Rheinisches Revier

Rheinisches Revier
© IHK Mittlerer Niederrhein
Der Strukturwandel im Rheinischen Revier ist für die Kommunen Grevenbroich, Jüchen und Rommerskirchen Herausforderung und Chance zugleich. Wie gut sind sie auf den anstehenden Transformationsprozess vorbereitet? Diese Frage steht im Zentrum einer Standortanalyse der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein für Grevenbroich, Jüchen und Rommerskirchen. Die Unternehmen bewerten die Standorte als zufriedenstellend – es gibt aber Luft nach oben. Durch die Kombination von aktueller Wirtschaftskrise und dem Strukturwandel der kommenden Jahre stehe das Revier nun vor einer Doppelbelastung. Die Analyse zeigt die Stärken und Schwächen des Wirtschaftsstandortes Rheinisches Revier. Das ist die Grundlage für gezielte Projekte und Maßnahmen, um die Situation der Unternehmen in der derzeit schwierigen Phase zu verbessern. 

Wirtschaftsstandort ist vom Braunkohletagebau abhängig

 
Die Herausforderungen der drei Kommunen werden bei einem Blick auf die wirtschaftlichen Strukturen deutlich. 36 Prozent der Beschäftigten arbeiten in der Industrie – in Nordrhein-Westfalen insgesamt sind es nur 27 Prozent. Für den Bereich der Energieversorgung liegen nur Daten für Grevenbroich vor. 8,1 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Grevenbroich arbeiten in dieser Branche, in NRW sind es nur 0,8 Prozent. Der Anteil in Grevenbroich ist damit mehr als zehnmal so hoch. Das zeigt die Abhängigkeit von dieser Branche. Die Abhängigkeit des Wirtschaftsstandorts vom Braunkohletagebau verdeutlicht auch eine weitere Zahl: Rund 28 Prozent der Unternehmen in den drei Kommunen gaben an, dass sie für ihr Unternehmen negative Auswirkungen durch den Braunkohleausstieg befürchten. Das zeigt, dass sich der Strukturwandel nicht nur auf die direkt betroffenen Großunternehmen auswirkt, sondern eben auch auf den hiesigen Mittelstand.
 

Aktuelle Krise betrifft Rheinisches Revier nicht stärker als andere Regionen

 
Auch die Logistikwirtschaft ist in den drei Kommunen insgesamt überdurchschnittlich stark vertreten. Mehr als 2.500 Beschäftigte und damit 8,7 Prozent der Menschen arbeiten in dieser Branche – im Vergleich dazu sind es in Nordrhein-Westfalen 5,5 Prozent. Diese Branche leidet aktuell darunter, dass Güterverkehr krisenbedingt rückläufig ist. Weitere stark betroffene Branchen wie der Handel, die Gastronomie und verschiedene Dienstleistungen seien im Rheinischen Revier dagegen eher unterdurchschnittlich vertreten. Die Wirtschaftsstrukturen deuten also darauf hin, dass das Rheinische Revier von der aktuellen Krise zumindest nicht stärker betroffen sein dürfte als andere Regionen.
 

Beschäftigtenzahl deutlich gestiegen

 
Erfreulich sind die Beschäftigungszuwächse der drei Kommunen in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Das Wachstum lag insgesamt bei 25 Prozent. Insbesondere Jüchen (+55 Prozent) und Rommerskirchen (+109 Prozent) konnten die Beschäftigtenzahlen deutlich steigern. Beim Vergleich von verschiedenen regionalwirtschaftlichen Indikatoren mit dem NRW-Schnitt zeigt sich, dass neben der Beschäftigtenentwicklung auch die Arbeitslosenentwicklung bis zum Jahr 2019 im Rheinischen Revier günstiger verlaufen ist. Die Krise der vergangenen Monate hat jedoch wieder zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen geführt. Weitere Indikatoren wie die durchschnittliche Verschuldung, die Steuereinnahmekraft und die Gründungsintensität haben sich in den drei Kommunen ebenfalls gut entwickelt. Die Ausgangssituation vor dieser Krise war also vergleichsweise gut. Das ist angesichts der aktuellen Herausforderungen durch die Wirtschaftskrise und den Strukturwandel überaus wichtig.

Strukturwandel muss gestaltet werden

 
Die Zahlen zeigen, dass der Transformationsprozess im Rheinischen Revier auf eine gesunde Wirtschaftsstruktur trifft. Anders als etwa der Strukturwandel der Montanindustrie im Ruhrgebiet, der von globalen Marktentwicklungen getrieben worden war. Der Wandel im Rheinischen Revier ist politisch gewollt und initiiert. Es muss jetzt – gemeinsam mit den Akteuren vor Ort und der Politik – dieser Strukturwandel gestaltet werden. Damit dies gelingt, bedarf es guter Standortbedingungen vor Ort. Die befragten Unternehmen gaben die durchschnittliche Gesamtnote von 2,69 für die Standortqualität. Das ist schlechter als der Durchschnitt der Kommunen, die wir in den vergangenen zwei Jahren untersucht haben. Im Mittel geben die Unternehmen ihren Standorten in der Gesamtregion die Note 2,49. Unterschiede zwischen den drei Kommunen gibt es aber auch. In Rommerskirchen sind die Unternehmen sehr zufrieden, während die Grevenbroicher Betriebe kritischer eingestellt sind.

Verbesserungspotenzial in allen abgefragten Themenfeldern

 
In allen fünf von der IHK abgefragten Themenfeldern – Harte Standortfaktoren, Kommunale Kosten und Leistungen, Innenstadtfaktoren, Arbeitsmarktfaktoren, Forschung und Entwicklung beziehungsweise Beratung – sind die Unternehmen in den drei Kommunen des Rheinischen Reviers im Schnitt etwas unzufriedener als der Durchschnitt des Kammerbezirks. Da gibt es Verbesserungspotenzial. Von den 20 wichtigsten Standortfaktoren werden 14 im Rheinischen Revier schlechter bewertet.

Kritik bei den kommunalen Kosten

 
In der Kritik stehen bei den Betrieben insbesondere die kommunalen Kosten. Zwar haben alle drei Kommunen im Vergleich zu den Kommunen im Rhein-Kreis Neuss keinen übermäßig hohen Gewerbesteuerhebesatz, der IHK-Hauptgeschäftsführer gibt aber zu bedenken: Das Gewerbesteuerhebesatzniveau in der Gesamtregion ist überdurchschnittlich hoch. Das ist eine Hypothek für den gesamten Strukturwandelprozess, bei dem es schließlich darum gehen wird, neue Unternehmen für den Standort zu gewinnen. Auch wichtige kommunale Leistungen wie die reibungslose Kooperation öffentlicher Ämter, die behördlichen Reaktionszeiten oder die Bestandspflege örtlicher Betriebe werden von den Unternehmen nur durchschnittlich bewertet. Es wird den Kommunalverwaltungen empfohlen, sich für das RAL-Gütesiegel „Mittelstandsfreundliche Verwaltung“ zertifizieren zu lassen. Eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung erleichtert die Ansiedlung neuer Unternehmen enorm – und das wird bei der Bewältigung des Strukturwandels von entscheidender Bedeutung sein.
 

Informations- und Kommunikationsinfrastruktur wird mäßig bewertet

 
Auch die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur erhält eine mäßige Bewertung. Wer neue, innovative Branchen ansiedeln möchte, muss bei der Entwicklung möglicher neuer Gewerbegebiete die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur mitdenken. In der aktuellen Krise wird der Bedarf deutlicher denn je. Die IHK fordert in ihrem dezidierten Forderungskatalog für die drei Kommunen eine intelligente Flächennutzung im Rheinischen Revier, etwa durch die Entwicklung des Industrieparks Elsbachtal, eine Entwicklung im Kraftwerksumfeld Neurath und das interkommunale Gewerbe- und Industriegebiet Jüchen/Dreieck Jackerath. Die IHK wird sich mit den Akteuren aus der Region dafür einsetzen, dass die Verkehrsanbindung verbessert wird.