Um Menschen ohne Berufsabschluss neue Wege zur Einmündung in das Berufsbildungssystem und zur beruflichen Entwicklung zu eröffnen, ist mit dem Berufsbildungsvalidierungs- und-digitalisierungsgesetz (BVaDiG) und der hiermit verbundenen Änderung im Berufsbildungsgesetz (BBiG) eine rechtliche Grundlage für Validierungsverfahren durch Kammern in Deutschland geschaffen.
Das BVaDiG ist am 1. August 2024 in Kraft getreten. Die Regelungen zur Berufsvalidierung sind aber erst seit dem 1. Januar 2025 in Kraft.
FAQ Validierung
Personen ohne Berufsabschluss in dem Beruf, in dem sie langjährige berufliche Erfahrung haben, wenn sie:
mindestens 25 Jahre alt sind
über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen (das Verfahren wird in deutscher Sprache durchgeführt)
eine Berufstätigkeit im gewünschten Beruf nachweisen können, die mindestens 1,5-mal so lange wie die entsprechende Ausbildungszeit ist
in Deutschland leben oder die notwendige Berufstätigkeit mindestens zur Hälfte in Deutschland ausgeübt haben
in dem Beruf, in dem sie die Feststellung anstreben, keinen deutschen Berufsabschluss haben oder ihnen hierfür kein ausländischer Berufsabschluss anerkannt worden ist
aktuell keine Ausbildung in dem festzustellenden Beruf absolvieren
Wenn das auf Sie zutrifft und Sie in der Region am Mittleren Niederrhein wohnen oder arbeiten, können Sie sich bei uns für das Feststellungsverfahren anmelden und Sie erhalten eine Erstberatung.
Die erste Beratung findet immer bei Ihrer IHK vor Ort statt. Die Organisation und Durchführung der Bewertung übernehmen wir bei der IHK Mittlerer Niederrhein
Die praktische Bewertung Ihrer beruflichen Kompetenzen führt ein Feststellungstandem durch. Das besteht aus zwei für das Verfahren geschulten Prüferinnen und Prüfern. Grundlage für die Bewertung ist die jeweilige Ausbildungsordnung des Berufs.
Im Verfahren werden Ihre beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten mit den Anforderungen eines Ausbildungsberufs verglichen. Das Verfahren ist praxisnah und enthält typische Aufgaben aus dem Beruf.
Ziel: Sie müssen zeigen, dass Sie durch Ihre Berufserfahrung die vollständige oder überwiegende berufliche Handlungsfähigkeit im angestrebten Beruf erworben haben.
Das Verfahren erfolgt in vier Schritten:
Information und Beratung Die interessierte Person erhält erste Informationen zum Verfahren und zu den Dokumenten, die für die Antragsstellung benötigt werden. Außerdem kann der passende Referenzberuf identifiziert werden. Der Referenzberuf ist ein dualer Ausbildungsberuf.
Antragsstellung Die interessierte Person dokumentiert die beruflichen Fähigkeiten entlang des eigenen Lebenslaufs. Für die Antragsstellung werden die Angaben durch Arbeitszeugnisse, Arbeitsnachweise oder Zertifikate belegt. Die zuständige Stelle prüft den eingereichten Antrag formal und wertet die eingereichten Dokumente und Nachweise ggf. mit dem Feststellungstandem aus.
Bewertung Ein Feststellungstandem, das aus zwei Prüfer/innen besteht, stellt insbesondere mit praktischen und mündlichen Aufgaben die berufliche Handlungsfähigkeit im Gesamten oder in überwiegenden Teilen des Berufsbildes fest.
Ergebnismitteilung Abhängig vom Ergebnis des Verfahrens stellt die IHK ein Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf oder einen Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf aus. Kann keine überwiegende berufliche Handlungsfähigkeit festgestellt werden, wird der Antrag abgelehnt.
Ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular
Kopie eines Identitätsnachweises (z. B. Personalausweis, Reisepass)
Kopie eines Wohnsitznachweises (z. B. Personalausweis, Aufenthaltstitel)
Angaben zur Berufserfahrung im Referenzberuf (z. B. aktueller Lebenslauf)
Nachweise über den Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit (z. B. Arbeitszeugnisse, Weiterbildungen, Schulungen)
ggf. Antrag auf Nachteilsausgleich
Nachweise, die in einer anderen Sprache als in Deutsch ausgestellt sind, müssen in der Regel mit einer Übersetzung eingereicht werden.
Die gesamte Dauer hängt unter anderem von den individuellen Voraussetzungen, von der Vollständigkeit des Antrags und dem jeweiligen Beruf ab. Die praktische Bewertung kann, je nach Beruf und Umfang, zwischen einem Tag und mehreren Tagen dauern.
Das Feststellungsverfahren wird in allen dualen Ausbildungsberufen angeboten.
Ein Zeugnis, wenn die berufliche Handlungsfähigkeit vollständig mit dem Ausbildungsberuf übereinstimmt.
Einen Bescheid, wenn die berufliche Handlungsfähigkeit überwiegend mit dem Ausbildungsberuf übereinstimmt.
Menschen mit Behinderung können auch einzelne Bestandteile eines Referenzberufs feststellen lassen und darüber einen Bescheid mit teilweiser Vergleichbarkeit zum Referenzberuf erhalten.
Bei Erhalt eines Bescheides über die überwiegende Vergleichbarkeit kann binnen fünf Jahren ein Antrag auf ein Ergänzungsverfahren gestellt werden. Dieses hat das Ziel, die vollständige Vergleichbarkeit zu erreichen.
Das Ergänzungsverfahren richtet sich auf die Feststellung der vollständigen Vergleichbarkeit der beruflichen Kompetenzen. Ein Antrag auf ein Ergänzungsverfahren kann nur einmal gestellt werden.
Im Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit ist differenziert aufgeführt, für welche Bereiche die berufliche Handlungsfähigkeit besteht und für welche Bereiche sie nicht besteht. Im Ergänzungsverfahren werden nur die Bereiche bewertet, für die zuvor keine überwiegende Handlungsfähigkeit festgestellt wurde.
Wird ein Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens abgelehnt, kann nach einer Frist von zwölf Monaten erneut ein Antrag gestellt werden. Dafür muss glaubhaft gemacht werden, dass eine neue oder zusätzliche berufliche Handlungsfähigkeit erworben wurde.
Mit dem Zeugnis bzw. Bescheid der Kammern erhalten Arbeitgeber eine verlässliche Bewertung der beruflichen Handlungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden oder von Bewerberinnen und Bewerbern, die keinen Berufsabschluss haben. Deren berufliche Handlungsfähigkeiten werden dann gesetzlich bescheinigt, sodass sie diese passgenau einsetzen und zielgerichtet weiterqualifizieren lassen können.
Nicht zuletzt bedeutet das Zeugnis bzw. der Bescheid eine besondere Wertschätzung und kann die Mitarbeiterbindung stärken: Beruflich kompetente Menschen können im Unternehmen gehalten und motiviert werden, sich weiterzuentwickeln. Somit leistet das Feststellungsverfahren auch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung.
Es kann ein Nachteilsausgleich beantragt werden, wenn sich die gesundheitliche Einschränkung auf die Kompetenzfeststellung auswirkt.
Es kann ein Antrag auf eine Verfahrensbegleitung gestellt werden.
Wenn aufgrund von Art und Schwere der Behinderung die Feststellung der überwiegenden oder vollständigen, für die Ausübung des Referenzberufs erforderlichen beruflichen Handlungsfähigkeit nicht möglich ist, gibt es eine zusätzliche Möglichkeit:
Es ist ein Antrag auf teilweise Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit möglich.
Die Altersgrenze von mindestens 25 Jahren für die Antragsstellung entfällt bei einem Antrag auf teilweise Vergleichbarkeit.
Der Bescheid über die teilweise Vergleichbarkeit kann zusätzlich auch eine überwiegende oder vollständige Vergleichbarkeit mit einer Referenzausbildungsregelung gem. §66 BBiG / §42r HwO ausweisen, sofern diese bundeseinheitlich geregelt ist.
Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung (sog. Externenprüfung)
Anspruch auf Zulassung zur Prüfung der ersten und zweiten Fortbildungsstufe(z. B. geprüfter/geprüfte Berufsspezialist/-in, Bachelor Professional)
Ausbildungsberechtigung: Mit einem Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit liegt die fachliche Eignung als Ausbilderin oder Ausbilder vor. Die berufs- und arbeitspädagogische Eignung muss zusätzlich nachgewiesen werden (AEVO-Prüfung, Teil IV der Meisterprüfung), um ausbilden zu dürfen.
Das Validierungsverfahren ist eine hoheitliche, gebührenpflichtige Leistung der IHK Mittlerer Niederrhein. Die Gebühr istidurch den Antragsstellenden zu bezahlen.
Die Gebühren richten sich nach Art und Umfang des Verfahrens:
Gebühr für alle Teilnehmenden des „Vorbereitenden Feststellungsverfahrens“: 282 Euro
Einfaches vollständiges Feststellungsverfahren: 878 Euro
überwiegendes Feststellungsverfahren: 795 Euro
teilweises Feststellungsverfahren: 671 Euro
Aufwändiges vollständiges Feststellungsverfahren: 1407 Euro
überwiegendes Feststellungsverfahren: 1259 Euro
teilweises Feststellungsverfahren: 966 Euro
Sie können beimChristiani Verlag (für gewerblich-technische und graphische Berufe) sowie beim U-Form-Verlag (für kaufmännische Berufe) Stoffsammlungen beziehen. Die fassen zusammen, welche Inhalte Gegenstand der schriftlichen Abschlussprüfung im jeweiligen Ausbildungsberuf sein können. Bei diesen Verlagen erhalten Sie zudem Prüfungsaufgaben aus vergangenen Jahren, die Ihnen vermitteln, welche Anforderungen bei den Prüfungen zu erfüllen sind.