche Grundlage für attraktive und lebhafte Zentren. Sowohl Kunden- als auch Lieferverkehre müssen auch künftig die (Innen-)Städte sowie die dort ansässigen Unternehmen geordnet erreichen.
Unsere konkreten Forderungen:
Entlastung der Infrastruktur durch ein ein leistungsfähiges ÖPNV-Angebot
intelligente Lösungen für den innerstädtischen Lieferverkehr (Ladezonen, Mikrodepots)
Stärkung des Radverkehrs
Mindestmaß an Qualität der Straßeninfrastruktur
innenstadtnahe Parkmöglichkeiten
Nutzung der Potenziale der Digitalisierung (intelligente Ampelschaltungen, Parkleitsysteme)
Verkehrsversuche und Eingriffe in das innerstädtische Verkehrssystem nur im Dialog mit der betroffenen Wirtschaft
bedarfs- und sicherheitsfokussierter Einsatz innerörtlicher Temporeduzierung auf 30 Stundenkilometer statt flächendeckender Umsetzung
Industrie- und Gewerbegebiete sowie Hafenareale – ob auf der grünen Wiese oder in integrierten Lagen – benötigen gesicherte schwerlastfähige Straßenanbindungen. Dies ist bei der verkehrlichen Gesamtplanung zu berücksichtigen. So dürfen kommunale Vorhaben und Planungen nicht dazu führen, dass die Erreichbarkeit von Betrieben mit Schwerlastverkehr eingeschränkt wird. Ebenso von entscheidender Bedeutung ist das Thema Mitarbeitererreichbarkeit für die Unternehmen.
Unsere konkreten Forderungen:
Schaffung adäquater ÖPNV-Anbindungen für Gewerbeareale
Im ländlichen Raum gilt es, adäquate, zukunftssichere Mobilitätsalternativen (zum Beispiel On-Demand-Systeme) zum Auto zu finden.
Stärkung und Nutzung der Potenziale des Betrieblichen Mobilitätsmanagements
Die Ladeinfrastruktur – auch für das Laden von E-Lkw – gilt es weiter bedarfsgerecht auszubauen. Ebenso muss die Anzahl der Lkw-Parkplätze entsprechend des weiter steigenden Bedarfs erhöht werden.
Ein bedarfsgerechter ÖPNV ist ein wichtiger Bestandteil öffentlicher Daseinsfürsorge. Bus und Bahn stellen flächendeckend für die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen eine Basismobilität her. Ein funktionierender ÖPNV hat eine hohe verkehrs- und umweltpolitische Relevanz und liegt auch im Interesse der Wirtschaft. Als wichtiger Baustein umweltfreundlicher Mobilität kommt dem bedarfsgerechten und effizient ausgestalteten ÖPNV künftig eine noch stärkere Rolle zu.
Unsere konkreten Forderungen:
Das Deutschlandticket ist ein Meilenstein kundenfreundlicher und nachhaltiger Mobilität. Mit den Potenzialen des Tickets müssen sich grundsätzlich auch das Angebot und die Qualität des ÖPNV-Angebots steigern. Die Finanzierung des Tickets gilt es langfristig durch den Bund zu sichern, wobei als weitere Finanzierungssäule keine weitere Belastung der Unternehmen erfolgen darf.